«Ansteckungen sind nach Möglichkeit zu vermeiden»
Johannes Eichrodt steht Red und Antwort zu den Covid19-Schutzmassnahmen am Gymnasium: «Maskenpflicht und Abstandsregelung sind aus pädagogischer Sicht nicht problematisch», sagt der Rektor der Stiftsschule Einsiedeln. Es gelte, den Gemeinsinn über den Individualismus zu stellen.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Besteht ab Mittwoch eine Maskenpflicht und eine Abstandsregelung im Unterricht an der Stiftsschule Einsiedeln? In der Tat gilt gemäss Schutzkonzept auf dem ganzen Campusareal der Stiftsschule eine Maskentragepflicht für alle Personen inner- und ausserhalb der Gebäude. Sie gilt etwa auch während des Eröffnungsgottesdienstes in der Klosterkirche. Die allgemeinen Hygienemassnahmen des BAG und die Abstandsregeln werden eingehalten. Auf das Maskentragen wird nur im allgemeinen Unterrichtsbetrieb und in der Mensa beim Essen verzichtet. Gelten diese Regeln auch für die jüngeren Jahrgänge? Theoretisch würden eine Maskenpflicht und ein Mindestabstand für die Schüler des Untergymnasiums nicht gelten. Aber es wäre zu kompliziert, wenn wir da noch unterscheiden würden. Deswegen gelten für alle dieselben Regeln. Wesentlich ist überdies, dass es eine klare Sitzordnung gibt: So wissen wir immerzu, wer an welchem Platz sitzt. Das ist hilfreich bei einer Nachverfolgung eines Falles, falls eine Coronavirus-Ansteckung auftreten würde. Sind Maskenpflicht und Abstandsregelung aus pädagogischer Sicht problematisch, weil sie nicht zum Wesen des Menschen passen?
Je nach Auffassung kann man da verschiedener Meinung sein. Tatsächlich ist wegen eines Mund-Nasen-Schutzes ein Gesichtsausdruck, eine Mimik kaum zu erkennen, was im zwischenmenschlichen Bereich zu Problemen führen kann. Aber weil ja im Unterricht selber die Masken fallen, bin ich der Meinung, dass Maskenpflicht und Abstandsregelung aus pädagogischer Sicht nicht problematisch sind. Es ist ja auch eine absolute Notsituation, die hoffentlich nicht für immer und ewig anhalten wird.
Ist es legitim, eine virologische Sichtweise über alles andere zu stellen? Zur Gesundheit gehören ja auch das Wohlbefinden der Seele und das Soziale. Es ist legitim, weil es notwendig ist. Zum Glück bleiben das Seelische und Soziale trotz dieser Umstände nicht ganz auf der Strecke und können doch auch gepflegt werden. Naturgemäss sind die aktuellen Massnahmen und Umstände alles andere als optimal. Aber der Lockdown und das Verbot des Präsenzunterrichts waren doch zehn Mal schlimmer als die jetzigen Umstände. Im Frühling ist der direkte zwischenmenschliche Kontakt vollends ausgefallen. Da haben Schüler und Lehrer bei Weitem mehr gelitten.
Es gibt Elterngruppen, die haben Angst vor Schäden für ihre Kinder und finden, die Maskenpflicht sei ein Angriff auf die Menschenwürde. Ich kann diese Sichtweise nachvollziehen, weil eine Maskenpflicht einschränkt und einen Eingriff in die persönliche Freiheit bedeutet. Aber in der jetzigen Situation müssen die Gesellschaft und deren Schutz in den Fokus gerückt werden: Es gilt, den Gemeinsinn über den Individualismus zu stellen. Auf der anderen Seite wird moniert, das Lehrerzimmer werde zum Sicherheitsrisiko: Das grösste Risiko, sich anzustecken, bestehe im Lehrerzimmer.
Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Erstens wird es da schnell einmal eng und zweitens kann man schwerlich eine Maske aufsetzen, wenn man Kaffee trinkt. Wir versuchen das Problem dahingehend zu lösen, dass wir die Zahl der Personen im Lehrerzimmer und die Fluktuaktion beschränken, um so einen «Dichtestress» zu vermeiden.
Haben Sie alle Lehrerstellen auf das neue Schuljahr hin besetzen können?
Ja, das ist uns gelungen. Das Problem eines Lehrermangels stellt sich eher in der Volksschule: Dort gibt es eine grosse Zahl von Lehrkräften, die aktuell pensioniert werden und die nur mit Mühe und Not ersetzt werden können. Wir sind zudem in der glücklichen Lage, dass sich in der Lehrerschaft der Stiftsschule Einsiedeln keine Risikopersonen befinden, die nun wegen der besonderen Lage nicht zum Einsatz kommen könnten.
