«Ich nehme Töne und Zahlen zugleich als Farben wahr»
Am Samstag tritt Lea Lu im Mauz Music-Club in Einsiedeln auf. Die 36-jährige Zürcherin kommt mit ihrem neuen Album «I Call You» ins Klosterdorf, singt Wüstenmelodien und von der Sehnsucht nach Verbundenheit und Begegnung.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie kommen Sie dazu, ausgerechnet im Mauz in Einsiedeln aufzutreten? Unser Schlagzeuger Claudio Strueby kennt die Location im Klosterdorf und hat sie uns wärmstens empfohlen. Und so konnte ich mich bei einem Besuch in Einsiedeln vor Ort selber davon überzeugen, welch wunderbarer Kulturort das Mauz ist. Und umso mehr freue ich mich über alles, am Samstag in diesem Klub auftreten zu dürfen. Ich finde es grossartig, wenn jemand wie die Betreiber des Mauz so viel Herzblut in einen Ort stecken. Das hat eine Anziehungskraft und spricht sich herum.
Wie haben Sie die vergangenen zwei Jahre erlebt? Den Anfang der Pandemie habe ich als schwierige Zeit in Erinnerung behalten. Aber ich habe auch Schönes erleben dürfen: So haben wir just dank Corona mit der Band viel Zeit gefunden, um miteinander Musik zu machen und ein neues Album aufzunehmen. Die Aufnahmen haben in einem Keller in Zürich begonnen und in einer Alphütte im Jura geendet, in der die ganze Band zusammenkam und wir Tage und Nächte die neuen Songs zusammen spielten. Auf diese Art und Weise hat sich ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Was hat Ihnen gefehlt in dieser Zeit? Naturgemäss haben mir mit der Zeit die Aufritte vor einem Publikum gefehlt. Es gab ein einziges Konzert im letzten Sommer, eine Open-Air-Veranstaltung. Umso erleichterter waren wir, dass wir dann Ende Oktober die Plattentaufe mit einem Publikum erleben durften.
Wie würden Sie selber Ihre eigene Musik beschreiben?
Oh, das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich würde von einer Mischung von Pop, Folk und Jazz sprechen: Das trifft es wohl am besten. In jedem Fall ist unsere Musik nicht traditionell gestaltet. Eher kommen ganz einfach auch neue Klänge zum Ausdruck. Sind Sie die klassische Solistin in Eigenregie, die gerne für sich alleine ist, oder sind Sie vielmehr ein Teamplayer? Ich würde mich als klassischen Teamplayer bezeichnen: Ich bin ja auch mit Band unterwegs und trete nicht als Solistin auf. Beim Schreiben der Songs, dem Komponieren der Musik, dem Textverfassen bin ich alleine. Aber wenn dann mal ein Song entstanden ist, dann teile ich die Musik mit meiner Band. Anders gefragt: Lieben Sie die Einsamkeit? Einsamkeit ist etwas, das manchmal einfach ist und mit der ich mich auseinanderzusetzen habe. Ich suche die Einsamkeit nicht: Sie ergibt sich vielmehr aufgrund der Lebensumstände. So lebte ich einmal in Paris, alleine, und habe mich da schrecklich einsam gefühlt in dieser lauten Stadt. Dieses Gefühl der Einsamkeit habe ich dann in einem Song verarbeiten können.
Wo erleben Sie Verbundenheit und Begegnung? In der Musik, wie nirgends sonst: Wir können uns in unserer Band in einem Song treffen und darin ganz aufgehen. Wir sind in der Musik miteinander verbunden, ganz innig, und teilen diese Verbundenheit schliesslich auch mit dem Publikum, das diese Musik hört und aufnimmt.
Träumen Sie bisweilen von der Wüste? Das mache ich tatsächlich – erst recht, seit ich selber in Indien und in Israel in der Wüste gewesen bin. Vorher habe ich mir die Wüste einfach vorgestellt. Dann wurde der Traum wahr – und ich bin in der Wirklichkeit in der Wüste aufgewacht. Die Wüste ist ein wundersamer Ort: Dort erlebt man in der Tat das Mysterium unseres Daseins, unserer Existenz. Was bedeutet Ihnen Freiheit?
Die Freiheit bedeutet mir sehr viel: Insbesondere schätze ich es überaus, wenn ich in der Lage bin, selber entscheiden zu können, was ich zu tun und zu lassen habe.
Sie sind seit Geburt Synästhetikerin: Wie erleben Sie die Welt?
Ich erlebe die Welt in meiner Wahrnehmung in der Tat sehr farbig. Allerdings fällt mir das nicht wirklich auf, weil ich diese Art von Wahrnehmung schon seit Geburt hatte und nicht weiss, wie es anders sein könnte. Es ist wie wenn ein Mensch von Geburt an farbenblind ist: Für den ist dieser Zustand einfach normal. Können Sie Ihre Wahrnehmung beschreiben? Ich nehme Töne, Laute und Zahlen zugleich als Farben wahr. So gibt es zum Beispiel 26 Buchstaben im Alphabet: Jeder Buchstabe hat für mich auch eine Farbe. Das «i» ist für mich gelb, das «a» pink und so weiter. Die Farben sehe ich allerdings nicht in der Aussenwelt: Es handelt sich hierbei um eine innere Wahrnehmung. Sie findet in meinem Kopf statt. Öffnet Ihnen das Dasein als Synästhetikerin Tore und Türen in die Musik? Als Kind hatte ich einige Mühe mit dem Notenlesen. Weil das Notenlesen aber naturgemäss ziemlich wichtig ist im Geigenunterricht, habe ich dank eines Tricks meine Lehrerin davon überzeugt, dass ich Noten lesen könne, obwohl ich dessen nicht in der Lage war. Ich habe mir mittels Farben gemerkt, wo welche Note steht. Das war so etwas wie eine Eselsleiter. Die Synästhesie beeinflusst meine Wahrnehmung von Musik ungemein: Dank den Farben erhält die Musik wie eine Dimension zusätzlich: Die Musik wird zum optisch- akustischen Erlebnis. Das ist natürlich schön: Es ermöglicht mir ein sehr leidenschaftliches, inniges Musikempfinden. In der Musik gehe ich ganz auf, innig und geborgen.
4. Dezember, 20.30 Uhr, Mauz Music- Club, Einsiedeln: Lea Lu. Vorverkauf: www.showticket.ch.
Lea Lu freut sich, am Samstag im Mauz in Einsiedeln auftreten zu dürfen: «Ich finde es grossartig, wenn jemand wie die Betreiber des Mauz so viel Herzblut in einen Ort stecken.» Foto: Claudio Strueby