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«Langsamverkehr muss auch im Kanton Schwyz endlich ernst genommen werden»

«Langsamverkehr muss auch im Kanton  Schwyz endlich ernst genommen werden» «Langsamverkehr muss auch im Kanton  Schwyz endlich ernst genommen werden»

Michael Erhardt, Geschäftsführer des Schwyzer Umweltrats (SUR), steht Red und Antwort zu den Zielen der Organisation: «Die vorgeschlagenen Massnahmen stoppen die Verbauung der Landschaft und die Bodenversiegelung nicht.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie positioniert sich der Schwyzer Umweltrat bezüglich der Volksinitiativen, die im kommenden Jahr zur Abstimmung gelangen? Bei kantonalen Themen äussert sich der SUR meist mit einer Stimme. Bei nationalen Parolen werden die Positionen im SUR zwar diskutiert, aber es besteht kein Zwang zu einer einheitlichen Meinung, zumal ja die kantonalen Organisationen mit ihren gesamtschweizerischen Zentralen verbunden sind und deren Entscheide bezüglich Parolen für die nationale Politik mit ganz seltenen Ausnahmen mittragen. Entsprechend sind die Aussagen zu den Initiativen nicht einheitlich. Einige der nationalen Organisationen haben noch keine Parolen zu den Initiativen herausgegeben, andere schon. So hat zum Beispiel Pro Natura beschlossen, die Volksinitiative gegen Massentierhaltung zu unterstützen, da sie auch einen Einfluss auf Umwelt und Landschaft hat.

Wie stellt sich die Lage bei der Biodiversitätsinitiative? Das Initiativkomitee aus Pro Natura, BirdLife Schweiz, Schweizer Heimatschutz, Stiftung Landschaftsschutz, Casa Fair, Jagd Schweiz und Schweizerischer Fischereiverband beobachtet den Prozess in der Politik. Bis im Frühling hat der Bundesrat Zeit, alle Stellungnahmen zu sichten. Dann muss der Bundesrat den überarbeiteten indirekten Gegenvorschlag inklusive Botschaft dem Parlament überweisen. Erst nach der parlamentarischen Bereinigung kann eine Einschätzung erfolgen, ob ein Rückzug der Biodiversitätsinitiative in Frage kommt oder ob es eine Volksabstimmung braucht.

Was ist Ihre Meinung zur Landschaftsinitiative?

Die Trägerschaft der Landschaftsinitiative (Pro Natura, Birdlife Schweiz, Schweizer Heimatschutz und Stiftung Landschaftsschutz, Alpeninitiative, Casa Fair und VCS) erachtet den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative, der bis zum 13. September in der Vernehmlassung war, als ungenügend. Die vorgeschlagenen Massnahmen stoppen die Verbauung der Landschaft und die Bodenversiegelung nicht. Um einen Kompromiss zu finden, muss das Parlament die Natur, die Landschaft und die Baukultur durch weitere Zusicherungen schützen. Jäger und Ärzte sind mit dabei, der WWF und der VCS gleichsam. Wieso fehlen Landwirte im Schwyzer Umweltrat? Das wissen wir eigentlich auch nicht. Wenn es eine kantonale Organisation der Landwirte für Ökologie und Umweltschutz gäbe, wäre diese wahrscheinlich im SUR vertreten … In verschiedenen Fällen arbeiten die einzelnen Umweltverbände und der SUR bereits mit Landwirten zusammen. Wir würden uns aber natürlich auch über eine Vertretung der ökologischen Landwirtschaft im SUR freuen.

Wo hapert es aus Sicht des Rats in der Landwirtschaftspolitik? Der Einfluss der «industriellen» Agrar-Lobby ist enorm und vermag deren finanziellen Interessen durchzusetzen im Handel und Verkauf von Dünge-, (Kraft-)Futtermitteln und Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden). Ausserdem handeln die Vertreter dieser Agrar-Lobby leider häufig gegen die Interessen der einzelnen Bauern und im Sinne der grossen Agro-Konzerne. Dies hat sich in den Referaten von Andreas Bosshard und Markus Ming und in der Diskussion an der Mitgliederversammlung von 2020 klar gezeigt. Wie könnte es gelingen, die Landwirte besser in den Umweltrat miteinzubeziehen?

Wenn sich im Kanton Schwyz eine entsprechende Organisation finden würde. Bisher erhielten wir jedoch noch keine Anfragen.

