Veröffentlicht am

«Ich hab mein Herz an das Bier verloren»

«Ich hab mein Herz an das Bier verloren» «Ich hab mein Herz an das Bier verloren»

Céline Schönbächler hat sich mit Haut und Haar dem Gerstensaft verschrieben. Die erste Bierbrauerin aus Einsiedeln kann sich nicht vorstellen, eine andere Tätigkeit auszuüben als Bier zu brauen – weil sie ihren Beruf liebt.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie sind Sie zum Bierbrauen gekommen?

Eigentlich wollte ich Automechanikerin werden. Als das nicht geklappt hat, bin ich dann via Logistik bei der Brauerei Rosengarten zum Bierbrauen gekommen. Schliesslich habe ich dort als erste Frau eine Lehre als Lebensmitteltechnologin in Angriff genommen. Dass eine Frau Bier braut, ist aber schon speziell? Ja, das kann man so sagen. In der Berufsschule war ich die einzige Frau, die eine Lehre zur Lebensmitteltechnologin mit Schwerpunkt Bier gemacht hat. Ein grosses Angebot an Lehrstellen gibt es eh nicht. Vermehrt wird Bierbrauen zur Frauensache in diesen Zeiten. Überrascht Sie das? Nein, gar nicht. Denn Bierbrauen war ursprünglich in Frauenhand. Und das nicht nur im Mittelalter, sondern auch in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, als Männer zum Militärdienst abberufen wurden und Frauen das Bierbrauen übernahmen. In der heutigen Zeit kehrt damit also eine alte Tradition zurück: Bierbrauen ist auch Frauensache.

Schmeckt Ihnen Bier überhaupt?

Ja, und wie! Zum Dessert trinke ich gern ein dunkles Bier. Wann ich zum ersten Mal Bier getrunken habe, weiss ich gar nicht mehr so genau. 16-jährig war ich damals sicher noch nicht (lacht). Mein Vater gab mir sicher mal als Kind einen Schluck Bier zum Probieren, aber da mochte ich es ganz bestimmt noch nicht. Wieso mögen Frauen in der Regel Bier nicht? Bier ist bitter, und Frauen mögen lieber Süsses meiner Erfahrung nach. Meine Cousine etwa fand Bier anfänglich ziemlich scheusslich. Via Böckli, ein süssliches Bier, ist sie dann schliesslich doch noch auf den Geschmack gekommen. Mittlerweile wagt sie sich sogar an sehr spezielle Bierarten heran und hat die Liebe zum Bier auch für sich erkannt. Mit dem heutigen Zeitgeist und der Vielfalt der Biere ist Bier auch zum Frauengetränk geworden.

Ist bei der heutigen Jugend das Feierabend-Bier noch in Mode? Kaum. Das hat viel mit dem Auto und dem Handy zu tun. Heutzutage hat man als Neulenker zum Beispiel eine Nulltoleranz. Da geht man eher nach der Arbeit schnell nach Hause und trinkt das Feierabendbier bei sich zu Hause. Statt sich zum Beispiel am Freitagabend am Stammtisch zu unterhalten, wie es dem anderen geht, schreibt man heutzutage eher ein SMS, um sich nach dem Befinden eines Kollegen zu erkundigen.

Stimmt es, dass Männer vom Trinken einen Bierbauch kriegen? Nur, wenn sie hierbei zusätzlich noch Nüssli und Chips essen. Man sagt, drei Biere sind eine Mahlzeit, aber dann hat man noch nichts getrunken (lacht).

Ist es auch der Gesundheit zuträglich, die Einsiedler Fasnacht zu besuchen? Sicher ist es zuträglich. Wie Paracelsus schon sagte, allein die Dosis macht das Gift. Ich denke, die Einsiedler sind ein geselliges Volk, und für mich gehören zur Geselligkeit ein, zwei Biere dazu. Und da kann es schon einmal sein, dass es eins zu viel ist. Aber gesundheitliche Bedenken habe ich da keine. Welche Fähigkeiten braucht es, um Bier brauen zu können? Es braucht viel technisches Verständnis, weil man Maschinen und Motoren sowie Computerprogramme bedienen muss. Selbstständigkeit ist einerseits gefragt, weil man auch alleine Tätigkeiten ausüben muss, andererseits Teamfähigkeit, weil man schliesslich zusammen und gemeinsam das Bier herstellt. Handwerkliches Geschick darf auch keinesfalls fehlen. Und schliesslich braucht es auch die Liebe zum Produkt, sei es das Endprodukt wie auch die Rohstoffe. Wie sieht Ihre Tätigkeit in Ihrem Arbeitsalltag aus? Das ist von Abteilung zu Abteilung ganz unterschiedlich. Aber eigentlich fängt man an, sich fürs Erste einen Überblick zu verschaffen, welche Tätigkeiten heute anstehen und welche man zuerst erledigen muss. Danach besteht die Arbeit zu einem sehr grossen Teil aus einer Qualitätsüberprüfung und einer Instandhaltung, einer Wartungsüberprüfung und einer Planung

der restlichen Woche.

