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«Kann vorkommen, dass man in Oberiberg im Dorfladen anstehen muss!»

«Kann vorkommen, dass man in Oberiberg  im Dorfladen anstehen muss!» «Kann vorkommen, dass man in Oberiberg  im Dorfladen anstehen muss!»

Im Flachen ists grün. Doch die Ski- und Snowboardschule Yberg hat derzeit Hochsaison.

ANGELA SUTER

Mitte Dezember startete die Skischule Ybrig in ihre Saison. So richtig intensiv wurde es zum ersten Mal in den Weihnachtsferien. Obwohl dann fast im ganzen Januar keine Gruppenkurse angeboten worden waren, konnte man die Skilehrer durchgehend beschäftigen. Und zwar mit dem Projekt «Hoch-Ybrig bewegt», das es seit vier Jahren gibt.

Das ist ein Breitensportprojekt der Hoch-Ybrig AG, der Schweizer Ski- und Snowboardschule Ybrig (SSSY) und dem Sportamt der Stadt Zürich, das noch von weiteren Partnern mitfinanziert wird. Das Ziel dieses Projektes ist die Nachwuchsförderung von Kindern im Schneesport. Zielgruppen sind die Schulklassen der 5. und 6. Primarschulstufe der Stadt Zürich. Viele dieser Kinder haben von zu Hause aus nicht die Möglichkeit, mit Schneesport in Berührung zu kommen. Im Hoch-Ybrig werden die Kinder mit der nötigen Ausrüstung ausgestattet. So wurden in diesen sonst eher ruhigen Wochen 2000 Kinder mit Bussen ins Ybrig gefahren, je nach Schulhausgrössen 160 bis 200 Kinder pro Tag.

«Wir holen dich ab!»

Seit nunmehr fünfzehn Jahren gibt es von der SSSY das Angebot «Wir holen dich zu Hause ab», das Skischulleiterin Franziska Taugwalder-Hubli ins Leben gerufen hat. Je nach Schulferienzeit gibt es verschiedene «Haltestellen », wo die Kinder morgens abgeholt und abends zurückgebracht werden. Da ist zum Beispiel Ryan, der als erster bereits um 7.45 Uhr in Zürich-Altstetten in einen Car eingestiegen war. Oder Lilly, die als letzte um 8.55 in Wädenswil Platz nehmen durfte. Gegen 9.30 Uhr in den Weglosen angekommen, werden die Kinder mit farbigen Bändeln ausgestattet, bevor sie sich auf die Suche nach ihren Skiern machen. Obwohl die Kinder im Car durch einen Skilehrer betreut werden, muss manch ein Buschauffeur vor allem den Kleinsten unter die Arme greifen und zum Beispiel Helm und Handschuhe anziehen. Anschliessend sucht jedes Kind seinen Skilehrer und so formiert sich die grosse Kinderschar langsam in Grüppchen. Bis dann auch die allerletzten Kinder mit der Gondel ins Skigebiet unterwegs sind, dauert es meistens noch etwas.

Dank des Busangebotes konnte die SSSY wachsen und zählt heute 90 (Teilzeit-) Skilehrer, die von Mitte Dezember bis Mitte März beschäftigt werden können. Die meisten Anfänger, welche privat anreisen, besuchen den Skikurs am Roggen in Oberiberg. Da sieht die Anreise anders aus: Eltern oder Grosseltern fahren die Kinder einzeln zum Treffpunkt, tragen ihnen die Skier und ziehen ihnen Handschuhe und Helme an. Skilehrer servieren das Essen

In den vergangenen zwei Wochen hatte der Kanton Zürich Schulferien, das sind jeweils die stärksten Wochen für die Skischule. In der ersten Woche (10. bis 16. Februar) waren 365 Kinder, davon 220 Buskinder in der Skischule, in der zweiten Woche (17. bis 23. Februar) 374 Kinder, davon 190 Buskinder. Die Kinder, welche ins Hoch-Ybrig reisen, werden im Restaurant Bärghus vom Team um Helena Reichlin verköstigt: «Es gibt zwar längere Tage, aber es ist gut machbar für mein gut eingespieltes Team, weil es ein fixes Menü – mit einigen wenigen Ausnahmen – gibt.» Gestaffelt essen die Kinder einerseits im Skischulraum, andererseits im Restaurantbereich. Geschöpft wird vom Bärghus-Team, serviert von den Skilehrern.

Auch für den Tourismus sind diese beiden Wochen sehr stark, kommen jedoch nicht ganz an die Weihnachtszeit ran. Einerseits besitzen viele aus den umliegenden Kantonen in Oberiberg eine Ferienwohnung oder mieten eine, andererseits liegt das Skigebiet Hoch-Ybrig nahe bei den grossen Städten und natürlich auch wegen dem Busangebot der Skischule. Es ist wichtig, dass den Stadtkindern der Schneesport nähergebracht wird, und diese sich erinnern, wo sie Ski- oder Snowboardfahren gelernt haben. So ist gewährleistet, dass auch weiterhin die Ferienhäuser in Oberiberg von der nächsten Generation übernommen werden und der Tourismus im Ybrig weiterlebt. Und während dieser Bericht erscheint, kommen schon die nächsten Skischüler – die Innerschweizer haben Sportferien. Aber die meisten starteten, wegen der Fasnacht, erst am Dienstag mit dem Kurs.

