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«Einige tolle Resultate gezeigt»

«Einige tolle Resultate gezeigt» «Einige tolle Resultate gezeigt»

Interview mit Einsiedelns Ex-Skisprung-Weltmeister Andreas Küttel über die Saison der Schweizer Skispringer

Die Skisprungsaison neigt sich dem Ende zu. Wie sieht der frühere Einsiedler Skisprungweltmeister Andreas Küttel (42) die Bilanz der Schweizer? Ein Interview mit dem in Dänemark lebenden Sportwissenschaftler.

WOLFGANG HOLZ

Herr Küttel, haben Sie es lieber hügelig oder hyggelig?

Also, inzwischen kann ich mit dem Groove in Dänemark ganz gut leben. Es geht hier schon wesentlich lockerer zu als in der Schweiz, wo Leistung und Pres-tige schon sehr im Vordergrund stehen. Im dänischen Wohlfahrtsstaat, wo geschaut wird, dass es allen irgendwie gut geht, und wo eine 37-Stunden-Arbeitswoche gilt, lässt es sich ganz behaglich und gemütlich an. Aber was macht eigentlich ein ehemaliger Skispringer in Dänemark, wo es keine Hügel gibt? Es hat hier schon auch Hügel. Zum Beispiel den 70 Meter ho-hen Dybbøl-Bakke, an dem die Deutschen und die Dänen 1864 eine Schlacht austrugen. Nein, seit 2017 arbeite ich als Sportwissenschaftler an der University of Southern Denmark, an der ich forsche und unterrichte. Gerade erst vor zwei Wochen konnte ich meinen Vertrag als Assistant Professor um vier Jahre verlängern, was in akademischen Anstellungen keine Selbstverständlichkeit ist.

Kommen wir zur aktuellen Skisprungsaison, die mit dem Skifliegen in Oberstdorf und in Planica zu Ende geht. Wie haben die Schweizer abgeschnitten? Die Schweizer Skispringer sind eine schmale Truppe. Sobald einer wegen Verletzung ausfällt, wie vor Kurzem Dominik Peter, dann sind es plötzlich nur noch zwei oder drei. Da ist es schwierig, auf dem international ho-hen Niveau mitzuhalten. Dennoch haben die Schweizer einige ganz tolle Resultate gezeigt: Killian Peier etwa vor Weihnachten und speziell in Engelberg mit seinen zahlreichen Top-Ten-Platzierungen. Auch Gregor Deschwanden hat es unter die ers-ten Zehn geschafft. Und auch Simon Ammann legte zwischendurch Sprünge hin, die bewiesen, dass er mit der erweiterten Weltspitze noch mithalten kann. Was müsste passieren, dass die Schweiz wieder ganz vorne mitspringen könnte?

Das ist nicht so einfach zu beantworten. Es ist nicht zuletzt wohl eine Grössenfrage. Denn es gibt nur wenige Skiklubs und Kleinschanzen in der Schweiz, welche jungen Athleten den Zugang zum Skispringen ermöglichen. Einsiedeln hat etwa eine tolle Infrastruktur. Das Skispringen hat andererseits wie beim Ski alpin aber auch nie so einen Hype in der Schweiz ausgelöst in Sachen Nachwuchs – selbst nicht angesichts Simon Ammanns vierfachem Olympiasieg. Dabei hat die Schweiz grosse Talente wie Killian Peier – der ja schon WM-Dritter wurde – bei dem aber der Knoten noch immer nicht aufgegangen zu sein scheint. Killian Peier hat sicher extreme Fortschritte gemacht und gute Resultate nach seiner schweren Knieverletzung gezeigt. So ein schnelles Comeback gelingt nicht allen. Aus seinen negativen Erlebnissen bei den Olympischen Spielen in Peking wird er sicher lernen. Ich bin überzeugt, dass er noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung steht. Und was ist mit Simon Ammann. Wäre es nicht sinnvoller, er würde bald mal aufhören und seine riesige Erfahrung in die Nachwuchsförderung stecken?

Wann Simon Ammann seine Karriere beendet – dieser Frage geht er ja immer wieder elegant aus dem Weg. Es ist sicherlich seine ganz persönliche Entscheidung festzulegen, wann er aufhören will. Gleichzeitig ist es für ihn auch sicher interessant, persönliche Grenzen auszuloten. Was die Trainerfrage anbelangt, muss ein erfolgreicher Skispringer nicht unbedingt ein erfolgreicher Trainer sein – Simon müsste dafür wohl zunächst auch einmal erst Abstand gewinnen und einen Trainerkurs absolvieren. Was veränderte sich im Sport?

Grundsätzlich ist die Physik des Skispringens mit hohen Geschwindigkeiten und einer Absprungzeit von rund 0,3 Sekunden natürlich die gleiche geblieben. Aber es gibt heutzutage im Hinblick auf die Sprungtechnik und auf deren Umsetzung auf der Schanze eine wesentlich grössere Fokussierung aufs Material. Man kann hier durchaus von Materialschlachten sprechen. Ich war früher nur schon froh, zwei, drei Sprunganzüge pro Winter zu haben. Heutzutage wird ja zwischen den einzelnen Durchgängen gewechselt. Nicht zuletzt ist auch die Leistungsdichte der Springer grösser geworden. Welches Potenzial haben die Einsiedler Schanzen künftig? Der Bau der Schanzen 2005 hat sicherlich zu meinen Erfolgen beigetragen. Die Anlagen sind ein eminent wichtiger Eckpfeiler des Schweizer Skisprungsports. Man kann hier hervorragende Nachwuchsförderung betreiben, und die Schanzen sind nun wieder gut in Schuss mit den frisch erneuerten Anlaufspuren. Langfristig könnte sicher ein Sommer Grand Prix wieder ins Auge gefasst werden. Ich selbst bin vor drei Jahren das letzte Mal in Einsiedeln gesprungen. Inzwischen habe ich meine Skier definitiv ins Eck gestellt.

Der Einsiedler Andreas Küttel wurde 2009 Skisprung-Weltmeister in Liberec. Foto: zvg

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