Fiebrig vor lauter Sehnsucht
Evelinn Trouble kam mit ihrem fünften Album «Longing Fever» und neuer Band in den Mauz Music-Club nach Einsiedeln
Im Sommer war Evelinn Trouble noch solo zu Gast im Klosterdorf. Am Samstag kehrte sie zurück nach Einsiedeln. Diesmal mit neuer Band, neuem Album und mit voller Wucht. Überaus passend zur Geburtstagsparty des Mauz, der sein 5-Jahr-Jubiläum feierte.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Mit dem Konzert von Evelinn Trouble jubilierte der Mauz und feierte fünf Jahre Music-Club im Klosterdorf. Kein Wunder frag-te die Musikerin das Publikum: «Seid Ihr alle von Einsiedeln? Lebt Ihr allesamt im Kloster?» Ob auch Mönche aus dem Kloster Einsiedeln am Konzert von Evelinn Trouble am Samstagabend zugegen waren, entzieht sich der Kenntnis des Schreibenden. Klar ist hingegen, dass die Coronapandemie definitiv noch nicht an ihrem Ende angekommen sein mag: Einerseits hat es die ganze Band rund um Evelinn Trouble covid-bedingt ins Bett gehauen, weswegen ihr Auftritt um eine Woche verschoben werden musste.
Andererseits hat Corona dafür gesorgt, dass nur fünfzig Leute in den Mauz gepilgert sind. Diese brauchten ihr Kommen allerdings keineswegs zu bereuen. Denn der Auftritt der vier Frau-en – vollends in Weiss – war schlicht eine Wucht par excellence.
Von Disco-Rhythmen zu jazzigen Grooves Evelinn Trouble war Spiderman und Todesengel, und sie ist das Aufregendste, was der Schweizer Pop derzeit zu bieten hat: Nachdem die 33-jährige Zürcherin im Sommer 2021 im Mauz ein Solo- Konzert spielte und mit Leichtigkeit und Schalk den Stadt-Land-Graben überwunden hat, kam sie am Samstag mit ihrem fünften Album «Longing Fever» und neuer Band in den Music-Club in Einsiedeln. So standen denn also lauter Frauen auf der Bühne im Mauz.
«I am roadkill in the way of your salvation/You’re getting yours by crushing mine» singt Evelinn Trouble mit Inbrunst und bringt auf den Punkt, worum es ihr geht: Erlösung, koste es, was es wolle. «Don’t go there, love/ Hold your horses» bringt die Musikerin mit ihrer soulig-prächtigen Stimme zum Besten: Zügle dich, geh nicht wieder dorthin (wo es weh tut).
Evelinn Trouble ist mit ihrem Album «Longing Fever», fiebrig vor lauter Sehnsucht, Wundersames geglückt, ein exzellenter Wurf. Die Songs schöpfen aus allerlei Musiktöpfen, greifen einmal auf Disco-Rhythmen, einmal auf jazzige Grooves zurück und erweisen sowohl dem Pop als auch dem Rock die Ehre. Psychedelische Synth-Effekte
Der Abend im Mauz gestaltet sich überaus facettenreich: Man hört immer wieder die Freude von Evelinn Trouble an seltsamen Sounds und Samples aus Geräten aus den 80er-Jahren, an alten Synth-Effekten, die psychedelisch einlullen, dass Gott erbarm. Dann wieder geht es schon beinahe Rap- und Hip-Hop-mässig zu und her und voran auf der Bühne. So wechseln sich Songs mit Frauenstimmencombo mit nachdenklichen, beinah stillen Augenblicken ab.
«Longing Fever» kommt einer Annäherung ans menschliche Bedürfnis entgegen, nicht nur zu lieben, sondern auch geliebt zu werden. Das Konzert startet denn auch mit jazzigen Grooves und den Worten «Cherish me, my love – and melt the ice in your chest».
Da ist sie dann auch schon erstmals, die angesprochene Sehnsucht: Während «Cherish Me» mit vertrackten Rhythmen und nach Liebe heischendem Gesang aufwartet, präsentiert sich das nachfolgende und kein Jota weniger überzeugende «Higher Love», das sich um die Auswirkungen von Amors Pfeilen dreht, als perlende Ballade.
Wenn jeder Augenblick ein Gefängnis ist Gegen das Ende des Auftritts folgen ausgelassenere Partynummern, die sich aus schleppendem Shuffle Beat aus der Maschine entwickeln. Später gibt es sogar Techno à la Underworld – und «Who I Am and What I Want» ist gespenstisch verhallter New Wave: Wie ein Echo aus der Frühzeit von The Cure.
Vollendeter Höhepunkt des Auftritts ist der Song «Prison»: Endlich sind wir komplett in den 80er-Jahren angekommen. Das war nicht wirklich eine heile Zeit, auch wenn die Mauern damals gefallen sind (zumindest in Berlin).
Evelinn Trouble singt davon, dass das Gefängnis innerhalb der eigenen Person zu fin-den ist: Wenn du dir nicht selber vertrauen, auf deine Umgebung bauen kannst, dann läufst du durch die Welt – und es ist nirgends gut. «Every moment is a prison» – egal wo, egal mit wem, das Gefängnis trägt man mit sich herum – es ist nicht an einen Ort und an eine Zeit gebunden.
Vier Frauen komplett in Weiss auf der Mauz-Bühne im Klosterdorf: Ein kleines, aber feines Publikum erlebte am Samstagabend einen tranceartigen Konzertauftritt mit wahrhaftig inspirierenden Musikerinnen.
Foto: Astrid Gerber