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«Wir sind Gefangene des Systems»

«Wir können mit dem Steuerfuss nicht einfach machen, was wir wollen», sagt Freienbachs Säckelmeister Alain Homberger

Freienbachs Säckelmeister Alain Homberger steht Red und Antwort zu den Kantonsfinanzen und zur bevorstehenden Schwyzer Steuerdebatte.

JÜRG AUF DER MAUR

Sie sind Säckelmeister der reichsten Schwyzer Gemeinde. Sie haben das gleiche Problem wie Ihr Parteikollege und Finanzdirektor Kaspar Michel. Sie haben in Freienbach einfach zu viel Geld. Ganz so ist es nicht. Ich wehre mich immer gegen den Titel, Säckelmeister der reichsten Gemeinde im Kanton zu sein.

Was ist denn richtig?

Wir sind die Gemeinde mit den wohlhabendsten Steuerzahlenden. Die Gemeinde an sich ist nicht automatisch die reichste. Im Gegenteil, wir sind Gefangene des Systems. Ausserschwyz und insbesondere der Bezirk Höfe haben sich als Standort für Tiefsteuern etabliert. Deshalb hat es so viele Wohlhabende. Aber Gefangene des Systems? Mir kommen die Tränen! Die Wohlhabenden finanzieren zu einem grossen Teil den Kanton Schwyz. Zwei Drittel der Steuereinnahmen stammen aus den Höfen. Wir können mit dem Steuerfuss nicht einfach machen, was wir wollen. Gehen wir mit den Steuern rauf, sinkt die Attraktivität des Kantons. Man hat sich früher für diesen Weg entschieden, und jetzt kommen wir da nicht mehr raus. Auch Freienbach kann doch die Steuern erhöhen? Ja, niemand zwingt uns, das nicht zu tun. Aber Leidtragender wäre der ganze Kanton. Wir fühlen uns auch mitverantwortlich. Ziehen die Reichen sonst weg, wenn Sie die Steuern erhöhen? Als wir von 65 auf 85 Prozent einer Einheit erhöhten, wollte jemand an der Gemeindeversammlung genau wissen, wie viele Leute deswegen wegziehen.

Und?

Das ist eine kurzfristige Optik. Es ist doch klar, dass in so kurzer Zeit niemand wegzieht. Aber es kommt niemand mehr. Eines Tages würden wir allein schon aus biologischen Gründen die Zeche bezahlen. Alte Wohlhabende sterben, junge kommen nicht nach. Wir müssen also ständig dafür schauen, dass wir für Neuzuzüger attraktiv bleiben. Die Steuerunterschiede im Kanton sind riesig. Das hält sogar die Regierung im Bericht «Finanzen 2020» fest. Ja, aber man muss die Gesamtsteuerfüsse betrachten, also nicht nur jene der Gemeinden, sondern zusätzlich auch jene des Bundes, der Bezirke, des Kantons oder der Kultusgemeinden. Dann sind die Unterschiede im Kanton Schwyz gar nicht mehr so gross. Dazu kommt, dass alle im Kanton von den national gesehen sehr tiefen Steuern profitieren. Sie haben also kein schlechtes Gewissen? Nein, das muss ich wirklich nicht haben. Als Gemeinde sind wir ja sehr zurückhaltend und sparsam. Wir haben zum Beispiel auf den Bau der Mehrzweckhalle mit Parkhaus zugunsten von einzelnen Verbesserungen für die Sportvereine und den musischen Unterricht verzichtet, um die Bedürfnisse kostengünstiger abzudecken. Zudem muss man das Ganze differenziert betrachten. Die Lebenshaltungskosten sind bei uns höher. Das gilt doch auch für Schwyz. Hier können die Steuern nicht gesenkt werden, weil das die Zentrumslasten der Gemeinde verunmöglichen. Ist das denn einfach ein Gejammer des Gemeinderates?

Nein, das ist so. Schwyz hat als Hauptort ganz sicher solche Lasten und ist in einer ganz anderen Situation als andere Gemeinden. Im Gegensatz zu uns hat Schwyz aber noch viel Potenzial. Wir haben kein Land mehr, Freienbach und Pfäffikon sind gebaut, immobilisiert. Wenn bei uns jemand sein Unternehmen vergrössern will, geht das nicht. Dann müssen wir sagen: «Sorry, Sie müssen sich anderswo umsehen. »

Schwyz nicht?

