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Es ist nicht schwierig, Gutes zu tun

Es ist nicht schwierig, Gutes zu tun Es ist nicht schwierig, Gutes zu tun

In der Schule in Siem Reap fehlt es an den alltäglichsten Dingen, doch die Hoffnung lebt

Nach zweieinhalb Jahren Wartens durfte die Eggerin Brigitte Lussi endlich wieder nach Kambodscha reisen, vor Ort Hilfe bringen und viel Positives für die Schüler und Lehrpersonen, welche sie mit dem Verein Komar Kiri Cambodia unterstützt, tun.

MARLIES MATHIS

«Die zwei Welten sind so unterschiedlich. Es gibt keine Parallelen und du kannst das Leben überhaupt nicht vergleichen», ist die Antwort der Kambodscha-Besucherin Brigitte Lussi auf die Frage, ob sie als Schweizerin nicht einen Kulturschock gehabt hätte. Weiter führt sie aus, dass sie ja wegen Corona seit langer Zeit und mit grosser Sehnsucht auf diesen Zeitpunkt habe war-ten müssen, endlich die Schule, die sie seit fast drei Jahren mit dem Erlös aus verschiedenen Näharbeiten und seit vergangenen Oktober auch mit Spenden des neu gegründeten Vereins «Komar Kiri Cambodia» unterstütze, zu besuchen.

Die Vorfreude, die Träume und Hoffnungen, aber ebenso die Illusionen seien in die-ser Zeit nicht kleiner geworden, doch sei bei ihrer Ankunft in der Stadt Siem Reap auch eine Art Ernüchterung eingetreten, angesichts der materiellen Situation in der privaten Schule mit rund 260 Schülern und Schülerinnen und den zehn Lehrpersonen, ist ihrem relativierenden Rückblick zu entnehmen.

So hat sie innert weniger Tage dank ihrer unkomplizierten Art und ihres vielseitigen Einsatzes vor Ort die Herzen dieser Kambodschaner erobert, war sie doch sofort in der Region bekannt und wurde, obwohl blond und hellhäutig, nicht als Touristin behandelt. Auch wenn sie sich von Beginn weg trotz des fehlenden und für uns alltäglichen Komforts wie WC mit Spülung, Dusche oder Bett mit Matratze doch wie daheim gefühlt habe und mit offenen Armen und Herzen empfangen worden sei, gibt sie zu bedenken, werde man dort nie ein Einheimischer sein.

Dieser mehrwöchige Aufenthalt habe ihr aber persönlich eine innere Ruhe gebracht, auch wenn ihre Hilfe nur ein Tropfen auf einen heissen Stein sei, aber allein schon im Wissen da-rum, dass sie wiederkommen könne und sie die Hilfe von der Schweiz aus dringend noch intensivieren müsse. Sie spüre jedoch auch eine grosse Dankbarkeit für all das, was wir hier in der Schweiz wie selbstverständlich haben und dafür, dass Menschen sie in ihrem Projekt immer wieder unterstützen und motivieren würden.

Wie ein Adventskalender

Was die initiative Kindergärtnerin in den vergangenen Wochen in einem der ärmsten Länder der Welt erlebt hat, liess sie ihre zu Hause gebliebenen Liebsten und Freunde mit Hilfe eines digitalen Tagebuchs mit auf diese spezielle Reise nehmen. Oder wie eine Nutzerin meinte: «Es ist wie ein Adventskalender, der zum Glück an Weihnachten nicht endet!» Einen berührenden Moment erlebte die Eggerin gleich zu Beginn ihrer Ankunft in der Schule, hatte doch ein Lehrer zu ihrem Willkomm eine Schweizer Flagge gekauft und zusammen mit der einheimischen Fahne gehisst! Die Freude über ihre Anwesenheit, aber auch die Neugier und die Hoffnung, was diese Frau wohl bringe, war entsprechend bei Klein und Gross zu spüren.

