Veröffentlicht am

«Vieles hat mich auch nach Büroschluss noch beschäftigt»

«Vieles hat mich auch nach  Büroschluss noch beschäftigt» «Vieles hat mich auch nach  Büroschluss noch beschäftigt»

Martina Trütsch, Vorsteherin des kantonalen Amts für Gesundheit und Soziales, steht Red und Antwort zur Pandemiebewältigung im Kanton Schwyz.

FLURINA VALSECCHI

Sie sind die Krisenmanagerin des Kantons. Hatten Sie in den letzten zwei Jahren auch mal Ferien? Die Auszeiten kamen definitiv zu kurz. Ich werde mir dieses Jahr einige etwas längere Pausen gönnen.

Wo mussten Sie zurückstecken?

Definitiv bei meinen persönlichen Treffen mit Familie und Freunden sowie bei der Zeit für mein Pferd. Ist die Pandemie jetzt vorbei?

«Dank» Omikron wird es in den nächsten Wochen eine gewisse «globale» Immunität geben, und zusammen mit der Saisonalität der Corona-Wellen ist es sehr wahrscheinlich, dass wir im bevorstehenden Frühling und Sommer weitestgehend in die Normalität zurückkehren können. Und doch ist jetzt nicht einfach alles wieder gut.

Wie meinen Sie das?

Wegen möglicher neuer Mutationen ist weiterhin Vorsicht geboten. Wir wissen nicht, wie die Situation im Herbst ist, wir als Behörde müssen auf alle Szenarien vorbereitet sein. Auch ist noch offen, wie sich die Zahl der Long-Covid-Betroffenen entwickeln wird. Corona können wir deshalb noch nicht ad acta legen.

Immerhin sind jetzt weitere Öffnungsschritte in Sichtnähe. Sogar für die Fasnacht gibt es wieder realistische Chancen. Wir müssen zuerst den Entscheid des Bundesrats vom kommenden Mittwoch abwarten. Würde er sich für die vorgeschlagene Variante eins mit einer Aufhebung aller Covid-19-Massnahmen auf einen Schlag entscheiden, stünde einer Fasnacht nichts mehr im Weg. Können Sie der Pandemie eigentlich auch etwas Gutes abgewinnen?

Ja sicherlich. Die Pandemie hat uns im Amt für Gesundheit und darüber hinaus enorm zusammengeschweisst. Die Pandemie hat uns menschlich und fachlich unglaublich viel Spannendes gelehrt, das wir auf unserem weiteren Weg nutzen können. Was bleibt Ihnen am stärksten in Erinnerung? Dass es bei allem immer um Menschen geht – dessen sollte man sich bewusst sein. Was mir zudem wieder einmal ganz klar vor Augen geführt wurde, ist, dass, wenn motivierte Menschen zusammenarbeiten, ein unglaublicher Drive entstehen kann. Und was würden Sie rückblickend anders machen? Wir haben vieles richtig gemacht. Im Bereich Impfen waren wir enorm kreativ, wir waren einer der ersten Kantone, die das repetitive Testen für Betriebe und Schulen mit einer Plattform ermöglicht haben. Und genau dieses Thema hat im Kanton Schwyz stark polarisiert. Ahnten Sie, dass die Behörden mit dem Impfen bei der Bevölkerung auf Granit beissen würden? Ich sehe das anders, immerhin haben sich ohne viel Aufhebens 61 Prozent der Bevölkerung im Kanton mindestens einmal imp-fen lassen, ein Drittel ist inzwischen auch geboostert. Bei den über 65-Jährigen sind 84 Prozent geimpft und fast zwei Drittel geboostert. Natürlich hätten wir uns mehr gewünscht. Ganz selbstkritisch: Was hätten Sie anders machen müssen, damit Schwyz nicht das Schlusslicht auf der nationalen Impfrangliste geblieben wäre? Sicher würde man aus der heutigen Perspektive und mit den inzwischen gewonnenen Erkenntnissen gewisse Dinge anders machen. Ich glaube aber, dass wir stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt ha-ben. Beim Thema Impfen waren wir sehr innovativ. Unter anderem haben wir als erster Kanton einen Impfbus eingesetzt und auch sonst ein breites und niederschwelliges Impfangebot auf die Beine gestellt. Die Impfgegner haben viel mit Ängsten und Emotionen gearbeitet, da ist es immer schwierig, mit trockenen Fakten entgegenzuhalten. Sie erwähnen es. Die Behörden standen in hartem Gegenwind der Massnahmenkritiker. Wie gingen Sie mit den Angriffen um? Konstruktive Kritik ist immer angebracht, niemand macht immer alles richtig. Was mir persönlich aber Mühe bereitete, waren halt-lose Kritik und persönliche Angriffe auf meine Mitarbeitenden oder mich selbst. Umso mehr, wenn diese Angriffe auch von einem fehlenden Respekt gegenüber uns und unserer Arbeit geprägt waren. Klar, man kann es nie allen recht machen. Ich kann aber mit gutem Gewissen sagen, dass wir unsere Entscheide immer umfassend abgewägt und hinterfragt haben, mit dem Ziel, umsichtig zu handeln und die Bevölkerung so schnell wie möglich aus der Pandemie zu führen. Kann man da immer gut schlafen?

