Baueinsprache abschaffen?
Ausserordentliche Sitzung des Schwyzer Kantonsrates, Mittwoch 23. Oktober 2019
Der Regierungsrat muss prüfen, ob das Baubewilligungsverfahren verbessert werden kann – zum Beispiel, ob willkürliche und böswillige Baueinsprachen verunmöglicht werden können.
KLAUS KORNER
Die Oktobersession beginnt mit der geplanten Busdrehscheibe am Bahnhof Arth-Goldau. Wie
René Baggenstoss
(FDP/Ingenbohl) ausführt, handelt es sich um die logische Ergänzung zum Neat-Bahnhof. Die Investitionssumme beträgt 18,2 Millionen Franken, der Kantonsbeitrag 7,2 Millionen Franken. Für
Bruno Hasler
(CVP/Schübelbach) ist das Geschäft unbestritten. Hingegen vermisst
Elsbeth Anderegg (SP/Altendorf) eine Veloanlage. Thomas Hänggi
(SVP/Feusisberg) betont die verbesserte Behindertengerechtigkeit. Finanziell wird aus dem Vollen geschöpft. Für
Adrian Dummermuth
(CVP/Arth) handelt es sich um die wichtigste öV-Drehscheibe des Kantons.
Ruedi Bopp
(GLP/Einsiedeln) begrüsst das Vorhaben, vermisst aber auch den mangelnden Platz für Velos.
Regierungsrat
Othmar Reichmuth
dankt der Gemeinde Arth für die ausgezeichnete Arbeit. Zustimmung ist mit 96:0 unbestritten.
Planungsund Baugesetz
Weil gewisse Punkte im Planungs- und Baugesetz nicht dem Bundesgesetz entsprechen, besteht aktuell ein Einzonungsstopp. Es geht vor allem um die Mehrwertabgabe, die bei Einzonungen fällig wird. Der vorgeschlagene Pauschalabzug wurde nicht akzeptiert. Nur Gemeinwesen werden in Zukunft von der Abgabe entlastet. Die Abgabe ist auch im Zeitpunkt der Einzonung zu leisten und nicht in Etappen. Soweit die Ausführungen von
René Baggenstoss (FDP/Ingenbohl). Markus Vogler
(CVP/Illgau) möchte nicht nur Gemeinwesen, sondern alle gemeinnützigen Institutionen von der Abgabe entlasten.
Markus Feusi
(SVP/Wollerau) ist von der Abgabe nicht begeistert. Regierungsrat
Andreas Barraud
bestätigt, dass mit der heutigen Zustimmung der Bund das Einzonungsverbot aufhebt. In der Detailberatung wird gestritten, ob die Mehrwertabgabe auf die Mieter überwälzt wird oder nicht. Die Anpassungen ans eidgenössische Raumplanungsrecht werden mit 83:15
beschlossen.
Das Verfahren erleichtern Roger Brändli
(CVP/Reichenburg) erläutert, dass jetzt jene Punkte behandelt werden, welche die Baubewilligungsverfahren erleichtern. So soll die Bauherrschaft in Zukunft umgehend orientiert werden, wenn die Behörde feststellt, dass dem Vorhaben Hindernisse entgegenstehen, die sich nicht mit Auflagen oder Bedingungen beheben lassen. Alle Fraktionen stimmen zu. Das Anliegen wird als Postulat weiterbehandelt.
Abschaffung der Baueinsprache
Im nächsten Vorstoss verlangt
Roger Brändli
(CVP/Reichenburg) die Abschaffung der Baueinsprache. Die Rechte der Nachbarn bleiben gewährt. Sie können gegen unrechtmässig erteilte Baubewilligungen weiterhin Beschwerde einreichen. Leider hat die Regierung den Vorstoss nicht ganz verstanden.
Andreas Marty
(SP/Arth/Einsiedeln) will hingegen das erstinstanzliche Einspracheverfahren beibehalten. Regierungsrat
Andreas Barraud
ist nicht überzeugt, ob mit einem Systemwechsel die Zahl der Einsprachen sinkt. Mit 81:16 wird das Postulat erheblich
erklärt.
