Das Monatsgespräch im Juli
Franziska Keller trifft Martin Glaus, ehemaliger Maler, aktuell Heizungstechniker mit neuer Berufung
Jahrgang: 1979 Bürgerort: Benken, SG Geburtsort: Winterthur Wohnort: Bennau Getroffen habe ich Martin Glaus vor zwei Jahren an der Chilbi in der Irish Lounge. Nach einem langen, interessanten Gespräch wusste ich, dass er irgendwann einmal mein Monatsgesprächspartner sein würde. Bei einem feinen Käse-Plättli und einem regionalen Bier trafen wir uns nun an einem schönen Sommerabend und er erzählte mir direkt und unverblümt aus seinem Leben.
Der schönste Sommertag liegt hinter uns. Wie hast du ihn verbracht?
Ich habe ganz normal gearbeitet: als Heizungstechniker mit Spezialisierung auf Bodenheizung. Meinen ursprünglichen Beruf als Maler hängte ich nach neun Jahren an den Nagel, weil ich etwas anderes entdecken wollte. So wechselte ich 2007 in meine jetzige Heizungsfirma. Was hat dich bewogen, von Farbe zur Wärme zu wechseln? Mir gefällt heute der Kundenkontakt, den ich im früheren Beruf sehr vermisste. Regelmässig treffe ich beim jährlichen Service auf dieselben Kundinnen und Kunden. Nebst der Arbeit ist mir wichtig, ein paar Worte sonst austauschen zu können – das geht natürlich nicht überall, aber wo die Sympathie stimmt, ergibt sich ein schönes Gespräch, an das man wieder anknüpfen kann. Hat man denn Zeit für solche Gespräche? Es ist für mich mehr als nur ein Job. Mich fasziniert gerade dieser zwischenmenschliche Austausch. Je nachdem plant man deshalb gerne etwas mehr Zeit ein. Hätte ich keinen Kundenkontakt, wäre ich nicht mehr auf diesem Beruf. Stell dir vor, du hättest alle Zeit der Welt: Was würdest du tun? Diese Frage muss ich nicht spontan beantworten, die habe ich mir schon oft überlegt: Dann geh ich mit meinem selbst ausgebauten Bus auf Weltreise. Erst Europa, fahre von hier los nach Frankreich, Portugal, Spanien – dann der Balkanroute entlang. Nach diesem Abenteuer verkaufe ich den Bus und fliege nach Übersee: Afrika, Südamerika, Peru, Tibet, Patagonien.
All dies werde ich irgendwann wirklich bereisen und bewandern, denn ich möchte andere Völker und Kulturen kennenlernen, weil es mir als Schweizer gut tun wird, andere, weniger komfortable Standards anzutreffen, meinen Horizont zu erweitern und dadurch vermutlich demütiger für das Leben allgemein zu werden. Kann man sagen, dass mir gegenüber ein Lebemensch sitzt? Ja, kann man. Zudem bin ich immer total ehrlich und kann mich nicht verstellen. Ich bin ein offener Typ, dem man immer ansieht, wie er sich fühlt: ob gut oder schlecht, wenn ich glücklich bin, strahle ich – da wird nichts verborgen. Ich bin der Überzeugung: «Man ist zum Leben berufen und jeder hat seine persönliche Aufgabe.» Mir ist es sehr wichtig, den Weg zu mir selbst zu finden, auf mich selbst zu hören und meine Berufung danach auszurichten.
Und was hat die Corona-Krise mit dir gemacht?
Ich hatte keine Einschränkungen und hab die ganze Lockdown- Zeit durchgearbeitet, wenig Nachrichten mitbekommen, weil es mir schon nach kurzer Zeit zuviel geworden ist. Zu Beginn erlebte ich die Menschen nervös, übervorsichtig, teils gar hysterisch. Nach der Eingewöhnung an diese ungewohnte Situation aber freundlicher und verständnisvoller. Sie schienen «runterzukommen». Ich denke, viele gestresste Seelen haben sich dadurch erholen können.
Aber ich gebs ehrlich zu, an den Wochenenden habe ich mich nicht an die Weisung gehalten, sondern bin mit meinem Bus losgezogen und habe mich mit Vorsicht und Intuition leiten lassen. Ich liebte die ungewohnte Stille, den Rückzug der Massen, die leeren Strassen. Der Morgen war völlig anders als davor und auch jetzt wieder – viel klarer.
Ich wohne mitten in der Natur und beobachtete beim Aufstehen viel mehr Tiere als sonst. Es war eine unglaubliche, irgendwie auch melancholische – ich würde fast sagen, «sensible» Zeit. Ich nutzte den Rückzug für mich selbst. Sie hat mich sehr zum Nachdenken gebracht.
Was hat dich im Leben geprägt?
Menschen.
Inwiefern?
Durch Enttäuschungen. Ich bin nicht gehört worden und erlebte oft Respektlosigkeit mir gegenüber. Als kleiner Junge fühlte ich mich unverstanden – wahrscheinlich, weil ich schon immer zu direkt und ehrlich war. Ich glaube, Menschen können nicht gut mit Direktheit umgehen, ich kam sicher auch recht verletzend rüber und habe mich schwer gebessert. Du hast zwei Teenager-Jungs.
Was möchtest du ihnen gerne mit auf den Weg geben?
Nicht andere Menschen um Rat fragen, sondern auf sich selbst, auf das eigene Gefühl zu hören. Denn jeder Mensch ist ein Unikat und soll lernen, in Verbindung mit sich selbst, auf das eigene Bauchgefühl zu horchen. Was hat dich von Illnau-Effretikon in unseren Bezirk gebracht?
Mit meiner damaligen Partnerin mietete ich ein schönes Haus in Hütten. Nachdem ich alles ausgebaut hatte, mussten wir dann leider wegen Eigenbedarf wieder ausziehen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in einer Wohnung in Bennau kauften wir ein Haus in Studen – ein Traum. Jetzt wohne ich wieder in Bennau.
Und was gefällt dir in unserem Bezirk? Die Natur, das Traditionelle und die vielen regionalen Produkte, die mit Passion hergestellt werden und die mir sehr schmecken.
Warum lebst du so abgeschieden ausserhalb von Einsiedeln? Weil ich sehr gerne nach der Arbeit heimkomme und mich in die Natur zurückziehe, um ein Feuer zu machen, zu sein und aufzutanken. Die Natur ist für mich der beste Freund. Dementsprechend lebe ich achtsam und trage Sorge zu ihr. Dir ist die wertvolle Zeit enorm wichtig. Wie verbringst du sie am liebsten? Ich bin gerne alleine auf meinem Stand-up-Paddle unterwegs, mache Touren und dann investiere ich seit einem Jahr viel Zeit in meine neue Passion: das Lomi- Lomi. Stand-up-Paddle ist bekannt. Lomi-Lomi wohl weniger. Was ist das genau? Das ist eine traditionelle hawaiische Körperarbeit. Ich habe schon immer gerne massiert und nach drei Wochen in Hawaii wusste ich, dass ich etwas weitergeben möchte, das mit meinem spirituellen Hintergrund vereinbar ist, das dem Menschen an Körper, Geist und Seele guttut. So habe ich mich zum Lomi- Lomi-Masseur weitergebildet.
Sind Menschen offen dafür? Ja, diese Massageform ist eine alte Tradition und wird beliebter. Der Mensch sucht je länger je mehr Zugang zu sich selbst. Da kann Lomi-Lomi sehr hilfreich sein. Welche Vision hast du für deine Zukunft? Alternativ und mit wenig Luxus leben und meine Berufung finden.
Von Franziska Keller
Foto: Franziska Keller