Oberiberg: 870 Einwohner und 3000 Fremdbetten

Oberiberg zählt 870 Einwohner. Während der Skiferien steigt diese Zahl bis auf rund 3000 Personen. In Oberiberg gibt es 3000 Fremdbetten, knapp 10 Prozent davon werden vermietet, und die sind in diesen Wochen gut besetzt, auch diejenigen, die das Tourismusbüro Ybrig vermietet. Martha Reichmuth vom Tourismusbüro Ybrig erwähnt auch ein tolles Extra-Angebot: «Das Gratis- Postauto in Oberiberg während der Skisaison entlastet unsere Parkplätze merklich!» Bei ihr erkunden sich Eltern, die selber nicht skifahren und ihre Kinder in die Skischule geben, was man denn im Ybrig so tun könne: «Schlitteln ist sehr beliebt – oder halt Spazieren, Wandern oder Schneeschuhtouren.» Gerne kehren die Eltern auch in eines der zahlreichen Restaurants in Oberiberg ein.

«Die Nähe zu den grossen Städten ist für uns Fluch und Segen zugleich!», meint Alexander Taugwalder, Geschäftsführer und Teilinhaber der Roggenstock Lodge in Oberiberg, das 70 Betten anbietet. Einerseits kann die Skischule und das Skigebiet als Tagesausflug genutzt werden, aber wie es der Name schon sagt, es kommen zwar viele, die meisten gehen aber auch wieder nach Hause. Trotzdem ist sein Hotel – übrigens das einzige in Oberiberg – während den Ferienzeiten praktisch ausgebucht. Er sieht aber beim Skifahren noch einen anderen Vorteil: «Schneesport bringt den Kindern die Kultur und Traditionen der Schweiz näher, ja kann als eine Art Integrationsinstrument angesehen werden. Für mich ist es ein Privileg, Skifahren zu können.» Dieses Privileg sollte aber für Kinder, die in Skiregionen aufwachsen, selbstverständlich sein. Daher gibt es für die Schulkinder von Oberiberg seit vier Jahren und für die Unteriberger seit diesem Jahr das Angebot der «Schule im Schnee». Das ist für Taugwalder ein klares Statement: Ja zum Wintersport!

Viele Touristen im Dorf Urs Keller von der Geschäftsleitung der Hoch-Ybrig AG ist auch erfreut über die vielen Skischüler: «Das ist ein sehr spezieller Winter, natürlich kommt die hohe Schneelage uns dieses Jahr zu gut, doch leider ist das nicht nachhaltig. Für die Familien sind die Dorflifte wichtig – dort wird Skifahren gelernt.» Bei den vielen Skischülern kommt das Kinderland im Hoch-Ybrig an den Anschlag. In absehbarer Zeit werde dort investiert, damit man das Angebot vergrössern könne.

In Unteriberg merkt man von den vielen Touristen neben dem zusätzlichen Verkehr nicht allzu viel. Trotzdem ist das auch eine wichtige Zeit für die beiden Hotels in Unteriberg. Auch das Hallenbad ist etwas besser besucht, vor allem bei schlechtem Wetter. Ebenso verzeichnet der Spar Supermarkt in Unteriberg mehr Frequenzen als sonst.

Aber in Oberiberg geht das noch etwas weiter: Von Weihnachten bis März hat der dortige Volg Dorfladen zusätzlich am Sonntag geöffnet. Der Oberiberger Gemeindepräsident Walter Marty beschreibt passend: «Während den Weihnachts- und Sportferien merkt man, dass es viele Touristen im Dorf hat. Die Parkplätze sind gefüllt, viele Leute laufen durchs Dorf, die Restaurants sind voll und auch die Gewerbebetriebe profitieren vom Aufmarsch der Touristen. Und es kann schon mal vorkommen, dass man im Dorfladen anstehen muss!»

In der Weglosen stiegen in den vergangenen Wochen jeweils 220, respektive 190 Kinder aus fünf Reisecars aus. Die grosse Kinderschar formierte sich dann langsam relativ selbstständig in ihre Grüppchen und machte sich auf ins Hoch-Ybrig. Fotos: Angela Suter

Seit 33 Jahren wirtet Helena Reichlin mit ihrem Team im Restaurant Bärghus – da die rund 300 Kinder gestaffelt essen kommen und ein einheitliches Menü konsumieren, sind diese zwei Wochen zwar etwas anstrengend, aber nichts Aussergewöhnliches. Foto: zvg

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