«Höhepunkt ist noch nicht erreicht»
Die Benzinpreise sind aufgrund des Ukraine-Kriegs auf weit über zwei Franken pro Liter geklettert
Der Krieg in der Ukraine hat die bereits teuren Mineralölpreise nun in schwindelerregende Höhen schnellen lassen. Wer jetzt tankt, muss auf alles gefasst sein. Stimmen.
WOLFGANG HOLZ
Ein Pöstler betankt gerade sein gelbes Auto an der Avia-Station am Bahnhofplatz in Einsiedeln. Als ein anderer Autofahrer neben ihm an der Tankstelle still mit dem Finger auf die Benzinpreise deutet – formt sich zuerst ein breites Lächeln im Gesicht des Mannes. Dann lacht er schallend los. «Gottseidank muss ich den Tank nicht bezahlen », sagts und gluckst vor lauter Freude. Eine Art Galgenhumor, wenn man so will.
Keine Fata Morgana
Es ist die harte Wirklichkeit – obwohl man kaum seinen Augen traut. Zwei Franken achtunddreissig für einen Liter Diesel! Unglaublich. Und doch wahr. Das war am Mittwochmorgen. Wie soll das bloss noch weitergehen? Jetzt hat der Ukraine-Krieg die Autofahrer auch hierzulande erwischt – mit schwindelerregenden Spritpreiserhöhungen.
Während die Preise für Benzin bleifrei und Diesel im Klosterdorf traditionell keinen grossen Schwankungen unterworfen sind – am Mittwoch war die Coop-Tankstelle an der Zürichstrasse mit 2,23 Franken für Benzin bleifrei und 2,34 Franken für Diesel mit am günstigsten – tobt andernorts der Preiskrieg.
Im Schindelleger Gewerbegebiet Chaltenboden etwa betrug der Preisunterschied zwischen der Hergol-Tanke und der lediglich rund 500 Meter entfernten Eni-Tankstelle knapp 30 Rappen pro Liter Benzin bleifrei. Aller-dings nur am Mittwochmorgen bis 10 Uhr. «Jetzt, am Mittwochabend, kostet ein Liter bei uns 2,17 Franken», meldet der Hergol- Tankstellenangestellte. Irre.
Roger Andermatt von der BP-Tankstelle in Gross kann den Preisgalopp in Sachen Benzinpreise noch kaum nachvollziehen. «Es war am Dienstagabend um 17.38 Uhr, als ich die E-Mail erhalten habe, dass am Mittwoch die Preise um 20 Rappen steigen – so etwas habe ich noch nie erlebt», gesteht er spontan. Beschwerden von Autofahrern sind ihm bis jetzt keine zu Ohren gekommen. Er kann nicht abschätzen, wie die Preisentwicklung noch weitergeht und ob dahinter nicht auch Spekulationsgeschäfte stecken.
«Mobilität überdenken» Sorgen über die Benzinpreiserhöhungen macht sich auch Edgar Steinauer vom gleichnamigen Einsiedler Recycling-Unternehmen. «Irgendwann wird es für uns teurer», erklärt er. Kein Wunder. Seine Lastwagen fah-ren nämlich alle mit Diesel. Bis auf einen. «Der fährt elektrisch», sagt Steinauer und lobt seinen Stromer im gleichen Atemzug. Aus seiner Sicht sei jetzt der Moment gekommen, um gründlich über die Zukunft der Mobilität nachzudenken. «Man hätte alternative Energien viel mehr vorantreiben müssen, auch Bio-Kraftstoff », ist Steinauer überzeugt. Im Grunde könnte er sich eine Zukunft mit E-Lastwagen gut vorstellen. «Wir haben ja unsere eigenen Ladesäulen, und bei dem sonnigen Wetter momentan kann man sogar Solarstrom speichern.» Feuerwehr hat es noch gut
Bei der Freiwilligen Feuerwehr Einsiedeln, die auch vorwiegend mit Dieselfahrzeugen unterwegs ist, herrscht noch kein «Spritalarm». Grund: Die Feuerwehr hat noch Treibstoff vorrätig. «Unser 2000-Liter-Tank ist noch gefüllt mit Diesel, den wir noch vor dem Ukraine-Krieg günstig gekauft haben», lässt Feuerwehrkommandant Marcel Zehnder wissen. Auch viele Bauern haben noch einen günstigen Preis für ihre Dieseltraktoren erhalten, wie Erich Suter, Geschäftsführer der Landi Einsiedeln, auf Anfrage versichert.
Beschaffungskosten gestiegen
Wie dem auch sei. Der Höhepunkt der Benzinpreissteigerungen scheint jedenfalls noch nicht überschritten, wie Experten vermuten. «Es kann nicht abgeschätzt werden, wie lange diese Hausse anhalten wird. Stand heute müssen wir konstatieren, dass der Höhepunkt wohl noch nicht erreicht ist», so Mirjam Fuchs, Leiterin Migrol-Marketing. Die Beschaffungspreise seien sogar mehr angestiegen, als auf den Markt abgewälzt werden könne.
Ähnlich tönt es von der Coop Mineraloel AG: «Aufgrund der stark steigenden Beschaffungskosten müssen auch wir die Preise erhöhen», schreibt Sprecherin Eliane Stoller. Und Ramon Werner, Chef von Oel-Pool und damit Herr über das grösste Tankstellennetz der Schweiz, meint gegenüber dem «Bote der Urschweiz»: «Ich kann nicht sagen, wie die Börse in Zukunft reagieren wird. Die Zeichen stehen aber derzeit klar auf Anspannung. » Und er ergänzt: «Der Markt spielt momentan ziemlich verrückt. Die Preise sind volatil. Wir passen sie alle drei, vier Tage an. In normalen Zeiten macht man das vielleicht alle drei Wochen.»
«So etwas habe ich noch nie erlebt.»
Roger Andermatt Autogarage Gross
In den «roten Zahlen»: Schwindelerregende Spritpreise sorgen auch an Einsiedler Tankstellen für ungläubige Blicke. Fotos: Wolfgang Holz