Haben Sie bereits Kenntnis von Schülern, die sich nach einer Reise in den Ferien in der Quarantäne befinden? Nein, das haben wir nicht. Es besteht aber eine Meldepflicht seitens der Eltern, der Schulleitung derlei mitzuteilen. Aktiv werden wir sicherlich nicht kontrollieren, ob Schüler in den Sommerferien aus einem Staat oder einem Gebiet mit hohem Coronavirus-Infektionsrisiko in die Schweiz eingereist sind. Weil wir das gar nicht dürfen.
Wie gehen Sie mit der Situation um, wenn sich ein Lehrer oder ein Schüler mit dem Virus angesteckt hat?
Falls ein Schüler krank in die Schule kommt, sollte der Lehrer den Schüler im Verdachtsfall wieder nach Hause schicken. Es gilt erst einmal, ruhig Blut zu bewahren: Es ist ja keine Schande, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben. Ein Coronafall wird dem Kantonsarzt gemeldet, der die weiteren Entscheidungen trifft.
Kommt dann die ganze Klasse oder gar die gesamte Stiftsschule in die Quarantäne? Im Extremfall wäre das vorstellbar. Sicher ist, dass sich ein mit dem Virus infizierter Schüler zu Hause in die Isolation begeben muss. Welche zusätzlichen Massnahmen ins Auge gefasst werden, entscheidet bei einer Coronavirus-Ansteckung nicht die Schulleitung, sondern der Kantonsarzt. Ist Contact Tracing in der Stiftsschule Einsiedeln vorgeschrieben?
Die App herunterzuladen ist freiwillig und kann nicht befohlen werden. Sie ist aber eine gute Sache und sollte alleine aus einem Akt der Solidarität heraus angewandt werden. Überdies ergänzt sie sich gut mit unserem Sitzordnungsplan, so haben wir schnell einen Überblick, wie ein Fall nachverfolgt werden könnte. Derzeit wissen wir nicht, wie viele Schüler die App geladen haben. Demnächst starten wir eine Umfrage, wie häufig das Contact Tracing bei den Schülern in Gebrauch ist.
Rechnen Sie damit, dass bei einer allfälligen zweiten Welle im Herbst oder im Winter trotz drohendem erneuten Lockdown die Schulen offen bleiben? Eine zweite Welle ist vorstellbar, ein erneuter Lockdown eher nicht. Dieser würde ja selbstredend mit sich bringen, dass auch die Schulen wieder geschlossen würden. Ich glaube, der erste Lockdown im Frühling war sinnvoll und hat seinen Zweck erfüllt. Das Ganze nochmals von vorne erleben zu müssen, wäre kaum zielführend. Die Schulen sollten offen bleiben. Es gibt das Ampelsystem, das für Gymnasien Gültigkeit hat: Grün bedeutet Präsenzunterricht für alle. Bei Gelb hat alternierend eine halbe Klasse Präsenzunterricht, die andere halbe Klasse wird online unterrichtet. Bei Rot gäbe es Online-Unterricht für alle (Lockdown). Die Anzeichen verdichten sich, dass uns das Coronavirus auch noch im nächsten Jahr erhalten bleibt. Halten Sie es für möglich, dass die Matura 2021 unter ähnlichen Umständen über die Bühne gehen wird wie im Vorjahr? Ich hoffe sehr, dass wir dem Coronavirus zum Trotz an der Matura 2021 schriftliche wie mündliche Prüfungen durchführen können. Eine Lehre aus diesem Jahr können wir ziehen: Ein Matura- Flickenteppich, indem in jedem Kanton wieder ganz andere Verhältnisse herrschen, ist unsäglich. Föderalismus in Ehren, aber ich hoffe, dass es die EDK, die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, auf die Reihe kriegt, für einheitliche Verhältnisse zu sorgen. Gibt es Folgen für die Matura 2021, die sich jetzt schon aufgrund der Corona-Pandemie abzeichnen?
Darüber hinaus wirkt sich die heurige Pandemie auch noch auf die kommenden Schwyzer Maturanden aus, da ihnen in Fächern, die bereits abgeschlossen worden sind, die Zeugnisnote für das zweite Semester 2019/20 coronabedingt nicht angerechnet wird. So oder so: Wir müssen das Bewusstsein entwickeln für eine neue Normalität. Die Pandemie liess die alte Normalität bersten – und uns in einer neuen Gesellschaft erwachen.
Definitiv sind die Sommerferien an ihr Ende gekommen: Morgen Mittwoch öffnet die Stiftsschule Einsiedeln wieder ihre Tore. Im Fokus sind Schutzmassnahmen, um das Coronavirus in Schach halten zu können. Foto: Magnus Leibundgut