Anders sein ist angesagt
Zahlreiche Einsiedler diskutieren beim Herbstanlass über neue Detailhandelsstrategien und Erfolgsrezepte
Immer mehr Leute kaufen im Internet ein. Das bekommen auch Detaillisten in Einsiedeln zu spüren. Was können sie dagegen tun, und wie kann man den Detailhandel im Klosterdorf stärken? Fragen, die beim Herbstanlass des Bezirks im Bären eifrig diskutiert wurden.
WOLFGANG HOLZ
«In Einsiedeln kann man in auffällig vielen Beizen rauchen – hält das womöglich Auswärtige ab, zu uns ins Klosterdorf zu kommen?» Zweifellos eine sehr spezielle Frage, die am Dienstagabend im vollen Saal des «Bären » ein Diskussionsteilnehmer in die Runde warf.
Tatsächlich ist man als Nicht-Einsiedler überrascht, wie viele Raucherlokale es hier gibt. Aber ob sich dies wirklich umsatzschädigend für den Einsiedler Detailhandel in puncto Kundenattraktivität auswirkt? Wohl kaum.
Herbstanlass gut besucht
Eine konkrete Antwort auf dieses Rauchzeichen blieb zwar aus am vierten Einsiedler Herbstanlass, zu dem der Bezirk zum Thema Strukturwandel im Detailhandel eingeladen hatte. Die Frage unterstrich indes, wie engagiert und kreativ die zahlreich gekommenen Besucher mit dem Thema umgingen. Der Detailhandel und die zunehmende Gefahr durch den Onlinehandel scheint viele zu beschäftigen – so viele, dass im «Bären» erstmal die Stühle gerückt werden mussten, damit auch alle Besucher Platz fanden.
In seiner Einführungsrede versprach Bezirksammann Franz Pirker denn gleich, dass die Politik nicht untätig bleiben wolle, wenn es darum gehe, «die Attraktivität Einsiedelns zu steigern ». Der Bezirk wolle sich in diesem Sinne auch nochmals dafür einsetzen, um den Dorfplatz durchzubringen. «Die Politik muss schliesslich die Rahmenbedingungen für einen prosperierenden Handel und Tourismus setzen.» Wobei Pirker zu Recht anmerkte, dass der Detailhandel in Einsiedeln schon «einen Haufen Möglichkeiten besitzt: Weil wir das Kloster haben – das ist ein grosser Vorteil, über den andere nicht verfügen». Besser langfristig operieren
Doch wie geht es den Einsiedler Detaillisten denn wirklich im real existierenden Kampf gegen die Online-Konkurrenz und gegen kritischer gewordene Kunden? Fünf Teilnehmende des Detaillistenvereins brachten interessante Strategien auf den Tisch – Strategien, die klar machten: Nur gegen den Einkauf im Internet zu lamentieren, bringt nichts.
Heiri Kälin junior, Geschäftsführer der Walhalla Delikatessen AG, erklärte, dass sein Geheimrezept auf «Langfristigkeit» gründe. Sprich: Von den eigenen Mitarbeitern über die Kundenbeziehungen bis zur Aufrichtigkeit im Service und in der Produktion – er setzt auf den langen Atem. «Und wir müssen eben aktiv und auf allen Ebenen tätig sein.» Man benötige heutzutage als Detaillist doppelt so viel Umsatz für die gleiche Wertschöpfung.
Corinne Gremaud, Mitinhaberin der Apotheke Drogerie Hensler & Merz AG, sowie Marcel Kälin, Geschäftsführer der Optik Z. Kälin AG, verrieten in ihren kurzen Statements, dass sie angesichts der Konkurrenz im Internet selbst parallel zu ihren Geschäften einen Online-Handel aufgebaut haben, um Kunden im Netz abzuholen und schnell zu beliefern. «Andererseits braucht es als Fachgeschäft auch eine klare Abgrenzung gegenüber Filialisten und Discountern », so Kälin.
Fast eine Liebeserklärung an den Detailhandels-Standort Einsiedeln machte Stefan Hänggi, Geschäftsführer Twenty Four, der in der Hauptstrasse Sportbekleidung verkauft. «Zum einen sind die Mieten in Einsiedeln noch erschwinglich », schwärmte Hänggi. Und wenn man ortsbezogene Kunden im Klosterdorf stets korrekt und ehrlich bediene, «kann man in Einsiedeln genauso viel Umsatz machen wie in einer Grossstadt – Einsiedeln ist noch heile Welt und sehr, sehr, sehr positiv». Anderseits machte er seinen überraschten Zuhörern klar, dass der Detailhändler sich heutzutage klar positionieren und deutlich von Mitbewerbern und dem Onlinehandel abheben müsse. «Man muss einfach anders sein», so Hänggi. Er setze dieses Konzept so um, dass er beispielsweise andere Marken anbiete als andere.
