Prävention ist das beste Mittel zum Schutz vor Online-Kriminalität
Die Kriminalität im Internet, das sogenannte Cybercrime, wächst von Jahr zu Jahr. Zahlreiche Firmen und Privatpersonen werden zu Opfer international tätiger Verbrecher, welche so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen werden können.
LUKAS SCHUMACHER
Letzten Donnerstag lud die Kantonspolizei Schwyz nach Einsiedeln zu einem öffentlichen Informationsabend. Rund 80 Besucher liessen sich über das topaktuelle Thema Cybercrime informieren.
Dass das Internet nicht nur Vorteile hat, wurde an der Veranstaltung im Kultur- und Kongresszentrum Zwei Raben in Einsiedeln eindrücklich durch Polizeikommandant Damian Meier, Feldweibel Valentin Bonderer, Leiter Fachbereich Cybercrime, sowie dem Chef des Dienstes Wirtschaftsdelikte und Cybercrime Adjutant Mathias Ammann aufgezeigt.
Im Kanton Schwyz stieg 2020 die Anzahl der Cyberfälle um 100 auf 520. Die Verlagerung der Delinquenz von der physischen Tatbegehung ins Netz ist klar erkennbar, stellt Damian Meier fest. Obwohl dies nichts Neues sei, ist auch er vom horrenden Tempo dieser Entwicklung überrascht.
Schweizweit wurden dieses Jahr von Januar bis August über 20’000 Vorfälle im Bereich der digitalen Kriminalität gemeldet, wobei die Dunkelziffer sehr hoch eingeschätzt wird. Die Kantonspolizei hat diesen Trend erkannt und für Cybercrime eine eigene Dienststelle eingeführt, welche ab dem 1. Januar 2022 tätig wird. Dafür wurden zwei zusätzliche Stellen bewilligt.
Der künftige Leiter dieser Dienststelle, Feldweibel Valentin Bonderer, erklärte, worum es bei Cybercrime im Allgemeinen geht. Es geht dabei um Straftaten, welche mit Hilfe der Internettechnologie verübt werden.
2019 wurden im Kanton Schwyz in 236 Fällen 8,9 Millionen Franken erbeutet. Die Deliktsumme im Jahr 2020 ist mit 5,1 Millionen Franken zwar kleiner, die Anzahl ist jedoch auf 314 gestiegen. Dieses Jahr wurden bis jetzt bereits über 10 Millionen Franken Schaden angerichtet. Doch wie kommen Kriminelle überhaupt an so viel Geld?
• Der Kantonspolizei Schwyz sind mehrere Techniken bekannt, welche immer wieder zum Einsatz kommen.
• Beim Online-Anlagebetrug locken Cyberkriminelle ihre Opfer mit erfundenen Anlage- Plattformen zu schnellem Reichtum. Das Opfer überweist eine bestimmte Summe auf ein Konto und sieht online, dass sich das Geld vermehrt und wird so verlockt, noch mehr zu investieren. Um das Geld dann ausbezahlt zu bekommen, muss das Opfer noch mehr Geld überweisen, sodass immer mehr verloren geht, bis der Betrug bemerkt wird.
• Fast jeden zweiten Tag wird im Kanton Schwyz Anzeige wegen eines Onlineverkaufs erhoben. Dabei werden online Waren angeboten, welche im Voraus bezahlt aber nie geliefert werden. Grössere Beträge sollten bei Online-Kleinanzeigen nie im Voraus gezahlt werden. Bestimmte Online-Plattformen haben in solchen Fällen einen Käuferschutz.
• Beim Vorschussbetrug wird dem Opfer vorgelogen, man habe einen hohen Betrag gewonnen oder geerbt. Um das Geld zu erhalten, muss man jedoch eine Vorauszahlung leisten. Mit dieser Technik wurden dieses Jahr in acht Fällen 3,8 Millionen Franken erbeutet.
• 2020 gab es im Kanton Schwyz 13 Fälle eines Romance Scams, bei denen knapp 30’0000 Franken von den Tätern kassiert wurden. Hierbei werden die Opfer von Tätern mit gefälschten Profilen auf Online-Plattformen angeschrieben. Die Täter bauen eine Online-Liebesbeziehung auf und fordern immer wieder Geld.