Kommt es bisweilen zu Betriebsunterbrüchen?

Es gibt immer wieder einmal die Situation, dass eine Maschine oder ein Motor kaputt ist oder dass ein Ventil leckt. Selten kommt es aber zu einem totalen Stillstand. Grund dafür sind aber sicher auch unsere Betriebsmechaniker und Elektriker, die schnell und zielstrebig eine Lösung finden oder das Problem beheben können. Die kleineren Sachen können wir Brauer auch sehr gut alleine machen.

Früher war Bierbrauen ein Geheimnis. Verraten Sie uns, nach welchem Rezept Sie Bier brauen? Das geht gar nicht. Denn es gilt heute noch das Verschwiegenheitsgebot. Hierfür müssen wir Mitarbeiter eine Erklärung unterschreiben, dass wir nichts ausplaudern. Das ist ein Kodex innerhalb der Bierbranche. Damit schützen die Biermarken ihr Produkt. Ich durfte also keineswegs das Bierrezept von der Brauerei, in der ich die Lehre gemacht hatte, in die Luzerner Brauerei Eichhof mitnehmen und weitergeben.

Weshalb haben Sie die hiesige Bierbrauerei verlassen? Sind Ihre Dienste im Klosterdorf nicht mehr gefragt gewesen? Meine Kenntnisse wären in Einsiedeln durchaus auch in Zukunft gefragt gewesen. Aber ich halte es für besser, nach der Lehre den Betrieb zu wechseln, um neue Erfahrungen zu sammeln. In Luzern erlebe ich eine grosse Herausforderung und Wertschätzung meiner Arbeit. Müssen Sie bei den Nachproben auch mal selber degustieren?

Natürlich degustiere ich das Bier regelmässig, aber natürlich in kleinen Massen. Das heisst, es braucht einen kleinen Schluck, um zu überprüfen, ob die Qualität stimmt und das Bier ohne Bedenken frei zum Konsument gehen kann. Für das werden wir auch immer wieder geschult. Ausspucken des Biers geht natürlich auch immer (lacht). Können Sie sich vorstellen, mit etwas ganz anderem Ihr Brot zu verdienen statt mit Bierbrauen?

Nein, eigentlich nicht, denn ich habe mein Herz an das Bier verloren und liebe meinen Beruf.

Hält man diese Welt überhaupt aus ohne Bier?

Ich zumindest gar nicht, denn dann hätte ich keinen Job mehr (lacht). Sich eine Welt ohne Bier vorzustellen, ist nicht ganz einfach – angesichts dessen, dass Bier längst in unsere Kultur eingegangen ist. Den ältesten Braubetrieb gab es vor 13’000 Jahren. Das älteste überlieferte Bierrezept ist über 5000 Jahre alt. Gehört ein Rausch einfach dazu, um dieses Leben hier auf Erden besser ertragen zu können?

Für mich nicht. Für den Rausch ist schliesslich ein jeder selber verantwortlich (lacht). Bier entspannt, macht gelassen, gesellig und friedlich. In diesem Sinn hat Bier auch eine gesellschaftliche

«Mit dem heutigen Zeitgeist und der Vielfalt der Biere ist Bier auch zum Frauengetränk geworden.» «Heutzutage geht man nach der Arbeit schnell nach Hause und trinkt das Feierabendbier dort.» «Die Einsiedler sind ein geselliges Volk. Für mich gehören zur Geselligkeit ein, zwei Biere dazu.» «Wir verraten kein Bierrezept. Nichts wird ausgeplaudert. Das ist ein Kodex innerhalb der Bierbranche .» Den ältesten Braubetrieb gab es vor 13 000 Jahren. Das älteste überlieferte Bierrezept ist über 5000 Jahre alt.»

Ihr Herzblut gilt dem Gerstensaft: Die 21-jährige Céline Schönbächler braut Bier vom Feinsten und mit Ausdauer. Foto: Magnus Leibundgut

Share
LATEST NEWS