Hier ist es in Einsiedeln laut
Neueste Strassenlärm-Analyse der Zürcher Kantonalbank zeigt auch auf, wo man im Klosterdorf nicht gerade ruhig wohnt
In grossen Städten mit viel Verkehr beklagen sich viele Bewohner über Strassenlärm. Aber nicht nur in den Citys ist es laut zu wohnen – auch in Einsiedeln. Dies zeigt eine neue Studie der Zürcher Kantonalbank.
WOLFGANG HOLZ
«Ich wohne hier an der Zürichstrasse », sagt Evelyn Hofmann. Das Haus, in dem sie mit ihrer Familie lebt, liegt gerade hinter dem Alp-Kreisel und vis-à-vis vom Volg-Laden. «Wir sind also mittendrin im Lärm», sagt die Einsiedlerin und lacht. Sie finde den Lärm nicht unakzeptabel – zumal in dem Haus schon lange gute Schallschutzfenster installiert worden seien.
«Man versteht das eigene Wort nicht mehr»
Andererseits kann sie sich noch gut an die schöne, ruhige Zeit im Sommer erinnern – als wegen der monatelangen Bauarbeiten am Alp-Kreisel dieser Teil der Zürichstrasse für den Durchgangsverkehr gesperrt war. «Das war schon sehr angenehm», blickt sie zurück. Gleichzeitig habe man vermisst, «wenn gar nichts geht», so Hofmann. Nachts sei es im Allgemeinen ruhig. «Aber wenn in den Mittags- und Abendstunden die Pendler verkehren, ist es manchmal schon so laut, dass man bei geöffnetem Fenster sein eigenes Wort nicht mehr versteht.» In der Tat. Auch in Einsiedeln kann es laut sein für Wohnende. Selbst wenn es natürlich am lautesten in Grossstädten in der Schweiz zugeht, wie eine jüngste Immobilien-Analyse der Zürcher Kantonalbank (ZKB) ermittelt hat. Dabei hat die ZKB herausgefunden, dass in der Schweiz nicht Zürich unter den Citys der Lärm-Hotspot Nummer Eins ist. Das sind die lautesten Städte
Nein, in den Westschweizer Städten steigen die Lärmpegel am höchsten. Lärmspitzenreiter ist Genf, wo laut der Immobilien- Studie jede dritte Wohnung mit einem Dezibel von 60 und mehr durch den Verkehr beschallt wird – das entspricht etwa einem Lärm eines Rasenmähers, wahrgenommen aus zehn Metern Entfernung. Nach Genf rangiert Lugano auf Platz zwei und Lausanne auf Platz drei. Zürich kommt erst auf dem sechstlautesten Platz. Die «ruhigste » Grossstadt der Schweiz ist Bern auf Platz 11.
Alle Mietwohnungen untersucht
Doch zurück nach Einsiedeln. Auch in kleineren Populationen entsteht an Strassen mit viel Verkehr viel Lärm. «Konkret zeigen wir anhand von aktuellen Strassenlärmdaten des Bundesamts für Umwelt (BAFU) – die neuerdings in der Horizontalen und Vertikalen (3D) modelliert werden –, wo Strassenlärm bei Wohnimmobilien in der ganzen Schweiz besonders ausgeprägt ist», erklärt Johanna Stauffer von der Medienabteilung der ZKB. Sprich: Das Bankinstitut hat für alle Schweizer Mietwohnungen analysiert, wie exponiert sie gegenüber Strassenlärm sind. Aufgrund dieser Recherchegrundlage kann die ZKB auch für Einsiedeln sagen, welches hier die lautesten Strassen sind (siehe Tabelle).
Die Ergebnisse überraschen nicht. Allerdings erstaunt es schon, dass gerade der Weg über den Etzel in Egg mit 67 Dezibel den höchsten Dezibelwert (67) aufweist. Weniger erstaunt dagegen, dass die Schwyzerbruggstrasse in Bennau mit 64 Dezibel, und vor allem die Zürichstrasse mit 62 Dezibel zu den lautesten Strassen gehören.
