Streit um Bauern oder Raufusshuhn
Rothenthurm drängt bei der Neuerstellung der Starkstromleitungen auf eine Linie, die den Bauernhöfen nicht zu nahe käme.
JÜRG AUF DER MAUR
Seit Jahren schwelt in Rothenthurm ein Streit um die künftige Linienführung der Übertragungsleitungen. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) wollen die Masten und Drähte zwischen Steinen und dem Etzelwerk auf den neuesten Stand bringen. Umstritten bleiben jetzt noch einige Hundert Meter auf dem Gemeindegebiet in Rothenthurm. Hier konnte noch keine Lösung gefunden werden.
Jetzt stehen die Zeichen auf Sturm, wie Gemeindepräsident Stefan Beeler jüngst an der Gemeindeversammlung einmal mehr klarmachte. Die Gemeinde und die betroffenen Anwohner im Gebiet Biberegg fordern mit Nachdruck, dass die neue Linie deutlich nach Osten verschoben wird.
Auf Bauernanliegen gar nicht eingegangen
Ein entsprechender Antrag der Bauernvereinigung des Kantons Schwyz, den Korridor für die neue Stromverbindung weiter östlich zu verlegen, wurde von den SBB bis jetzt nicht akzeptiert. «Wir mussten feststellen, dass alle Argumente und der Hinweis, dass die Bauernfamilien der Linienführung nicht zustimmen werden, von den Amtsstellen ohne weitere Abklärung abgewiesen wurden», halten denn auch Bauernvereinigungs- Präsident Albin Fuchs und Sekretär Franz Philipp fest.
Das entsprechende Schreiben, datiert bereits vom November 2018, hält die bäuerliche Befindlichkeit nach einer Begehung aller Beteiligten fest. Nicht nur diese Sitzung, auch die Vernehmlassung sei eine «reine Alibiübung » gewesen, «da sich die Behörden nicht einmal die Mühe gemacht haben, die Lösung der Bauernvereinigung, der Grundeigentümer und der Gemeinde Rothenthurm zu prüfen», steht darin. Die betroffenen Bauernfamilien würden dies jedenfalls nicht akzeptieren und sich mit allen Mitteln gegen die vorgesehene Linienführung zur Wehr setzen. Der Grund ist klar: Es geht um den Schutz von Mensch und Vieh, weil durch die neue Leitung auch mehr Strom transportiert und die Immissionen entsprechend grösser würden.
Gemeinderat sieht mehr Nach- als Vorteile Der Gemeinderat stützt die Anliegen der Landwirte. Ein gewichtiger Vorteil der neuen Linienführung sei zwar, dass die Siedlungsgebiete im Dorfzentrum entlastet würden. Als negativ werde angesehen, dass einige Landwirte oder Grundeigentümer deutlich stärker belastet werden. Als grosser Nachteil sei ganz klar festzuhalten, dass der vorgesehene Korridor zu nahe an die Liegenschaften Stolzboden und Halten verschoben werden soll. Auch sei der im «Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung der Schweiz» (Isos) aufgeführte Weiler Biberegg sowie eine rechtskräftige Intensiverholungszone Biberegg vom neuen Korridor sehr stark und in unhaltbarer Weise betroffen.
Der Schweizerische Landschaftsschutz, Mitglied der Begleitgruppe seitens der SBB, stellt sich auf den Standpunkt, dass es keinen Anlass gebe, den vom Bundesrat festgesetzten Korridor zu ändern. Der Leitungskorridor sei extra breiter gefasst worden, um der Streusiedlungslandschaft und dem Weiler Biberegg Rechnung zu tragen. Die östliche Linie würde aber, so die Stiftung Landschaftsschutz, «ein potenzielles Raufusshuhn-Gebiet und auch ein Flachmoor von regionaler Bedeutung» betreffen. Zudem würde man, so Geschäftsleiter Raimund Rodewald, den «intakten Hang des Nüsellstocks zerschneiden ».
Jetzt ist die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission am Zug. Sie muss ein Gutachten verfassen, damit möglicherweise eine neue bewilligungspflichtige Alternative vorgelegt wird. Darauf hoffe der Gemeinderat, wie Präsident Beeler klarstellt. Die neue Variante soll möglichst wenige Menschen und Landwirtschaftsbetriebe tangieren: «Andernfalls sind grosse Opposition und langwierige Gerichtsverfahren zu erwarten.»
Die östlich verlaufende neue Linienführung für die neuen Übertragungsleitungen (blau) wird von der Gemeinde und den Bauern vorgeschlagen. Der Bund beharrt auf dem rot markierten Korridor. Foto: Erhard Gick