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«Silere non possum»

«Silere non possum» «Silere non possum»

ZWISCHENLUEGETEN 3

ERNST FRIEDLI

Früher hatten wir nur einen. Seit ein paar Jahren sind es zwei. Im Vatikan wohnen ein Papst im Amt und einer in Pension. Das ging lange Zeit recht gut, ist aber momentan nicht unproblematisch. Die beiden sind bezüglich Zölibatspflicht nämlich nicht gleicher Meinung. Alt Papst Benedikt (93) ist der schriftlichen Überzeugung, dass der Zölibat bleiben muss, während der zehn Jahre jüngere Papst Franziskus (83) da noch nicht so sicher ist.

Laut Benedikt heiratet ein Priester die Kirche, was eine weitere Heirat ausschliesst. Franziskus denkt da offenbar etwas anders. Vor dem Hintergrund der göttlichen Vorsehung und unter dem Bild des Papstes als Stellvertreter Gottes ergibt sich damit für Klärli und mich eine ungewohnt gespannte Situation. Welcher Meinung ist nun eigentlich der liebe Gott? Neigt er eher zu Benedikt oder hat er sich für Franziskus entschieden? Hat er sich selber vielleicht noch gar nicht entschieden? Möchte er die Gläubigen erst durch die Zölibats-Diskussion zwischen seinen Stellvertretern auf den rechten Weg bringen? Weiss er schon lange, wie die Antwort lauten wird? Lässt er dem Vatikan grosszügig einfach etwas Zeit, die richtige Lösung zu finden? Bringt er sich in irgendeiner Form selber in das Gespräch ein, oder vertraut er auf die Kurie und die bestehenden Zusammenhänge? Fragen über Fragen.

Unsere Meinung ist im Vatikan zwar nicht wirklich gefragt. Aber Klärli und ich meinen, dass man auch verheiratet gottgefällig leben kann.

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Ernst Friedli, 64, seit 31 Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und nimmt an, dass Stellvertreter jemanden stellvertreten.

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