Faktisch arbeiten viele Bauern bereits jetzt als Landschaftsgärtner. Wie schätzen Sie das ökologische Bewusstsein der Landwirte ein? Der Begriff «Landschaftsgärtner » wird leider meist negativ bewertet, dabei ist die Landschaftspflege eine wichtige verfassungsmässige Aufgabe der Landwirtschaft. Das ökologische Bewusstsein ist wohl so verschieden wie die einzelnen Bauern! Es gibt von Bio- zu IP-Landwirten bis zu einseitig auf Produktion ausgerichtete Betriebe alles. Es gibt deshalb auch kein einheitliches ökologisches Bewusstsein, sondern die Einstellung ist davon abhängig, wie die Betriebe ausgerichtet sind und nicht zuletzt auch davon, ob die Betriebe ökologisch und wirtschaftlich gut beraten werden!

In der Kantonsrätlichen Umweltgruppe (KRUG), die der Umweltrat initiiert hat, sind alle Parteien vertreten, die über Sitze im Schwyzer Kantonsrat verfügen. Welche Erfolge kann die Gruppe vorweisen, was hat sie erreicht? Die Erfolge sind nicht per se messbar. Der SUR möchte Partner für die Kantonsrätinnen und Kantonsräte sein, wenn sie über Umweltthemen entscheiden müssen, dass sie die Inputs des SUR in den parteiinternen Diskussionen und Entscheiden berücksichtigen.

Die Grünen Schwyz sind nicht mehr im Kantonsrat vertreten. Wieso schwächeln sie im Kanton Schwyz?

Dies liegt vermutlich vor allem daran, dass im «konservativen» Kanton Schwyz der «Liberalismus » (immer noch) stärker ist als das ökologische Bewusstsein. Der SUR ist parteineutral, es ist jedoch offensichtlich, dass im Kanton Schwyz seit Jahren vor allem die SP und neu auch die GLP so wie früher eben die Grünen für ökologische Anliegen zugänglich sind und Herausforderungen auch wahrnehmen wollen.

Welche Ziele nimmt der Schwyzer Umweltrat in der kommenden Zeit in Angriff? Verbesserung der Biodiversität und des Klimaschutzes und deren Berücksichtigung in der Energie- und Raumplanung, Agrarpolitik et cetera. Der Langsamverkehr muss endlich auch im Kanton Schwyz ernst genommen werden.

Welche Themen beschäftigen den Rat aktuell?

In der Raumplanung ist das eine klare Trennung von Nutzung (Besiedlung, Tourismus) und Schutz vor allem der störungsempfindlichen Tierwelt. Hinzu kommen wirksame Massnahmen gegen die Klimaerwärmung in Siedlungen und beim Klimaschutz die Förderung erneuerbarer Energie. Bezüglich Biodiversität bräuchte es mehr Ökologie in der Landwirtschaft und im Siedlungsraum.

Wie sind Sie selber beim Schwyzer Umweltrat gelandet? Über meine Arbeit bei Pro Natura Schwyz. Mit welcher Motivation nehmen Sie diese Arbeit für den Umweltrat in Angriff? In erster Linie aus dem Anliegen, Natur und Umwelt vor der Zerstörung zu schützen! Es gilt, unsere natürlichen Lebensgrundlagen, die Biodiversität und auch die Landschaft für künftige Generationen zu bewahren. Dieses Engagement ist anspruchsvoll und mitunter auch belastend, aber umso befriedigender, wenn es gelingt, in einem Umfeld mit unzähligen unterschiedlichen Interessengruppen gute Lösungen zu finden.

In welchen Bereichen braucht es in Sachen Umwelt- und Naturschutz im Kanton Schwyz einen besonderen Effort? Bei der Förderung erneuerbarer Energien, beim Schutz der Fliessgewässer, beim Langsamverkehr, bei der Entflechtung von Nutzen (vor allem Freizeit) und Schutz (Wildruhezonen, Wildtierkorridore) und beim Schutz der ursprünglichen Landschaften.

«Wir würden uns über eine Vertretung der ökologischen Landwirtschaft im SUR freuen.» «Der Einfluss der Agrar-Lobby ist enorm und vermag deren finanziellen Interessen durchzusetzen.» «Die Vertreter der Agrar-Lobby handeln leider häufig gegen die Interessen der einzelnen Bauern.» «Im konservativen Kanton Schwyz ist der Liberalismus stärker als das ökologische Bewusstsein.»

Michael Erhardt: «Es gilt, unsere Lebensgrundlagen, die Biodiversität und auch die Landschaft für künftige Generationen zu bewahren.» Foto: zvg

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