Die Musik spielte auf dem Dach – das Publikum wippte am Boden
Plötzlich war sie da: Musik aus den Fünzigern und Sechzigern. Zu hören war sie weitherum. Doch wer spielte überhaupt? Und wo?
VICTOR KÄLIN
Seit Jahren sind «Simi and the shy guys» eine feste Grösse innerhalb der Einsiedler Bandkultur. Die fünf Mitglieder blicken auf zahlreiche stimmungsvolle Konzerte zurück. Doch der Lockdown hat auch ihre Leidenschaft zum Verstummen gebracht. Seit sechs Wochen hat sich das Quintett nicht mehr getroffen; keine Proben und – noch schlimmer – keine Auftritte. Sechs Konzerte mussten in dieser Zeit abgesagt werden. Weitere Absagen sind programmiert.
Das Musizieren ist zwar nur Hobby; schmerzlich vermisst wird es trotzdem. «Wir wollten einfach wieder einmal zusammensitzen und Musik machen», sagt Kontra-Bassist Claudio Imhof. Gesagt – getan: Am letzten Samstagnachmittag, 25. April, trafen sich Simi, Urs, Piitsch, Reto und Claudio zu einem spontanen Gig – auf der Terrasse des Hauses «National». Sie gehört zur Wohnung eines Bandmitglieds und ist gross genug für den in Corona-Zeiten geforderten Abstand. Und vor allem liegt sie sehr zentral: Die Musik war fast im ganzen Dorf zu hören – sogar auf dem Friherrenberg. Anknüpfen an die legendären Rooftop-Konzerte «Auch die ‹Beatles› …» schmunzelt Claudio Imhof. Ja, das legendäre Rooftop-Konzert der «Fab Four» ist selbst Jahrzehnte später nicht vergessen. Der letzte Live-Auftritt der «Beatles» inspirierte schon manche Band. Er fand am 30. Januar 1969 in London statt. Da es weder Promotion noch Tickets gab, bestand das Publikum im Wesentlichen aus Personen, die sich zufällig in der Nähe aufhielten.
So war es irgendwie auch mit «Simi and the shy guys» auf dem «National». Mit einem Unterschied, wie Imhof lachend ergänzt: «Wir hoffen natürlich, dass es nicht unser letztes Konzert gewesen ist!» Geht es nach den Fans, wird das mit Bestimmtheit nicht eintreffen. Zwar habe man – wie die «Beatles» – komplett auf Werbung verzichtet: Keine SMS, keine Flyer, keine Nchrichten auf der Homepage. «Nicht einmal die besten Freunde haben wir informiert», versichert Imhof. Dennoch versammelten sich im Verlaufe des Nachmittags immer mehr Menschen in der näheren und weiteren Umgebung des «National». Sie blieben verwundert und erfreut stehen, klatschten, wippten und tanzten mit. Die Rockabilly-Truppe oben auf der Terrasse war kaum zu sehen. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch.
Musik genossen – Abstand eingehalten
Zur Abrundung des Bildes passt das Verhalten der Zuschauer: Vor dem Zwei Raben und auf den Nachbarplätzen war Raum genug. Und dieser wurde genutzt; grössere Gruppierungen gab es keine, die Leute genossen die Musik im geforderten Corona- Abstand. Die standen «wirklich ordentlich und sauber verteilt », freut sich Imhof. Und als nach fast dreieinhalb Stunden der letzte Song gespielt wurde und der letzte Ton verhallte, wollte der Applaus kaum mehr enden. «Das waren sicher zehn Minuten. Der schönste Lohn, den eine Band sich wünschen kann.» Zur Abrundung des sonnigen Tages passt die Rückmeldung der Kantonspolizei, dass das Konzert zu keiner einzigen Meldung, zu keinen Reklamationen geführt hat – und das bei einer mehr als dreistündigen Dauer. «Ganz ehrlich», meint Imhof dazu, «wir rechneten schon, dass die Polizei erscheint. Und waren entsprechend überrascht, als dies nicht geschah.» Für die Kantonspolizei ist die Sache erledigt. Dennoch hat der Gig auf dem Dach für «Simi and the shy Guys» ein Nachspiel: «Wir alle», so Imhof, «haben einen Sonnenbrand! » Und mit Bestimmtheit viele neue Fans.
Dürfte auch legendär werden: Das Rooftop-Konzert auf dem «National» von «Simi and the shy Guys» vom letzten Samstag.
Foto: zvg