«Etwa 50 Leukämiepatienten sterben hier pro Jahr, weil kein passender Spender gefunden wird»
Am kommenden Donnerstag hat man im Kultur- und Kongresszentrum Zwei Raben die Chance, sich über die Blutstammzellspende zu informieren und sich zu registrieren. Dr. Jennifer Wendler, Oberärztin des Medizinischen Dienstes der Blutspende SRK Zürich, klärt einige Fragen über die lebensrettende Spende.
Was bedeutet es, sich zur Blutstammzellspende registrieren zu lassen? Die Registrierung zum Blutstammzellspender ist wichtig. Das liegt an der besonderen Eigenschaft der Blutstammzellen selbst. Diese sind verantwortlich für die Bildung von Blutzellen. Daher können sie besonders denjenigen Menschen helfen, die unter einer Störung der eigenen Blutbildung leiden. Dazu gehört als bekanntes Krankheitsbild die Leukämie, der Blutkrebs. Aber auch andere Erkrankungen können durch die Behandlung mit Blutstammzellen geheilt werden.
Sich registrieren lassen ist ganz einfach. Jede gesunde Person im Alter zwischen 18 und 55 Jahre, die die Spendekriterien erfüllt, darf sich registrieren: Fragebogen ausfüllen, Abstrich der Wangenschleimhaut mit dem Stäbchen durchführen, fertig. Wie wahrscheinlich ist es, dass man als Spender in Frage kommt? Die Wahrscheinlichkeit ist insgesamt sehr gering. Pro Jahr werden in der Schweiz etwa 60 Blutstammzellspenden für nicht-verwandte Patienten durchgeführt.
Durch den Watteabstrich werden die Gewebemerkmale bestimmt, die für jeden Menschen sehr individuell und unterschiedlich sind. Es sind weit über 1000 verschiedene Merkmale bekannt. Diese Gewebemerkmale werden in einer Datenbank gespeichert und helfen somit bei der Suche nach dem «genetischen Zwilling». Unter Geschwistern liegt die Gewebeverträglichkeit zum Beispiel zwischen 20 und 30 Prozent. Wie viele Menschen registrieren sich jährlich in der Schweiz? In der Schweiz gibt es aktuell etwa 130’000 registrierte Blutstammzellspender. Im letzten Jahr liessen sich rund 15’000 Menschen neu registrieren. Die Zahl der Neuregistrierungen steigt jedes Jahr erfreulicherweise ein wenig mehr. 2019 lag der Anteil an Frauen bei 65 Prozent, der Anteil an Männern bei nur 35 Prozent. Dabei haben medizinische Studien festgestellt, dass Blutstammzellen von jungen, unverwandten Spendern die Überlebenschancen der Patienten erhöhen.
LUKAS SCHUMACHER
Was passiert, wenn man als Spender in Frage kommt?
Wird man als passender Spender für einen Patienten ausgewählt, wird zuerst abgeklärt, ob weiterhin die Bereitschaft besteht, Stammzellen zu spenden. Danach wird im Rahmen einer Blutentnahme eine vertiefte Typisierung der Gewebemerkmale vorgenommen und das Blut auf lnfektmarker für zum Beispiel Hepatitis, aber auch auf HIV und andere Viruserkrankungen weiter untersucht. Immerhin soll ein schwer kranker, oft immungeschwächter Mensch diese Blutstammzellen erhalten.
Passen dann Spender und Empfänger immer noch gut zusammen, wird das Spital, das die eigentliche Blutstammzellspende durchführt, informiert. Im Spital erfolgen dann ambulant ein Gesundheitscheck und eine genaue Aufklärung über Ablauf, Risiken und Nebenwirkungen der Blutstammzellspende.
Zu jedem Zeitpunkt darf der Spender sein Einverständnis zurückziehen. Allerdings muss bedacht werden, dass, sobald der Empfänger für die Spende vorbereitet wird, dieser ohne die Spende schlechte Überlebenschancen hat.
Gibt es bei der Entnahme Risiken für den Spender?
Bei der Blutstammzellspende muss man zwischen zwei Entnahmearten unterscheiden. Nur noch selten wird eine Knochenmarkspunktion am Beckenkamm durchgeführt. Hierbei wird der Spender für etwa 3 Tage stationär im Spital aufgenommen und erhält für die etwa ein bis zwei Stunden dauernde Entnahme eine Narkose. Die Entnahme selbst ist mit einem gewissen Blutverlust verbunden, der aber in der Regel gut vom eigenen Körper kompensiert werden kann. Nach der Entnahme kann es vereinzelt zu Wundschmerzen oder auch zu Blutergüssen kommen.
