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Ein Sehender und ein Hörender

Ein Sehender und ein Hörender Ein Sehender und ein Hörender

VICTOR KÄLIN

Behutsam. Wenn es bei Karl Saurer um elementare Dinge ging (und das ging es oft bei ihm), dann fiel sein behutsamer Umgang besonders auf. Einem Menschen, einer These, selbst einem Vorwurf begegnete er mit Respekt, Offenheit und einer entwaffnenden Zärtlichkeit. Diese innere Haltung hat er auch in zahlreichen Spiel- und vor allem Dokumentarfilmen sichtbar gemacht. Mehr noch: Sie war nicht Stilmittel, sondern Voraussetzung für ein filmisches Werk, dessen Aussagen die Zeit zu überdauern vermag.

Wie nur wenige hat Karl Saurer ein feines Gespür entwickelt für das, «was um ihn ist». Er hat wahrgenommen, was den meisten verborgen blieb. Im Unscheinbaren erkannte er die Bedeutung für das Grosse, und aus dem Offensichtlichen führte er ins fast unsichtbar Kleine. Karl Saurer war ein Meister des Erzählens. Doch zuallererst war er ein Sehender und ein Hörender.

Sein filmisches Werk ist umfangreich und irgendwie phantastisch, wenn man nur schon die Spannbreite betrachtet, die sich zwischen «Holz schläike mit Ross» (1991) und seinem letzten beendeten Film «Ahimsa» (2013) auftut. Hier das in Einsiedeln gefilmte Thema Arbeit und Ökologie, da die gewaltlose indische Basisbewegung, welche Saurer oft und für längere Zeit in den Subkontinent führte. «Was um ihn ist» war weit mehr, als es nur in Einsiedeln zu sehen gab.

Die Bdeutung dieses Schaffens erkannte auch die Schwyzer Regierung. 2018 verlieh sie Karl Saurer in der heimischen Cineboxx den kantonalen Kulturpreis (Aufnahme), die höchste kulturelle Auszeichnung des Kantons. Eine Ehrung notabene, die nicht regelmässig erfolgt, sondern nur dann, wenn sich jemand tatsächlich dafür empfiehlt. Wenigstens hier führt die dem Stand Schwyz typische Kulturbescheidenheit für einmal zum erwünschten Ziel: zur Kür der Wägsten und Besten.

Als Kulturminister hob Regierungsrat Michael Stähli damals Saurers Fähigkeit hervor, seine Themen «engagiert und doch mit der notwendigen Distanz zu beleuchten». Subtil beschreibe Saurer «Zusammenhänge und Entwicklungen aus der Sicht der Betroffenen», womit er einen wichtigen Beitrag leiste zu deren Verständnis. «Seine Filme sind nicht belehrend, sondern berühren durch ihre ausdrucksstarken Bilder und die einfühlsame Art, wie die Menschen gezeigt werden. » Für Laudator Thomas Pfister hat Karl Saurer «seine Themen nie gesucht, sie sind ihm auch nicht einfach zugefallen. Sie sind ihm begegnet und es scheint für ihn jeweils eine innere Notwendigkeit gegeben zu haben, diese Themen aufzugreifen. Es gelingt ihm dabei vorzüglich, Filme poetisch und dialektisch so zu gestalten, dass sich beim Betrachten der Blick, der Horizont öffnet und wir Raum erhalten für eigenes Erkennen, Nachdenken und Fragen.» Karl Saurer ist der erste Filmemacher, der den kantonalen Kulturpreis erhalten hat.

Überraschend und still ist Karl Saurer am 12. März im Alter von 77 Jahren gestorben. Was aufgrund der Corona- Pandemie nicht möglich gewesen ist, soll auf seinen Wunsch hin «in besseren Zeiten » nachgeholt werden: eine Abschiedsfeier für alle seine Angehörigen, Freundinnen und Freunde, Bekannten und Weggefährten. Und alle kommen zusammen, um einem Menschen zu danken, der nebst dem eigenen Ich immer auch das Du gesehen – und unendlich viel gegeben hat.

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