Hotspots Zürichund Langrütistrasse
Insbesondere an der Zürichstrasse, auf der morgens und abends ein grosser Teil der Pendler verkehrt, sorgt in sage und schreibe 77 Wohnungen für Dezibelwerte über 60. Auch in der Langrütistrasse, wer hätte es anders erwartet, sind 42 Wohnungen von einem Lärmpegel von 61 Dezibel betroffen. Ruhig wohnen sieht definitiv anders aus.
Wobei die ZKB die Lärmwerte nicht nur aus humanitären und gesundheitlichen Aspekten untersucht hat. Es geht bei einer Bank natürlich immer ums Geld. Laut der Zürcher Kantonalbank entstehen pro Jahr in der ganzen Schweiz aufgrund von Lärm Mietausfälle von 320 Millionen Franken pro Jahr. Will heruntergerechnet heissen: ein Prozent Mietpreisreduktion pro 5 Dezibel.
Und was sagt der Bezirk Einsiedeln zu den von der ZKB ermittelten Lärmwerten für Wohnungen in Einsiedeln? «Die Werte sind nicht nachvollziehbar und stimmen mit den Werten des Bezirks, wo vorhanden, nicht überein», sagt Landschreiber Patrick Schönbächler. Die präsentierten Werte seien auch nicht plausibel. «Je mehr Verkehr und je höher die Geschwindigkeit ist, desto höher ist in der Regel auch die Lärmbelastung. Gemäss der präsentierten Tabelle sollen die Werte Etzel und Waldweg jedoch hoch sein, obwohl hier das Verkehrsaufkommen sehr klein ist und gerade auch beim Etzel die Geschwindigkeit infolge der Kurven sehr tief ist. Die Tabellenwerte machen aus Sicht des Bezirks keinen Sinn.»
Das sind die Grenzwerte
Das korrekte Vorgehen, um seriöse und richtige Werte zu erhalten, ist laut Schönbächler, zuerst Geschwindigkeits- und Verkehrsmessungen vorzunehmen, dann ein Verkehrsgutachten zu erstellen und dann ein Lärmschutzprojekt auszuarbeiten. «Dabei werden die gemessenen Verkehrszahlen aufgerechnet und momentan auf einen Zeithorizont 2040 berechnet», so der Landschreiber.
Fakt ist, dass der behördliche Immissionsgrenzwert für Lärm fürs Wohnen bei 60 Dezibel am Tag und bei 50 Dezibel in der Nacht liegt. Der sogenannte Alarmwert liegt bei 70 Dezibel am Tag und bei 65 Dezibel in der Nacht. Schönbächler: «Ab diesem Wert werden Lärmschutzfenster eingebaut. » Die Zürichstrasse sei eine Kantonsstrasse und seitens Kanton lärmtechnisch saniert. Die Eisenbahnstrasse habe man vonseiten des Bezirks ebenfalls lärmtechnisch saniert.
«Nur fünf Wohnungen» «Die Werte an der Eisenbahnstrasse zum Beispiel sind zu tief, um Lärmschutzfenster einzubauen, die vom Staat zu finanzieren wären», versichert der Landschreiber. Die Lärm-Werte in der Langrütistrasse gemäss der ZKB-Tabelle seien mit den Werten des Lärmsanierungsprojekts (LSP) des Bezirks verglichen worden. «Dieses basiert auf gemessenen Verkehrszahlen. Demgemäss sind fünf Wohnungen und 4 Häuser vom Lärm betroffen und nicht 42.»
Strassenlärm-Hotspot: In der Zürichstrasse müssen viele Anwohner täglich hohe Dezibelwerte ertragen – dabei könnten so manche Autofahrer auch auf die Wasenmattstrasse ausweichen.
Auch eine Lärmachse für einige Anwohner im Klosterdorf: die Langrütistrasse. Fotos: Wolfgang Holz «Die Werte sind nicht nachvollziehbar und stimmen mit den Werten des Bezirks, wo vorhanden, nicht überein.»
Patrick Schönbächler, Landschreiber, Bezirk Einsiedeln