Überwiegend wird aber die periphere Stammzellspende durchgeführt. Hierbei werden über etwa fünf Tage dem Spender sogenannte «Wachstumsfaktoren » gespritzt, die die eigene Blutproduktion besonders stimulieren sollen. Dabei fühlt sich der Spender vorübergehend wie bei einer leichten Grippe mit Müdigkeit, Kopf- und/oder Gliederschmerzen. Die Entnahme der Blutstammzellen findet ambulant über einen Venenkatheter statt und dauert zwischen drei und fünf Stunden.
Können sich Spender und Empfänger kennenlernen? Zum persönlichen Schutz von Spender und Empfänger dürfen sich beide nicht kennen. Seit dem 1. April 2013 gibt es aber eine kleine Lockerung. So ist ein einmaliger Briefwechsel organisiert über den SBSC (Swiss Blood Stern Cells) zum Danken oder Genesungswünsche überbringen in anonymisierter Form möglich.
Wie dringend werden Spender gesucht? Etwa 50 Leukämiepatienten sterben pro Jahr in der Schweiz, weil kein passender Spender gefunden wurde. Je mehr Menschen sich registrieren lassen, umso höher wird die Chance, einen passenden Spender zu finden. Kommt man nach einer Registration ein Leben lang als Spender in Frage?
Als Blutstammzellspender können sich alle gesunden Personen zwischen 18 und 55 Jahren, die die Spendekriterien erfüllen, registrieren lassen. Die Daten verbleiben dann bis zum 60. Lebensjahr in der Datenbank und werden danach inaktiviert.
Erfüllt man die Spendekriterien nicht, kann man aber dennoch helfen – entweder durch Engagement wie zum Beispiel die Hilfe bei der Organisation von Registrierungs-Aktionen oder durch Geldspenden. Wie erfolgreich sind die Transplantationen bei Leukämieerkrankten?
Etwa 40 bis 80 Prozent der Blutstammzellspenden bei Erwachsenen mit Leukämie sind erfolgreich. Bei Kindern liegt die Quote etwas höher. Die individuelle Heilungschance hängt aber immer vom Alter, dem Gesundheitszustand und der Grunderkrankung ab.
Wünschen Sie sich eine grössere Bereitschaft der Menschen gegenüber Blut- oder Organspenden?
Ich habe mich schon immer viel mit dem Thema Transplantationen von Blutstammzellen und Organen beschäftigt. Daher kenne ich viele Erfolgsgeschichten, aber auch einige Misserfolge. Treten diese ein, weil es für einen Patienten keinen Spender gibt, ist das gerade für Angehörige sehr traurig. Ich weiss aber auch, dass es bereits viele sehr engagierte Spender gibt. Über jeden weiteren freut man sich natürlich umso mehr.
Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit Blutstammzellspendern gemacht? Unsere Blutstammzellspender sind grossartig! Bisher habe ich sehr viel positives Feedback erhalten, wenn wir den Kontakt zum Spender herstellen. Die meisten freuen sich sehr, helfen zu können. Kommt es im Gespräch zu Fragen, kleinen Unsicherheiten oder Bedenken, können wir diese oft soweit klären, dass sich am Ende der Spender gut aufgehoben fühlt und gestärkt in seinem Beschluss zu helfen hervorgeht.
Ein Wort zum Schluss Wir, das Team der Blutspende Zürich, freuen uns sehr, Sie am Donnerstag bei unserer Aktion in Einsiedeln zu begrüssen und hoffen natürlich auf reges Interesse an der Registration zur Blutstammzellspende.
Blutspendeaktion des Samaritervereins Einsiedeln am kommenden Donnerstag, 6. Februar, von 16 bis 20 Uhr, im Kultur- und Kongresszentrum Zwei Raben, Einsiedeln.
«Ich kenne viele Erfolgsgeschichten, aber auch einige Misserfolge.
Dr. Jennifer Wendler
«Die meisten freuen sich sehr, helfen zu können»: Dr. Jennifer Wendler, Oberärztin des Medizinischen Dienstes der Blutspende SRK Zürich, zu ihrer Erfahrung mit Blutstammzellspendern. Fotos: zvg