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Feiere lieber hier auf dem Bahngleis!

Feiere lieber hier auf dem Bahngleis! Feiere lieber hier auf dem Bahngleis!

Weihnachts-Erzählabend mit Moritz Kälin im «Diorama»

Das «Diorama» mit seiner riesengrossen Krippe ist der ideale Ort, um Geschichten und Gedichte zu Weihnachten zu lesen – und zu erleben. Von Moritz Kälin erwartete man keine «lieben Geschichten », hintergründig mit einer Prise Humor kamen sie daher.

PAUL JUD

Ganz ruhig stand es am letzten Donnerstagabend da und leuchtete in die Nacht: das Einsiedler «Diorama», die grösste Weihnachtskrippe. Und auch drinnen war es ruhig – eigentlich, wie es an Weihnachten sein sollte. Hektik suchte man vergeblich, man setzte sich im gedimmten Raum auf Stühle mit Blick aufs Erzählertischchen und die beleuchtete Krippe. Um Erfrierungen vorzubeugen, lagen wärmende Decken bereit, also Behaglichkeit beim Zuhören garantierend.

Pedro Lenz übersetzt Jutta Caduff begrüsste alle ganz herzlich zum zweiten Geschichtenabend im «Diorama». Sie meinte, dass sie daraus eine Tradition machen möchte. Sie freue sich auch, dass alle Stühle besetzt seien. Eine halbe Stunde vor Beginn habe sie noch gezweifelt. Und zum Abend selber meinte sie: «Es passt ganz einfach in diese Zeit.» Moritz «Möri» Kälin stieg in den Abend ein mit einem den Sinn von Weihnachten aufzeigenden Gedicht von Ernst Burn: Alles ist bereit, da muss man loslassen.

Zu grosser Form lief «Möri» dann mit einer Weihnachtsgeschichte von Pedro Lenz auf. In dieser Dialektgeschichte kam seine Schauspielkunst zur Geltung, Mimik und Gestik, auch Kunstpausen liessen die Geschichte zu einem Ereignis werden. Fast niemandem fiel auf, dass er die Geschichte von einem Mann im Wartehäuschen zwischen Gleis 2 und 3, vom Berndeutschen ins Einsiedlerdeutsch «übersetzte». Wer da wohin will mit dem Zug, ja keinen verpassen will, obwohl jede halbe Stunde einer kommt. Hektik pur, zu der der Mann im Häuschen meint: «Ich feiere lieber auf dem Bahngleis!» Gedichte von Ringelnatz sorgten für den nötigen Kontrast. Und dann wieder Pedro Lenz mit einer Geschichte, wo sich ein Mann und eine Frau treffen und merken, dass sie sich seit der Jugendzeit kennen. Er ist heruntergekommen und ihr ist es peinlich mit dem da ins Gespräch zu kommen. Und dann nimmt die Geschichte Fahrt auf mit einem Weihnachtsspiel aus der Schulzeit. Die Erinnerung setzt ein, macht die schräge Inszenierung zu etwas Besonderem. Bitter-süss mit Lachern unsererseits.

Lienerts Gedichte und eine Geschichte von Beat Sterchi rundeten den Abend ab. Und auch diese dritte Geschichte war keine gewöhnliche, warme Geschichte. Nur die Erkenntnis daraus: «Schweizer können gut zuhören!» stimmte versöhnlich, liess einen im Wohlgefühl zurück.

Mit einem Glas Wein und Weihnachtsguetsli klang der etwas spezielle Erzählabend aus. Er liess einen etwas nachdenklich zurück.

Moritz «Möri» Kälin unterhielt auf witzige, aber auch auf nachdenklich machende Art.

Foto: Paul Jud

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