Keine automatische Bauverhinderung
Nach geltendem Recht darf mit Bauen erst begonnen werden, wenn die ganze Baubewilligung rechtskräftig ist.
Roger Brändli
(CVP/Reichenburg) will die Möglichkeit eines vorzeitigen Baubeginns schaffen. Die heutige Regelung begünstigt missbräuchliche Einsprachen. Ihn unterstützen
Thomas Hänggi (SVP/Feusisberg) und René Baggenstoss (FDP/Ingenbohl). Regierungsrat Andreas Barraud
will das Thema im Rahmen der normalen Gesetzesrevision bearbeiten und empfiehlt ein Postulat. Der Rat verlangt aber die verbindliche Form einer Motion (78:20) und überweist sie (84:12).
Volle statt angemessene Entschädigung
Nochmals Roger Brändli
(CVP/ Reichenburg): Aussichtslose, trölerische oder mutwillige Verfahren verdienen keinen Rechtsschutz. Deshalb verlangt er, dass in Zukunft die unterliegende Partei die vollen Verfahrenskosten zu bezahlen hat.
Markus Kern (FDP/Schwyz) unterstützt das Anliegen.
Andreas Marty
(SP/Einsiedeln/ Arth) möchte auch eine Entschädigung, wenn man Recht bekommt. Das ist nicht im Sinne der Motionäre, präzisiert
Dominik Blunschy (CVP/Schwyz). Regierungsrat
Andreas Barraud
vermutet Schwierigkeiten bei der Beurteilung, was als trölerisch oder mutwillig zu beurteilen ist. Die Motion wird mit 74:19 trotzdem erheblich erklärt.
CO2-Ausstoss verringern
Bruno Beeler
(CVP/Arth) möchte bestehende Bauten energetisch aufrüsten und ein entsprechendes Anreizsystem entwickeln.
Xaver Schuler
(SVP/ Schwyz) spricht von Panikmache in Sachen Klima. Das Anliegen ist überflüssig, weil sowieso das Energiegesetz revidiert wird.
Peter Dettling
(FDP/ Lauerz) will eine vertiefte Abklärung als Postulat.
Dominik Blunschy
(CVP/Schwyz) höhnt, dass die FDP die Tage nach der Wahl das grüne Mänteli wieder abgibt.
Leo Camenzind
(SP/Ingenbohl) betont, dass jetzt gehandelt werden muss.
Martin Brun
(SVP/ Sattel) plädiert für die Verwendung eigener Produkte.
René Baggenstoss (FDP/Ingenbohl) warnt vor Aktionitis. Für Marcel Föllmi (CVP/Freienbach) macht ein Anreizsystem Sinn. Sandro Patierno
(CVP/Schwyz) will einheimische Ressourcen nutzen und nicht die Saudis finanzieren.
Markus Ming
(GLP/Steinen) ist begeistert: Endlich soll etwas passieren. Leider streikt die Regierung. Für
Alexander Lacher
(SVP/Freienbach) ist der Ölmarkt global. Lokale Massnahmen haben keinen Einfluss.
Regierungsrat
Othmar Reichmuth
informiert, dass die Revision des Energiegesetzes soweit gediehen ist. Das Anliegen wird in ein Postulat umgewandelt und
erheblich erklärt (66:32).
Kantonsbürgerrecht
Insgesamt bewerben sich 62 Personen um das Kantonsbürgerrecht, wie
Robert Gisler
(FDP/Riemenstalden) erläutert. Da keine Einwände geäussert werden, sind sie aufgenommen.
Erbschaftssteuer für Klimaschutz
Thomas Büeler
(SP/Lachen) plädiert für eine kantonale Erbschaftssteuer zugunsten von Klimaschutzmassnahmen. Vor allem reiche Personen führen einen Lebenstil, der viel CO
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produziert. Er betrachtet die Idee als umgekehrter Generationenvertrag.
Andrea Fehr (CVP/Freienbach)
weist darauf hin, dass das Volk zu einer Erbschaftssteuer bereits Nein sagte. Es handelt sich um eine Doppelbesteuerung.