Schwyz hat ungeahnte Möglichkeiten und Baureserven. Der Ort, die Landschaft, die Natur sind sehr schön. Mindestens was die Dörfer betrifft, kann das ja – auch wenn ich mir da wenig Freunde mache daheim – niemand von Freienbach behaupten. Auch unser hohes Eigenkapital ist eigentlich ein Nonvaleur. Es ist Land, das der Gemeinderat zum Beispiel zur Optimierung der Verkehrssituation einsetzen wollte. Die Bürgerschaft hat das aber an der Urne abgelehnt. Zurück zum Kanton: Hier gehen nun die Parteienforderungen von einer Änderung der Steuerprogression bis zu einer Steuerfusssenkung um vierzig Prozent. Was denken Sie, was wäre richtig? Es ist nicht an mir, Schwyzer Kantonspolitik zu machen. Aber sie interessiert mich selbstverständlich. Die Finanzlage ist meiner Ansicht nach verzwickt. Aber den Gemeinden nützt eine Übernahme von Kosten durch den Kanton mehr als die Senkung des Steuerfusses. Das zeigt die jetzt gutgeheissene Übernahme der Ergänzungsleistungskosten durch den Kanton. Das gibt den Schwyzer Gemeinden Raum, ihre eigenen Ideen umzusetzen und Projekte zu realisieren.

Die Regierung wehrte sich dagegen.

Es braucht verschiedene Wege. Ich bin auch für eine Anpassung der Steuerprogression, wenn sie die tiefsten Einkommen betrifft. Mit der Mittelstandsdiskussion habe ich schon mehr Mühe. Was heisst das? Ich bin auch Mittelständler. Im Kanton St.Gallen, in dem ich früher lebte, schmerzte mir quasi der Rücken beim Liegen. Da zahlt man sich dumm und dämlich. Im Kanton Schwyz ist das doch ganz anders. Hier ist die Steuerbelastung moderat.

Was heisst das?

Es ist sicher richtig, sich beim Kanton für jene einzusetzen, die es wirklich nötig haben. Auch wenn sich dann bei den tiefsten Einkommen schnell die Frage stellt, ob es staatspolitisch nicht doch sinnvoller wäre, wenn auch sie ihren Obolus abzugeben hätten. Das muss sich auch die SP überlegen, die immer wieder fordert, dass sich alle nach ihren Möglichkeiten am Staat beteiligen sollen. Die SP meint damit jeweils nur die Reichen. Aber Sie sind für eine Anpassung der Progression? Ja, aber wie gesagt nur, wenn nur die unterste Einkommenskategorie profitiert. Eine Anpassung beim Mittelstand kann schnell zu sehr grossen Steuerausfällen führen. Man muss sicherstellen, dass noch genügend Steuersubstrat da ist, um die Ausgaben des Kantons zu finanzieren. Würden da die Begüterten aus den Höfen noch mitmachen – wenn der Steuerfuss so bleibt, wie er ist? Ich könnte mir das vorstellen. Es ist ja nicht so, dass Reiche keine Steuern bezahlen wollen. Sie sehen auch, dass sie ihren Beitrag leisten müssen. Der Finanzausgleich soll reformiert werden.

Das läuft bereits in die richtige Richtung. Der Kanton übernimmt gewisse Aufgaben von den Gemeinden, die so mehr Freiraum für Steuersenkungen und eigene Projekte erhalten. An den Innerschwyzer Gemeindeversammlungen wird Freienbach für den Beitrag an den Finanzausgleich jeweils kräftig von den Gemeinderäten gedankt.

Das wollen wir nicht, das ist uns gar nicht recht. Selbstverständlich zahlen wir gerne unseren Teil an die anderen Gemeinden, die so am «Erfolgsmodell Höfe» partizipieren.

Wie würden Sie im Dezember im Kantonsrat stimmen: für eine Steuersenkung?

Ja, für dreissig Prozent.

Ist das ein Kompromiss?

Ja, das ist ein guter Kompromiss, und er wird sich wohl durchsetzen. Auch wenn es mir für Regierungsrat Kaspar Michel und die Schwyzer Regierung, die eine Senkung um zwanzig Prozent vorschlägt, fast leidtut. Sie gelten doch als so etwas wie der Berater von Finanzdirektor Kaspar Michel?! Nein, im Gegenteil (lacht). Kaspar Michel ist mit uns ganz und gar nicht immer zufrieden!

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