«Ich hoffe, dass im Jahr 2024 unser Pfarreiheim steht»
Seit hundert Tagen ist Albert Schönbächler als Präsident der katholischen Kirchgemeinde Einsiedeln in Amt und Würden. Der 58-jährige Vermittler steht Red und Antwort zu den Herausforderungen, die seine Gemeinde erwartet. Der Präsident erachtet den Bau eines Pfarreiheims als einmalige Chance für die Kirchgemeinde.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie haben Sie Ihre ersten hundert Amtstage als Präsident erlebt?
Ich habe mein neues Amt in der Corona-Isolation begonnen (lacht): Am 31. Dezember wurde ich positiv getestet. Dementsprechend habe ich meine ersten zehn Amtstage zu Hause verbracht. Zum Glück waren meine Symptome nicht allzu schwer: Ich hatte etwas Husten und den Geschmackssinn vorübergehend verloren. Sonst ging es mir aber gut. Wie sind Sie zu diesem Amt gekommen – wie die Jungfrau zum Kind? Ich bin als Quereinsteiger in diesem Amt gelandet: Pater Basil, Pfarrer der Pfarrei Einsiedeln, hat mich ziemlich überrascht mit der Frage, ob ich gerne als Nachfolger des Kirchenratspräsidenten Hans Iten kandidieren möchte. Ich fand, es sei an der Zeit, mit meinem Einsatz für die Kirchgemeinde etwas zurückzugeben und danke zu sagen: Ich hatte bisher das Glück, in schwierigen Situationen immer ein Umfeld um mich zu haben, das mich unterstützt und getragen hat. Ich möchte mich für das Vertrauen der Katholiken bedanken und verspreche, mich bestmöglich für diese Aufgabe einzusetzen. Was bedeutet für Sie das Kirchenwesen und die Religion? Ich bin sehr katholisch erzogen worden und noch heute froh darum: Die Religion gibt mir einen grossen Halt. Für Kinder bedeutet ein Aufwachsen in einem christlichen Geist eine grosse Chance. Dank der Religion erhalten sie bereits früh in ihrem Leben einen Boden, ein Fundament, das sie trägt. So war ich denn Ministrant und habe einige Verwandte, die in den Klosterdienst eingetreten sind. Religiös zu sein bedeutet nicht, einfach jeden Sonntag in die Kirche zu gehen, um dort einen Gottesdienst zu besuchen. Mir liegen die christlichen Werte am Herzen. Entscheidend ist, dass die Kirche auch eine tragende soziale Rolle einnimmt und ausführt. Just in Kirchenkreisen wird hart gefochten, werden Kämpfe ausgetragen, Konflikte ausgeübt. Ertragen Sie Kontroversen und Disharmonien? Ich arbeite als Vermittler in der Schlichtungsstelle Einsiedeln und habe eine Ausbildung als Mediator abgeschlossen. Von daher sehe ich mich in der Lage, verschiedene Parteien an einen Tisch zu bringen und einen Kompromiss anzustreben. Die jährlich zirka 250 Verfahren geben mir die Chance, mich in diesen Punkten auch immer weiterentwickeln zu können. Als Vermittler und als Präsident des Trägervereins Diakonie Ausserschwyz werde ich regelmässig mit der versteckten Armut in unserem Land konfrontiert. So betrachtet bringe ich einen grossen Rucksack mit in dieses Amt – gefüllt mit allerhand Erfahrungen und Erkenntnissen, wie mit Kontroversen und Disharmonien umgegangen werden kann. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie lieber schlichten als zu polarisieren? Es wäre nicht ideal, ein Urteil zu fällen, ohne die Rahmenbedingungen zu kennen. In der Tat sehe ich es als mein Ziel zu schlichten – was nur funktionieren kann, wenn man die verschiedenen Wahrnehmungen anerkennt und akzeptiert, dass der andere anders wahrnehmen kann. Wesentlich dünkt mich, dass man dem anderen mit Empathie und Mitgefühl begegnet. Auf der anderen Seite wäre es wohl nicht ideal, ein Präsidium in polarisierender Art und Weise auszuüben. Als Präsident einer Kirchgemeinde sind Sie naturgemäss mit Führungsaufgaben betraut: Wie führen Sie?
Führungserfahrung konnte ich in meinen vielfältigen Aufgaben in der Industrie sammeln. Ich strebe einen kooperativen Führungsstil an und bin in der Lage, delegieren zu können. Es ist mir ein Anliegen, dass wir miteinander eine tragbare Lösung finden. Wichtig ist ja, dass der Kirchenrat ein Kollektiv ist, der aus 13 Räten besteht, die sich alle einbringen können. Ich wünsche mir, dass es mir gelingen wird, das Präsidium so intensiv und kompetent führen zu können, wie das mein Vorgänger Hans Iten getan hat. Ein Kirchenratspräsidium ist nicht zuletzt auch ein politisches Amt. Wie ist der Kirchenstreit rund um das Bistum Chur bei Ihnen angekommen?
