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Nicht mehr die Hand geben?!

Nicht mehr die Hand geben?! Nicht mehr die Hand geben?!

Wegen der Ansteckungsgefahr durch den Coronavirus fordern die Behörden auf, sich nicht mehr die Hände zu schütteln: Eine Umfrage

Eigentlich ist es unpersönlich, ja unhöflich, sich zur Begrüssung oder zum Abschied nicht die Hand zu geben. Doch in Zeiten des Coronavirus mit rund 100 Fällen in der Schweiz scheint durchaus Vorsicht geboten – damit sich der Erreger nicht massenhaft ausbreitet. Wie halten es Menschen in Einsiedeln mit dem «Handshake-Tabu »? Ein Augenschein.

WOLFGANG HOLZ

«Ich werde auch weiterhin die Hände schütteln!» verficht SVP-Kantonsrat Bernhard Diethelm vehement die Haltung, «meinem Gegenüber weiterhin den Anstand und Respekt zu zollen, den es verdient – mit einem beherzten Handschlag». Diese Zeilen schreibt der Politiker in einem Leserbrief an unsere Zeitung. Anlass genug, auf der Strasse in Einsiedeln nachzufragen, wie andere darüber denken.

Für Andri Janett ist es klar, dass er aus Gründen der Hygiene und aus Vorsicht vor einer Ansteckung derzeit anderen Personen nicht mehr die Hand gibt. Er arbeitet seit eindreiviertel Jahren in der Stiftsbibliothek Einsiedeln. «Seitdem ich über die Ansteckungsgefahr per Handschlag in den Medien gelesen habe, habe ich aufgehört, Hände zu schütteln», sagt er. Er habe mit dieser Verhaltensweise noch keine negativen Erfahrungen gemacht. «Allerdings muss man schon auch die Reaktion seines Gegenübers mit in Betracht ziehen », räumt Janett ein. Er könne sich grundsätzlich vorstellen, andere Personen einfach per Augenkontakt zu begrüssen. «Oder eben mit einem Lächeln.» Eine ältere Dame aus Wädenswil hat auch keine Probleme mit dem Verzicht auf den persönlichen Handschlag. «Mein Coiffeur und ich haben uns gerade voneinander verabschiedet, ohne dass wir uns die Hand gegeben haben – wir kennen uns schon seit Jahren.» Für sie ist andererseits klar: Wenn ihr die Behörden etwas zum Wohl der Gesundheit empfehlen würden – «warum soll ich mich daran nicht halten?!» Was ihren Coiffeur angeht, habe sie mit ihm den Wunsch geäussert, «uns eben das nächste Mal dann wieder gegenseitig die Hand geben zu können».

Für Doris Elmer vom Bezirk Einsiedeln, die gerade mit ihrer Kollegin die Mittagspause an der frischen Luft geniesst, ist es selbstverständlich, dass sie sich an die Vorgaben des Bezirks, der die Anweisungen des Bundesamts für Gesundheit umsetzt, halte und durch Nichthändeschütteln und regelmässige Händedesinfektion mit dazu beitrage, den Coronavirus eindämmen zu helfen. «Diese Strategie ist meines Wissens von allen Kolleginnen und Kollegen im Bezirk akzeptiert.» Privat würde sie aber durchaus noch bei der Begrüssung die Hand oder sogar ein Küsschen geben. «Neulich habe ich meine Tochter, die in Nürnberg war, bei ihrer Heimkehr herzlich umarmt – obwohl es auch in Nürnberg Coronavirus- Fälle gibt.» Sagts und streckt einem zum Abschied verschmitzt die Hand zum Gruss entgegen.

Robin Wittke aus München, der gerade auf der neuen Klostertreppe in der Sonne sitzt und auf seinem Smartphone tippt, geht es ähnlich. «In unserer Firma haben wir schon lange durchgesetzt, auf den persönlichen Handschlag zu verzichten.» Schliesslich könne man ja nicht wissen, wo der Geschäftspartner gerade auf Reisen gewesen sei. Aber weiss er das von jedem seiner Freunde und Bekannten – denen er nach wie vor privat die Hand zum Gruss gibt? «Eigentlich nicht, vielleicht müsste ich meine Strategie mal überdenken. Bussis gebe ich auf jeden Fall auch Freunden seit dem Coronavirus nicht mehr», sagt der junge Mann und lächelt freundlich. Wobei man sich in Bayern, so Wittke, im Prinzip auch problemlos ohne Handschlag verabschieden könne: «Wir sagen einfach Servus. Das passt dann schon.» Auch Arina Shala aus Einsiedeln gönnt sich gerade eine kleine Auszeit. Blinzelt in die Sonne. Checkt ihr Handy. Als Fachkraft Gesundheit in einem Einsiedler Alters- und Pflegeheim sei sie derzeit täglich mit dem Thema Hygiene und Desinfektion konfrontiert. «Momentan dürfen sich Angehörige und Heimbewohner nicht die Hände schütteln ebenso wenig wie Angehörige und das Personal. Wir und die Heimbewohner geben uns dagegen schon ab und zu die Hand – desinfizieren uns aber vorher», berichtet die junge Einsiedlerin. Die Menschen im Altersheim haben laut Arina Shala Verständnis für diese Hygiene- Regeln. Sie selbst könne sich dagegen nicht vorstellen, privat ihre Freunde und Bekannten nicht mehr per Körperkontakt begrüssen zu können. «Meine Kolleginnen umarme ich immer.» Für Handwerker Marcel Limacher aus Einsiedeln hat sich in Sachen Begrüssung oder Verabschiedung wegen des Coronavirus grundsätzlich noch nichts geändert. «Ich gebe allen normal die Hand und habe auch noch nicht erlebt, dass mir jemand die Hand nicht geben wollte.» Er empfindet die öffentliche Reaktion auf das Coronavirus ein Stück weit als «Angstmacherei». Könnte für ihn dennoch irgendwann die Stunde nahen, wenn er anderen Personen aus Vorsicht auch nicht mehr die Hand schütteln würde? «Wenn es vielleicht mehr Coronavirus-Fälle in unmittelbarer Umgebung hätte.» Auch die Einsiedlerin Nada Schweyer gibt nach wie vor die Hand und Küsschen zur Begrüssung oder zum Abschied. Entspannt lehnt sie gerade an einer Hauswand am Sagenplatz und geniesst die warme Frühlingssonne. «Ich habe keine Angst, mich per Handschlag mit dem Coronavirus anzustecken. Natürlich wasche ich mir regelmässig die Hände, stecke die Finger nicht in den Mund und esse nicht mit blossen Händen – so wie immer halt.»

«Ich wasche mir regelmässig die Hände, stecke die Finger nicht in den Mund und esse nicht mit blossen Händen.»

Nada Schweyer, Einsiedeln

Andri Janett

Doris Elmer

Robin Wittke

Arina Shala

Nada Schweyer Fotos: zl.

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