«Streif ist so ruhig wie noch nie»
Rolf Kryenbühl und zwei andere Unteriberger stürz(t)en sich die halsbrecherische Abfahrt in Kitzbühel runter – als Vorfahrer
Gleich drei Unteriberger sind dieses Jahr wieder beim Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel dabei. Quasi – denn Rolf Kryenbühl, Martin Bless und Elias Auf der Maur fahren als Vorfahrer auf der Streif. Immerhin. Respekt.
WOLFGANG HOLZ
«Als ich vor zwei Jahren das erste Mal die Streif runtergefahren bin, ist mir schon das Herz in die Hose gerutscht», bekennt Rolf Kryenbühl. Aus einem Jux heraus hat sich der Skirennfahrer damals beim Skiclub Kitzbühel spontan als Vorfahrer beworben, nachdem er im Fernsehen ein Interview mit einem Vorfahrer gesehen hatte. «Das kann ich auch», dachte sich damals der ältere Bruder des inzwischen schon fast legendären Urs Kryenbühl – der ja vor Kurzem fast seine erste Weltcup-Abfahrt in Bormio gewonnen hat. Leider hat sich Urs dann bekanntlich beim Training zur Lauberhorn-Abfahrt so am Fuss verletzt, dass er die nächsten Wochen als Rennfahrer passen muss.
Rettet die Familienehre
Jetzt rettet Bruder Rolf Kryenbühl als Vorfahrer die Familienehre, indem er sich als einer von acht Vorfahrern die halsbrecherische Hahnenkamm-Strecke hinunterstürzt. Dabei musste er mit seinen Kollegen aus Unteriberg vor seinem ersten Einsatz 2018 lediglich einen flachen Super- G-Lauf absolvieren – sozusagen als Tauglichkeitstest für die Streif. Dann gings sofort auf die Strecke. Jetzt ist er wieder auf der wohl legendärsten Abfahrtsstrecke mit dabei.
«Wobei noch nicht klar ist, ob ich am Samstag beim Rennen auf der Streif auch tatsächlich fahre», sagt Rolf Kryenbühl am Telefon in Kitzbühel. Doch er kennt die Streif inzwischen ja sowieso fast wie seine Westentasche – ist er sie doch in den vergangenen zwei Jahren bei Trainingsfahrten sowie bei Europacup-Einsätzen insgesamt schon sage und schreibe elf Mal hinuntergebraust. «Auch jetzt für die bevorstehende Abfahrt morgen bin ich schon einmal im Training hinuntergefahren», sagt der tollkühne Unteriberger – der dieses Mal mit Martin Bless und Elias Auf der Maur nach «Kitz» angereist ist. Kaum zu glauben, dass man als Amateursportler einfach so die Möglichkeit bekommt, so als Vorfahrer den Profis den Weg zu weisen. Und das Ganze auch noch heil überlebt – wenn man überlegt, welche furchtbaren Stürze Vollprofis wie der Österreicher Hans Grugger und der Schweizer Daniel Albrecht erlebten. Und vielen Skifans ist sicher auch noch in guter Erinnerung, mit welchem Respekt einst der absolute Super-Skistar Ingemar Stenmark in der «Touristenhocke » die Streif ein einziges Mal in seinem Leben hinuntereierte – nur um wertvolle Kombinationspunkte für den Gesamtweltcup zu ergattern.
Noch nie gestürzt
«Wir stürzen erstens natürlich nicht in der Wettkampfhocke die Streif runter», relativiert Rolf Kryenbühl, der in seiner persönlichen Skikarriere vor allem als Junior unterwegs war und nur ein, zwei FIS-Rennen bestritten hatte – wohlgemerkt im Slalom und im Riesenslalom. Er sei dennoch bisher nie als Vorfahrer auf der Streif gestürzt – «weil wir zweitens eine viel weitere Linie als die Profis fahren. Drittens machen wir natürlich keine so weiten Sprünge. Und viertens bauen wir hier und da auf der Strecke so einen kleinen Drifter ein», sagts und grinst.
