Veröffentlicht am

Selbst die konservativen Schwyzer sagen Ja zur «Ehe für alle»

Selbst die konservativen Schwyzer  sagen Ja zur «Ehe für alle» Selbst die konservativen Schwyzer  sagen Ja zur «Ehe für alle»

Fast zwei Drittel der Stimmbürger votierten für die «Ehe für alle». Das Resultat steht damit für einen Wertewandel: Eine Abstimmung wird zum Triumph für die homosexuelle Liebe. Doch die nächsten gesellschaftspolitischen Debatten zeichnen sich bereits ab.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Kaum waren die Abstimmungslokale am Sonntag geschlossen, war der Fall auch schon klar: Die Vorlage über die «Ehe für alle» wird in der Schweiz nicht nur angenommen – der Urnengang gerät für die Befürworter zum regelrechten Triumph.

64,1 Prozent sprechen sich für die Vorlage aus. Ausnahmslos alle Kantone stimmen zu. Damit wird nachträglich ganz beiläufig eine Schwäche der Vorlage ausgeglichen: Nun ist klar, dass die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe auch dann keine Chance gehabt hätten, wenn diese Frage auf Verfassungsstufe geklärt worden und somit das Ständemehr notwendig gewesen wäre.

Leihmutterschaft im Visier

Sandra Auf der Maur, Vorstandsmitglied bei Mythengay Schwyz, zeigt sich begeistert über das Resultat: «Ich freue mich sehr über das deutliche Ja und bin erleichtert, dass es so herausgekommen ist. Unsere Kampagne, unsere Werbung, unsere Plakate sind bei den Stimmbürgern angekommen und haben ihren Teil dazu beigetragen, dass die Vorlage angenommen wurde.» Das deutliche Resultat sei Ausdruck davon, dass sich die Gesellschaft in der Schweiz gewandelt habe, meint Auf der Maur: «Noch vor Jahren wäre ein solches Ergebnis undenkbar gewesen. Es ist auch ein Riesenzeichen für die Gegner der Ehe für alle: Und sie bewegt sich doch, die Schweiz. Für die Entwicklung unseres Landes ist dieser Ausgang der Abstimmung besonders wichtig.» Trotz der nun eingetretenen Möglichkeit zu heiraten, hat Sandra Auf der Maur vorläufig nicht vor, diesen Schritt ins Auge zu fassen. Auch Kinder zu haben sei keine Option für sie.

«Schwule werden beim Blutspenden diskriminiert» Welche weiteren Ziele nimmt Mythengay Schwyz demnächst in Angriff? «Es kann sein, dass ein Einsatz für die Einführung der Leihmutterschaft ein Thema werden könnte», sagt Auf der Maur. Allerdings sei dieses Thema nicht spezifisch auf ein alleinig homosexuelles Publikum ausgerichtet, weil ja auch heterosexuelle Paare von einer Leihmutterschaft profitieren könnten.

Nach wie vor gebe es Bereiche in der Gesellschaft, in denen Homosexuelle diskriminiert würden: «Ich finde es stossend, wie Schwule beim Blutspenden behandelt werden und sie sind von Grund auf dem Verdacht aussetzt, dass sie HIV-positiv seien », führt Auf der Maur aus. So müssten Schwule vor dem Blutspenden belegen, dass sie seit vielen Jahren denselben Partner hätten.

Was hält Sandra Auf der Maur davon, dass der Papst die Segnung von homosexuellen Paaren verbietet? «Das überrascht mich nicht wirklich. Ich habe nichts anderes erwartet von der katholischen Kirche.» Franziskus möge ein durchaus offener Mensch sein. Allerdings habe ihn wohl der Mut verlassen aus Angst vor negativen Reaktionen in der Öffentlichkeit, wenn er die Segnung von homosexuellen Paaren zugelassen hätte.

Der Einsiedler Mitte-Nationalrat Alois Gmür hat derweil mit einer Annahme der Vorlage «Ehe für alle» gerechnet: «Schade, dass das Schweizer Volk diesen Bestrebungen keine Grenze setzen wollte. Ich habe gehofft, dass ein Kind auf Bestellung nicht Realität werden würde.» «Kinder wachsen nun vermehrt ohne einen Vater auf» Gmür befürchtet nun, dass es so weitergehen könnte mit der Salamitaktik: Dass nach der Samenspende die Eizellenspende komme und schliesslich auch noch die Leihmutterschaft, bei der es um gleiche Rechte von Frau und Mann gehe, eingeführt werden könnte. Noch offen sei, wie sich die Mitte-Partei zu diesen Fragen stellen werde.

«Die Samenspende hat zu einem Sturm im Wasserglas geführt », erklärt Gmür: Schliesslich sei es bei dieser Vorlage nur noch um diese Samenspende gegangen. Dabei seien Theorie und Praxis auseinandergeklafft: Es sei doch klar, dass Frauen keine allzu grossen Probleme hätten, sich eine Samenspende zu organisieren.

Alois Gmür nimmt an, dass sich die Gesellschaft in der Schweiz gewandelt hat: «Sie ist offener geworden. Und damit haben sich auch die Werte verändert. » Die Frage etwa, wer der Vater eines Kindes sei, spiele keine Rolle mehr. Gmür befürchtet denn, dass vermehrt Kinder ohne einen Vater aufwachsen würden. Dass der Papst die Segnung von homosexuellen Paaren verbietet – davon hält der Nationalrat allerdings wenig: «Es gibt keinen Grund, dass man homosexuelle Menschen von Gottes Segen ausschliessen sollte.»

Sandra Auf der Maur, Mythengay Schwyz: «Noch vor Jahren wäre ein solches Resultat undenkbar gewesen.» Fotos: Magnus Leibundgut

Alois Gmür, Mitte-Nationalrat aus Einsiedeln: «Ich habe gehofft, dass ein Kind auf Bestellung nicht Realität werden würde.»

Share
LATEST NEWS