Zum Glück habe ich einen guten Schlaf. Aber die Trennung und Abgrenzung zwischen Beruf und privat war teilweise schwierig – und dies nicht nur aufgrund der hohen Arbeitslast, sondern auch, weil mich vieles auch nach Büroschluss noch beschäftigte. Mitten in der Pandemie sind Sie zur Amtsleiterin und somit zur Chefin von rund dreissig Mitarbeitenden aufgestiegen. Wie

war das für Sie?

Ich war ja bereits in meiner vorherigen Position als Abteilungsleiterin Gesundheitsversorgung stark in die Pandemiebewältigung eingebunden. Darum war es ein thematisch ziemlich nahtloser Übergang. Neu hat sich meine Verantwortung auf das ganze Themenspektrum der Pandemiebewältigung ausgebreitet. Mit dem Bereich Soziales ist ein komplett neuer Verantwortungsbereich hinzugekommen. Welche Themen sind auf der Strecke geblieben? Der Bereich Soziales kam definitiv zu kurz, weshalb ich die-sen Themen nun vermehrte Aufmerksamkeit zukommen lassen möchte. Wo besteht nun der grösste Handlungsbedarf? Wir sind zurzeit daran, das Gesetz über soziale Einrichtungen komplett zu revidieren, zudem sind wir mitten in der Überarbeitung der Spitalplanung. Beim Letzteren geht es darum, die Grundlagen zu schaffen, um neue Leistungsvereinbarungen mit den Spitälern im Kanton und ausserhalb abzuschliessen. Im Moment wird auch über die externe Kinderbetreuung intensiv diskutiert. Der Kanton schlägt eine grosszügige Subventionierung vor. Macht Schwyz hier einen riesigen Schritt in die Moderne? Wird das Kinderbetreuungsgesetz, wie es der Regierungsrat vorschlägt, angenommen, lässt sich dies mit einem Sprint auf der Überholspur vergleichen. Schwyz holt seinen Rückstand auf und positioniert sich im Deutschschweizer Vergleich innert Kürze auf den vordersten Rängen. Sie sind in Schwyz aufgewachsen und haben auch fast immer hier gearbeitet. Einmal Schwyz, immer Schwyz? Nein, das war grundsätzlich nie so geplant, sondern hat sich einfach ergeben.

«Corona können wir noch nicht ad acta legen»: Martina Trütsch bereitet sich auf alle Szenarien vor.

Foto: Flurina Valsecchi

Share
LATEST NEWS