Veröffentlicht am

In der Weltspitze angekommen

In der Weltspitze angekommen In der Weltspitze angekommen

Sensationeller zweiter Abfahrtsrang des 25-jährigen Unteribergers Urs Kryenbühl in Bormio

In seiner Heimat sind nach seinem Super-Erfolg alle aus dem Häuschen: B-Kaderfahrer Urs Kryenbühl aus Unteriberg hat am Samstag in Bormio auf der «Stelvio» mit Rang zwei den Durchbruch in die Weltspitze in der Abfahrt auf wundersame Weise geschafft.

KONRAD SCHULER

«Besser fahren geht eigentlich nicht», lautet das Fazit von Urs Kryenbühl gestern Morgen. «In den letzten Monaten und Jahren habe ich mir immer wieder vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn ich mal so weit vorne klassiert wäre. Irgendwie kommt mir nun das Ganze unrealistisch vor. Es war für mich am Samstag fast wie ein Schock. Nun, am Montagmorgen stelle ich fest, dass sich ja eigentlich nichts verändert hat. Ich bin wieder zu Hause, ich bin der gleiche Urs Kryenbühl wie vorher», sinnierte er. Die bisherigen Bestergebnisse von Urs Kryenbühl in Weltcup- Abfahrten waren je ein 21. Rang in Garmisch-Partenkirchen vom 28. Januar 2017 und Bormio vom 28. Dezember 2017. Sein Weltcup-Bestergebnis war der 20. Rang im Super-G von Kvitfjell vom 26. Februar 2017. Bis zum letzten Freitag hatte der Unteriberger 16-mal Punkte ergattert. Zwölfmal fuhr er in der Abfahrt in die Punkte, viermal im Super-G.

Nachdem er in Beaver Creek im Super-G noch Anfang Dezember als erster Überzähliger bei Swiss-Ski unverständlicherweise keinen Startplatz erhielt, war die Welt für Urs Kryenbühl zu Recht nicht mehr ganz in Ordnung. Am Montagmorgen nun sah diese Welt ganz anders aus: «In den letzten zwei Wochen hat es das Universum gut gemeint mit mir.» Er pulverisierte am Freitag in der verkürzten Ersatzabfahrt von Val Gardena auf der «Stelvio» in Bormio sein Bestergebnis zuerst auf Rang 13 und in der eigentlichen Bormio-Abfahrt am Samstag auf sensationelle Art und Weise auf Rang zwei. Dazu kam am Sonntag ein 22. Rang in der alpinen Kombination mit einem feinen fünften Rang im Super-G, dem ersten Teil dieser Kombination.

Im Training angedeutet In den Trainings der letzten drei Wochen zeigte Urs Kryenbühl mehrere Male vielversprechende Fahrten. Auf der «Stelvio» realisierte er am Donnerstag im einzigen Training als zweitbester Schweizer die neuntbeste Zeit mit nur 0,63 Sekunden Rückstand auf den Trainingsschnellsten.

Am Freitag verlor er in der verkürzten Ersatzabfahrt wie häufig in den letzten drei Jahren gegen zwei Sekunden auf den Sieger. Dominik Paris fuhr 1,82 Sekunden schneller. Beat Feuz wurde Zweiter. Urs Kryenbühl gelang eine meisterliche Fahrt und platzierte sich als 13. und zweitschnellster Schweizer erstmals in den Top-15.

«Ich hatte das Gefühl, das Maximum herausgeholt zu haben. Entscheidend war und ist auf der Stelvio, die Skier laufen zu lassen und eine gute Linie zu finden. Es nützt auf dieser Strecke nichts, sich an eine Linie festzuklammern, es ist auch nicht wichtig, ob du da oder dort ein oder zwei Meter mehr rechts oder links fährst», analysierte er am Montagmorgen bei sich zu Hause. Gestartet war der Unteriberger noch mit der Startnummer 43.

Sensationelle Fahrt am Samstag

Aufgrund des tollen Ergebnisses am Freitag durfte er am Samstag mit der Startnummer 25 an die schwierige Aufgabe herangehen. Seine Zwischenzeiten sorgten im Ziel und bei den Fernsehkommentatoren für viel Aufregung, leuchtete doch bei der dritten, vierten und fünften Zwischenzeit grün auf. «Viel Entschlossenheit bei Urs Kryenbühl – weiter Flug, das ist immer gut. Er sticht schön von oben her runter. Das gibt ein Bombenergebnis. Sensationell. Das ist sagenhaft», so tönten die begeisterten Kommentare während der Fahrt des Unteribergers.

Im Ziel leuchtete dann die Zahl 2 auf. Urs Kryenbühl hatte es geschafft, die besten Abfahrtscracks wie Dominik Paris und Beat Feuz ins Zittern zu bringen! Er suchte im Ziel erst seine Familie und begann dann bescheiden zu jubeln. So richtig begriffen hatte er noch nicht, was da soeben passiert war.

«Ich habe wie am Freitag wiederum das Maximum herausgeholt, es stimmte alles, es ist alles aufgegangen. Ich bin selber fast erschrocken, wie hoch ich aus der Kurve rauskam, und hatte das Gefühl, dass ich sehr schnell bin», äusserte er sich am Montagmorgen zu seinem Husarenritt.