Eine ihrer ersten Aktionen war denn nach Rücksprache mit dem Schuldirektor, eine Liste zu erstellen, was am nötigsten sei, fehlte es doch ganz einfach an allem Alltäglichen. So wurden als Erstes die zehn dringendsten Sachen wie Papier, Stifte, Besen, Seife und anderes angeschafft. Danach kamen Brigittes Leidenschaft und Erfahrung als Kindergärtnerin zum Zuge. Innert kurzer Zeit verwandelte sie mit den Schülern die düsteren und kahlen Schulzimmer in farbige Räume mit Atmosphäre. Ausserdem wurden aus PET-Flaschen Blumenampeln gezaubert oder Seifenbehälter gebastelt und diese um die Bäume befestigt, so dass nun alle ihre Hände reinigen können.

Riesige Freude bereiteten den jüngsten Schülern die Klänge, die sie einer per Zufall entdeckten alten Gitarre entlockte und damit die Kinder zum Singen und Tanzen animierte, wenn auch zuerst eine gewisse Scheu abgelegt werden musste. Ja selbst die Lehrpersonen waren so angetan von diesem Instrument, dass sie nach der Schule gleich die erste Musikstunde absolvierten.

Mit sehr wenig zufrieden

Gar richtig stolz waren diese, als die hilfsbereite Schweizerin ihnen ein einheitliches T-Shirt mit ihrem gestickten Schullogo darauf anfertigen liess, was ihnen sehr viel bedeutet. Da sie als Lehrpersonen dieser privaten Schule einen sehr geringen Lohn haben und auch grösstenteils über keine pädagogische Ausbildung verfügen und selber noch studieren, aber mit viel Herzblut für ihre Schützlinge schauen und ihnen möglichst viel Englisch beibringen – was in der staatlichen Schule übrigens kaum gefördert wird – sind sie sehr dankbar für jede Unterstützung und jedes Zeichen der Solidarität.

Wie selbstverständlich verrichtete die zweifache Mutter aber auch Alltagsarbeiten wie Wäsche waschen, Unkraut jäten oder Samen anpflanzen und war völlig erstaunt, dass die Kinder von sich aus mit Freude Böden wuschen oder Abfall entsorgten und mithalfen. «Ja, ich habe in der Schule keinen einzigen Streit unter den Kindern erlebt», fügt sie fast ungläubig an.

Im Gegenzug wurde Brigitte spontan von den Lehrern und Lehrerinnen und deren Freunden aus der Stadt immer wieder zu Festen aller Art, sei es im Familienkreis an eine Hochzeit, in einem Verein zu einer Generalversammlung oder an eine Silvesterparty, eingeladen. «Zum Feiern, zum Lachen und zu ausgelassener Fröhlichkeit finden die Kambodschaner immer einen Grund, und diese Zufriedenheit und das Leben im Hier und Jetzt zu geniessen und nicht schon weit in die Zukunft zu planen und das Negative zu sehen, ist zutiefst beeindruckend, und davon könnten wir Schweizer uns ein Stück abschneiden», fasst die 51-Jährige sinnierend zusammen.

Für sich selber Energie getankt hat sie, indem sie die faszinierende Tier- und Pflanzenwelt, aber auch die Kultur des Landes entdeckt, die imposanten Tempelbauten besucht und wunderschöne Sonnenuntergänge erlebt hat und ganz einfach in das Leben und in die Landschaft eingetaucht ist.

Ihr Traum ist es denn auch immer noch, ein Kinderhaus zu bauen, aber noch wichtiger sei es im Moment, den Leuten in ihrer Schule weiterhin Hoffnung und vor allem eine gewisse Sicherheit zu bringen, indem zum Beispiel zumindest die wirklich geringen Löhne garantiert würden oder dringende Einzelhilfen wie eine neue Brille oder ein Medikament bezahlt werden könnten. So wird ihr persönliches Engagement und jenes für den Verein «Komar Kiri Cambodia» und damit das Beschaffen von Geld für die nötige Hilfe dieses Schulprojekts in Siem Reap wohl nicht kleiner, im Gegenteil.

www.komarkiri.ch

Nebst dem Unterrichten hat Brigitte Lussi zusammen mit Lehrpersonen oder Schülern auch zahlreiche alltägliche Arbeiten wie Jäten, Wäsche oder Gemüse waschen verrichtet.

Fotos: zvg

Die kambodschanischen Kinder hören ganz gespannt den ungewohnten Tönen zu, die Brigitte Lussi der Gitarre entlockt.

Eine sinnvolle Wiederverwertung der PET-Flaschen, die nun, an einen Baum geschraubt, als praktische Seifenschalen dienen.

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