Hauptstrasse im Fokus Raffael Schefer, Geschäftsführer der gleichnamigen Bäckerei und Konditorei, mahnte an, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis für den Kunden stimmen müsse. Er forderte aber auch von der öffentlichen Hand mehr strukturelle Veränderungen, um den Kunden vor Ort in Einsiedeln den Einkauf bequemer zu gestalten. Stichwort: mehr Parkplätze an der Hauptstrasse. Stichwort: breitere Trottoirs entlang der Hauptstrasse für mehr familienfreundliches Einkaufen. «Es braucht mehr detailhandelsfreundliche Zonen in Einsiedeln – und ich hoffe nicht, dass es diese künftig nur noch an der Zürichstrasse gibt», so Schefer, der zusammen mit Heiri Kälin dem Einsiedler Detaillistenverein vorsteht.
Apropos Hauptstrasse. In der Workshop-Runde scheint die Frage der Aufwertung der zentralen Lebensader durchs Klosterdorf den meisten Teilnehmern wichtig. Die einen forderten, man müsse das Einkaufsdorfzentrum auf die Schwanen-, Schmiedenund Eisenbahnstrasse noch ausweiten. Andere glauben, mehr Kunden ins Dorf locken zu können, indem man die Aufenthaltsqualität durch mehr Begegnungszonen und Plätze verbessere. Nicht zuletzt müsse die Politik sich weiter um ein attraktives Bahnhofsareal kümmern.
Wie viel Verkehr soll sein?
Ein neuralgischer Punkt in Einsiedeln, nicht nur in Sachen Detailhandel, scheint auch die Frage: Wie viel Verkehr wollen wir in Zukunft im Zentrum? Einerseits soll der Bezirk nämlich ermöglichen, «dass der Verkehr überhaupt noch ins Zentrum kommt und dass ein verkehrsfreundlicheres Baustellenreglement eingeführt wird», wie eine Diskussionsteilnehmerin kritisierte. Andererseits soll es mehr Verkehrsberuhigung im Zentrum geben mit teils strassenniveaugleichen Zonen für Fussgänger.
«Die Vorstellungen für neue Detailhandelskonzepte in Einsiedeln gehen teilweise noch völlig auseinander», resümierte Raffael Schefer. Grund dafür sei, dass eben oftmals jeder nur an seinen eigenen Nutzen denke. «Deshalb brauchen wir dringend einen Gesamtplan.» Am Anfang steht der Kunde
Welche Aspekte in so einen Generalplan Eingang finden könnten, schilderte Walter Schenkel am Dienstagabend in einem speziellen Vortrag zum Thema Strukturwandel im Einzelhandel. Schenkel ist als Projektmanager in Programmen zu urbanen Entwicklungen tätig. Er ist seit zehn Jahren Geschäftsführer der Metropolitankonferenz Zürich, der acht Kantone angehören. Seine zentrale Botschaft lautete: Zurück zu den Wurzeln. Nach dem Motto quasi: Am Anfang steht der Kunde.
Das würde unter anderem bedingen, so Schenkel, dass sich der Detailhandel und die öffentliche Hand stärker über Konzepte austauschen müssten. Das könnte für Detaillisten aber auch bedeuten, dass sie ihre heutigen Handelsformate ändern müssten – «denn der Online- Handel nimmt kontinuierlich zu, und viele Leute haben sich an die Bequemlichkeit des Handys gewöhnt.» Stichwort: Digitale Erlebniswelten. Andererseits seien auch «Mischformen» von Alltag und Erlebnis möglich – je nach örtlicher Situation.
Ladenöffnungszeiten Für erfolgreiche Zentrumsplanungen seien generell auch die Grundeigentümer ins Boot zu holen und zu versuchen, bei den Ladenöffnungszeiten für mehr Einheitlichkeit zu sorgen. Schenkel: «Es muss gleich lange Spiesse für alle geben. Es kann nicht sein, dass man am Bahnhof bis um zehn Uhr einkaufen kann, im Zentrum dagegen früher Schluss ist.» Nicht zuletzt müsste man ein Verkehrskonzept ausarbeiten.
«Wir haben das Kloster – das ist ein grosser Vorteil.»
Franz Pirker, Bezirksammann
«Man kann in Einsiedeln genauso viel Umsatz machen wie in einer Grossstadt.»
Stefan Hänggi, Twenty Four
Am Anfang steht der Kunde: Walter Schenkel von der Metropolitankonferenz Zürich hielt einen interessanten Vortrag.
Der Bezirk will mithelfen, die Attraktivität des Detailstandorts Einsiedeln zu verbessern: Bezirksammann Franz Pirker bei seiner Einführung zum Thema Strukturwandel im Handel. Fotos: Wolfgang Holz