Es sei speziell gewesen, so mit den beiden Topcracks auf dem Podium zu stehen. Es sei einfach alles etwas neu gewesen. «Es war sehr schön und cool», so Kryenbühl. So ganz habe er es noch immer nicht realisiert. «Ich habe in letzter Zeit wohl in allen Belangen Fortschritte erzielt: im mentalen Bereich, bei der Technik, bezüglich Kraft und auch Material», suchte er gestern nach einer Erklärung.

Von 43 bald in den Top 20? Zugegen waren am Freitag und Samstag seine Eltern Erwin und Irene, seine Freundin Nadine Marty, seine Grosseltern Ernst und Hedy Gyr sowie mit Kurt und Erna Marty treue Wegbegleiter und Fans von Urs Kryenbühl. «Am Freitag kam er nach dem Rennen noch zu uns auf die Tribüne, am Samstag verschwand er nach dem riesigen Medienrummel im Zielraum. Wir sahen ihn erst beim Abschiednehmen im Hotel wieder», beschrieb gestern sein Vater Erwin die Situation.

«Vielleicht schaffe ich den Sprung gar zu den Athleten unter den besten 20. Das würde heissen, dass ich bei der Auslosung der Nummern 2 bis 20 dabei wäre», schaut Urs Kryenbühl in die Zukunft. Es komme auf einen Fahrer an, ob der sich beim nächsten Start zurückmelde im Weltcup oder nicht. Diese Startnummerngeschichte zeigt am besten auf, was ihm am Freitag und Samstag gelungen ist.

Super-G sehr wichtig

Ins gleiche Kapitel gehört sein Start in der alpinen Kombination vom Sonntag, der eigentlich gar nicht vorgesehen war. Urs Kryenbühl erzielte Rang 22 und holte sogar Kombinations-Weltcup- Punkte.

«Das Ziel war ganz klar, im Super- G meine Fis-Punkte zu verbessern, damit ich künftig auch im Super-G weiter vorne starten kann», so Kryenbühl. Bis jetzt musste er mit einer Nummer zwischen 50 und 60 vorliebnehmen. Mit dem fünften Rang im Kombinations-Super-G erreichte er dieses wichtige Ziel bestens. Künftig dürfte er wohl mit einer Nummer zwischen 31 und 35 fahren können. Es gelang ihm also auch am Sonntag ein gewaltiger Schritt nach vorne in seiner zweitbesten Disziplin. «Ich musste meinen Slalom ins Ziel bringen, damit diese FIS-Punkte verbessert werden konnten und in die neue Wertung einfliessen », zeigte er auch die Wichtigkeit des Slaloms auf, in dem er als 25. nicht weniger als 6,17 Sekunden auf die Bestzeit verlor. «In den letzten zehn Toren habe ich drei Sekunden verloren, ich war völlig platt, aber ich wusste, wie wichtig das Beenden des Slaloms war», hielt er gestern fest.

«Nicht mehr pendeln» Er realisiere nun Schritt für Schritt, was passiert sei. Er habe schon lange das Gefühl gehabt, dass nun etwas kommen müsse. Künftig werde die Erwartungshaltung vor allem von den Medien eine andere sein. Direkte Vorteile seines Erfolgswochenendes sieht er vor allem darin, dass er nun ganz andere Voraussetzungen in Abfahrt und Super-G habe dank viel früherer Startnummern.

Ein weiterer Vorteil sei, dass er nun wohl die sichere Startberechtigung in den Weltcup- Speedrennen habe. Er müsse nun nicht mehr pendeln zwischen Europacup- und Weltcupeinsätzen. «Ich kann mich besser, ruhiger und länger erholen zwischen den Renneinsätzen und habe weniger Rennen zu bestreiten.» Eine direkte Auswirkung sei, dass er in der nächsten Saison vom B-Kaderstatus in die Nationalmannschaft aufsteige. Im Gegenzug sei er nun verpflichtet, der Antidopingagentur das ganze Jahr über mitzuteilen, wo er sich aufhalte.

Weltcupfinal als Ziel Er wolle versuchen, nun in den Speedrennen möglichst kontinuierlich zu punkten. Weitere Podestränge würde er gerne nehmen, dürfe man aber nicht erwarten. In die Top-15 möchte er aber schon wieder hie und da noch in dieser Saison fahren.

«Das Ziel ist die Teilnahme am Weltcup-Final nach Mitte März in Cortina d’Ampezzo. Nur die besten 25 Fahrer können dort pro Disziplin starten. Dafür sind aber in beiden Speeddisziplinen kontinuierlich Punkte nötig », so Kryenbühl zum Ausblick in die Monate Januar bis März. Das nächste Rennen werde wohl die Lauberhorn-Abfahrt vom 18. Januar sein.

«In den letzten zwei Wochen hat es das Universum gut gemeint mit mir.»

Urs Kryenbühl

«Am Freitag kam er nach dem Rennen noch zu uns auf die Tribüne, am Samstag verschwand er nach dem riesigen Medienrummel im Zielraum.»

Vater Erwin Kryenbühl

Foto: Konrad Schuler

Share
LATEST NEWS