Ich habe nie verstanden, wie das Bistum Chur eine dermassen konservative Haltung vertreten konnte, die schliesslich überhaupt nicht aufgegangen ist. Wieso waren diese Männer nicht in der Lage, ihre persönlichen Befindlichkeiten hintanzustellen und statt ihrer ideologischen Standpunkte den Menschen ins Zentrum ihres Wirkens zu rücken? Das ist schliesslich die Aufgabe der Kirche – und der neue weltoffene Bischof Joseph Bonnemain will dies auch tun: Den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Ich selber bin parteilos und kann jeder Partei etwas Gutes abgewinnen. Wie ist die Neuausrichtung der Pfarrei Einsiedeln angelaufen? Das Coronavirus hat uns einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Die Gottesdienstordnung musste teilweise angepasst werden, und die inhaltliche Neuausrichtung wurde verzögert. Auch wenn einige Leute mit der Neuausrichtung Mühe bekunden, haben wir aus personellen Gründen gar keine andere Wahl, als die Angebote der Pfarrei einzuschränken. Wir haben im Kirchenrat die Hoffnung, dass die Katholiken durch die Neuausrichtung und das geplante Pfarreiheim sich wieder besser vernetzen und die Gottesdienste mit einem anschliessenden «Chiläkafi» einen positiven Austausch untereinander ermöglichen. Ich bin überzeugt, dass die Neuausrichtung zu einer Belebung der Pfarrei führen wird und sich ein Aufbruch bemerkbar macht. Welche Ziele möchten Sie als Präsident in Angriff nehmen? Ich hoffe, dass im Jahr 2024 unser Pfarreiheim steht. Seit fünfzig Jahren wird um ein Pfarreiheim gerungen – und jetzt haben wir die einmalige Chance, eigene Räume direkt neben der Jugendkirche zu realisieren. Aus meiner Sicht ist die geplante Überbauung Einsiedlerhof für Bezirk und Pfarrei eine einmalige Chance, kostenbewusst einen notwendigen Meilenstein für die Zukunft zu realisieren. Als nächster Schritt ist geplant, dass die Projektüberarbeitung bis spätestens Mitte Mai abgeschlossen ist. Bis zu den Sommerferien sind dann noch viele Detailarbeiten vorzubereiten und zu erledigen. Im November geht dann die Urnenabstimmung über die Bühne. Ich bin zuversichtlich, dass die Katholiken Ja sagen werden zum Pfarreiheim. Bezirk und Pfarrei sind sich aber bewusst, dass noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten ist, bis die Stimmbürger Ja sagen zum Bau dieses Grossprojektes. Aber es gilt: Das eine ist nicht ohne das andere zu haben. Die Kirche leidet unter einem zunehmenden Mangel an Freiwilligen. Wie kann die Freiwilligenarbeit wieder in den Fokus gerückt werden? Ich habe die Hoffnung, dass das gegenwärtige Darben der Freiwilligenarbeit nur eine Zeiterscheinung ist: Vor allem junge Leute wollen sich nicht mehr binden und frei sein von Verpflichtungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Schrumpfen der Freiwilligenarbeit in einem Zusammenhang mit dem Wohlstand steht. Wenn die wirtschaftliche Lage wieder schwieriger wird, kann es sein, dass die Freiwilligenarbeit wieder etwas aufblüht. Just diese Corona-Pandemie hat aufgezeigt, wie wichtig es ist, dass sich die Menschen füreinander Zeit nehmen. Welchen Stellenwert messen Sie der Digitalisierung innerhalb der Kirchgemeinde zu? Das Ausweichen auf digitale Medien hat sich in dieser Corona- Pandemie, in der während des Lockdowns sämtliche Gottesdienste ausgefallen sind, als ein probates Mittel erwiesen. Mir persönlich sind allerdings analoge zwischenmenschliche Kontakte um einiges sympathischer. Als wichtig erachte ich, dass am 27. Juni die Schwyzer Katholiken Ja sagen zum Stimmrecht für Katholiken ohne Schweizerpass: Denn vor dem Herrgott sind alle gleich, er kennt keine Unterschiede und Landesgrenzen. Es müssen alle bekennenden Katholiken die Möglichkeit erhalten, aktiv in den Kirchgemeinden und an der katolischen Kantonalkirche mitzubauen.
Albert Schönbächler sieht erwartungsvoll dem Herbst entgegen: Im November stimmen der Bezirk Einsiedeln und die katholische Kirchgemeinde über das Projekt Einsiedlerhof ab. Foto: Magnus Leibundgut