• Um Erpressung geht es bei Sextortion. Hierbei werden die Opfer damit erpresst, dass Nacktaufnahmen von ihnen (aufgenommen über die Webcam oder interne Kamera bei sexuellen Handlungen) an Freunde und Bekannte verschickt werden. Bereits 18 solcher Fälle wurden dieses Jahr gemeldet, wobei aus Scham vermutlich sehr viele Meldungen nicht gemacht werden. Ein einfacher Schutz ist die Abdeckung der Kamera.
• Persönliche Zugangsdaten werden beim Phishing «geangelt ». Bei dieser Betrugsart werden vertrauliche Daten ausspioniert. Mit den geklauten Zugangsdaten werden Konten geplündert. Die Täter kommen meistens via E-Mail-Nachrichten an die Daten heran. Dies kann zum Beispiel eine Nachricht von DPD sein, wo man vor Kurzem ein Paket aufgegeben hat und jetzt einen kleinen Betrag nachzahlen muss. Beim Zahlungsprozess gibt man den Tätern seine persönlichen Daten bekannt.
• Immer wieder werden im Kanton Schwyz Personen von einem vorgetäuschten technischen Support betrogen. Die Betrüger geben vor, von Microsoft zu sein und gelangen per Fernzugriff auf den Computer, wo sie im Online-Banking des Opfers Geld an sich überweisen. Dieses Jahr wurden auf diese Weise bereits knapp 20’000 Franken erbeutet.
• Eine gewaltige Summe von 1,4 Millionen Franken verteilt auf sieben gemeldete Fälle wurde allein dieses Jahr mit Ransomware erbeutet. Das sind Verschlüsselungstrojaner, die alle Daten eines Computersystems verschlüsseln. Wer kein Backup hat, kommt nicht mehr an seine Dateien heran. Die Betrüger erpressen so Firmen und Privatpersonen. Wer zahlt, erhält wieder vollen Zugriff auf seine Dateien. Für viele Firmen ist das Bezahlen der geforderten Summe die wirtschaftlich beste Möglichkeit. Doch mit jeder bezahlten Summe werden die Täter stärker und stärker. Unbewusst zum Geldwäscher werden Um das erbeutete Geld zu waschen und die Zurückverfolgung zu erschweren, benutzen die Betrüger sogenannte «Money Mules », zu Deutsch Geldesel. Dazu werden zum Beispiel online Jobs ausgeschrieben. Der «Angestellte » erstellt in der Schweiz ein Bankkonto auf seinen Namen. Dorthin wird Geld von anderen Opfern überwiesen, das der «Money Mule» abhebt und per Post ins Ausland verschickt.
Der Polizei sind die Hände gebunden Da Cyberkriminalität weltweit und meist anonym stattfindet, kann kaum jemals ein Täter festgenommen werden. Internationale und komplexe Verfahren, unterschiedliche Gesetzgebungen, Verschleierung der Daten und Geldflüsse sowie die Kreativität und Professionalität der Täter stellen die Kapo Schwyz vor eine grosse Herausforderung. Die beste «Waffe» der Polizei ist die Präventionsarbeit. Wer gut informiert ist sowie immer mit aktueller Software arbeitet, ist besser vor Gefahren aus dem Netz geschützt. Ganz sicher ist man jedoch nie. Jeder kann zum Opfer werden.
Exkurs Chat Lounge
Einen kurzen, aber erschreckenden Exkurs machten die Polizisten in einen Online-Chatroom. Hier meldeten sie sich vor der Veranstaltung als «Ladina_ 15» an. Nach 37 Minuten wurde «Ladina» von einem 41-jährigen Mann angeschrieben, welcher den Altersunterschied interessant fände und ein paar Fragen an Ladina hätte. Auch in diesem Fall ist Prävention wichtig, um Situationen wie diese zu verhindern. Kinder und Jugendliche müssen über die Gefahren im Internet Bescheid wissen.
Rund 80 Interessierte, mehrheitlich ältere, aber auch junge Personen, kamen zum Informationsanlass der Kapo in Einsiedeln.
Wer nach dem Anlass noch weitere Fragen hatte, der konnte sich beim Apéro von den Polizisten informieren lassen. Fotos: Lukas Schumacher