Brückenbauer gesucht
KOMMENTAR
Seit vorgestern gibt es in der Schweiz einen neuen Graben: Den Stadt-Land-Graben. Den gab es zwar schon vor dem 13. Juni. Doch erst am Sonntag wurde er derart stark bearbeitet, dass er nun tiefer ist als der Röstigraben.
Betrachtet man insbesondere auf nationaler Ebene die Abstimmungsresultate, fällt auf, dass mittlerweile fast jede Vorlage zu irgendeinem neuen Graben führt. Oder einen bestehenden vertieft. Graben können wir.Wenn das Land aber mehr und mehr zerfurcht ist, braucht es Brücken. Ansonsten erreicht die eine die andere Seite nicht mehr. In diesem Zustand befindet sich die Schweiz. Nicht erst seit dem 13. Juni. Aber seit vorgestern mit verlässlicher Sicherheit.
Es braucht Brückenbauer. Diese sind dann zwingend, wenn die Weichen gestellt werden, was spätestens bei der Ausarbeitung einer Vorlage geschieht, sei dies nun eine Initiative oder ein Gesetz. Denn damit positioniert man sich für die eine Seite – und automatisch gegen eine andere. Wer aber durch einen Graben getrennt ist, kennt die Bedürfnisse der anderen nicht. Die Vorlagen werden einseitiger, radikaler. Ohne Austausch keine Ausgewogenheit. Und damit schwindet die Chance auf ein Ja an der Urne, die Chance auf eine Veränderung, Verbesserung.
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VICTOR KÄLIN