Am Ende seien er und seine Kameraden – quasi die drei Unteriberger Musketiere auf Skiern – so rund 10 bis 15 Sekunden langsamer als die Profis auf der 3,3 Kilometer langen Strecke unterwegs, die teilweise ein Gefälle von bis zu 85 Prozent aufweist und über die man an manchen Stellen übers blanke Eis fährt. Harakiri pur, also. Auch in verlangsamtem Tempo. «Wir müssen schon auch ein bisschen Gas geben – es funktioniert nicht, die Streif bloss halbpatzig runterzufahren», versichert Kryenbühl.
Dieses Jahr nicht so viele Schläge Aber warum brauchts eigentlich überhaupt noch heutzutage Vorfahrer – die Profis kennen die Streif ja auswendig und fahren sowieso eine ganz andere Kampflinie als die Vorfahrer? «Wir Vorfahrer sind auch unterwegs als visuelle Information für die Organisatoren», erklärt Kryenbühl. Nach dem Motto: Stimmen die Sprünge. Funktioniert die Zeitmessung.
«Auch die Kameraleute können noch Einstellungen ausprobieren und korrigieren, wenn wir an ihnen vorbeifahren», sagt der Unteriberger. «Als wir dieses Mal bei einer Trainingsfahrt über einen Buckel an der Hausbergkante ziemlich weit gesprungen sind, rückten die Organisatoren gleich mit dem Pistenbully an und haben die Stelle entschärft. » Laut Kryenbühl ist die Streif in diesem Jahr übrigens «so ruhig wie noch nie». Klar, gebe es auch jetzt viele Schläge auf der Strecke – aber zum Beispiel sei die Traverse vor dem Zielhang im Unterschied zu den Vorjahren dieses Mal «richtig schön» zu fahren. «In den letzten Jahren war es in dieser Passage immer so ruppig, dass uns fast die Skispitzen um die Ohren geflogen sind.» Wenn er dann ins Ziel komme, mit sauren Muskeln und völlig erschöpft, sei es ein unglaubliches Feeling: «Denn das Publikum beklatscht jeden, der ins Ziel kommt», sagt er und grinst.
Auftanken in «Energy-Station»
Energie tanken für den nächsten Höllenritt auf der Streif können die drei Unteriberger dann wieder in der «Energy-Station», oben am Start – eine Art Athleten-Imbiss. «Im ersten Stock haben nur wir und die Profis Zutritt.» Und da treffe man dann auch mal auf einen Beat Feuz. «Mehr als ein Guten Morgen sagt man aber nicht – man will die Profis ja in ihrer Vorbereitung nicht stören.» Lift, Bad und Hotel gratis Um sich zwischendurch von den Strapazen der Streif zu erholen, fahren sie einfach ein bisschen Ski im Skigebiet oder gehen ins Thermalbad – alles natürlich gratis. Im Fünf-Sterne-Hotel logieren die Jungs zwar nicht, aber sie sind mit ihrer Unterkunft in der Pension Johanna während ihrer Kitz-Woche durchaus zufrieden.
«Wir erhalten auch Kilometergeld für die Anfahrt und sogar einen Lohn – 100 Franken pro Tag.» Am Samstag nach dem Rennen würden dann alle Vorfahrer – vier Österreicher, ein Deutscher, und die drei Unteriberger – zum Abschluss gemeinsam in den Ausgang gehen. «Wir haben es lässig miteinander.»
«Das Publikum beklatscht jeden, der ins Ziel kommt.»
Rolf Kryenbühl, Vorfahrer
Im Skikeller schleifen die drei Unteriberger die letzten Kanten fürs blanke Eis auf der Streif (von links): Elias Auf der Maur, Martin Bless und Rolf Kryenbühl.
Foto: zvg