Christian Grätzer
(FDP/Einsiedeln) betrachtet eine Erbschaftssteuer ungeeignet, um Umweltmassnahmen zu finanzieren. Sie kann zu Zwangsverkäufen führen. Auch würde ein Standortvorteil verloren gehen. Natürlich kann sich
Herbert Huwiler
(SVP/Freienbach) für die neue Steuer nicht erwärmen. Dem Klimaschutz dient die Vorlage nicht, erklärt
Rudolf Bopp (GLP/Einsiedeln). Paul Furrer
(SP/Schwyz) schildert eine emissionsfreie Zukunft, die dank einer Erbschaftssteuer zustande kommen soll, was zu einigem Stirnrunzeln im Saal führt. Motion wird mit 80:15
deutlich abgelehnt.
Landwirtschaftliche Grundstücke
An der letzten Sitzung wurde die Neuschätzung landwirtschaftlicher Grundstücke als dringend eingestuft und kommt heute in Behandlung. Es soll die laufende generelle Neuschätzung gestoppt werden. Sie beruht auf der Annahme, dass die Werte aufgrund einer neuen Schätzungsanleitung gestiegen sind, was die Bauern bestreiten.
Albin Fuchs
(CVP/Einsiedeln) betrachtet den Automatismus, bei 20 Prozent höheren Werten eine Neuschätzung vorzunehmen, als falsch; er will sie aus dem kantonalen Gesetz kippen.
Ivo Husi
(FDP/Schwyz) hingegen betrachtet die Rechtssicherheit in Gefahr: die 20-Prozent-Regel kommt zum ersten Mal zum Einsatz und soll gleich wieder gekippt werden.
Andreas Marty
(SP Einsiedeln/Arth) weist auf die Probleme mit der Rechtssicherheit hin, die durch unterschiedlich bewertete Grundstücke entstehen.
Bruno Nötzli
(SVP/Freienbach) will die Kompetenz zur Anordnung von Neuschätzungen wieder in den Rat holen. Stossend ist für ihn, dass jetzt eine grosse Unsicherheit durch fehlende Veranlagungen entsteht.
Regierungsrat
Kaspar Michel
führt aus, dass die Umsetzung der Motion erhebliche Probleme stellen werde. Der Bund hat einfach eine neue Schätzungsanleitung erlassen, die von den Kantonen umzusetzen ist. 2004 hat der Rat den aktuellen Automatismus beschlossen, dem die Regierung jetzt folgt. Es geht um Glaubwürdigkeit und Rechtssicherheit. Denn die Motion will rückwirkend Änderungen vornehmen. Der Zeitpunkt für nichtlandwirtschaftliche Schätzungen bestimmt der Kantonsrat. Die Motion wird mit 46:45 erheblich erklärt.
Fragestunde (Auswahl)
• Adolf Fässler (SVP/Unteriberg) an Regierungsrat René Bünter
zum Stand des Schwyzer Schutzwaldes, den dieser als gut bezeichnet.
•
Martin Brun (SVP/Sattel) an Regierungsrat Othmar Reichmuth:
Verzögerungen an der Ibergereggstrasse sind auf Einsprachen zurückzuführen.
Parlamentarische Vorstösse
• Roman Bürgi
(SVP/Arth) über die Verwendung von Swisslos- Geldern, die er als dürftig bezeichnet. Er wünscht eine restriktivere Handhabung, mehr Transparenz und Konzentration auf den Kanton
• Zu Konflikten mit Mountainbikern auf Wanderwegen weist
Alois Reichmuth
(FDP/Oberiberg) hin. Er ortet Handlungsbedarf, dass Mountainbiker ohne explizites Verbot überall fahren dürfen.
• Zum Schutz von Kulturgüter und Pilgern fragte
Max Helbling
(SVP/Steinerberg) nach. Er wettert aber gegen islamische Männer, die in der Schweiz ihr Unwesen
treiben.
• Zur Überprüfung der Pflicht zur Erstellung von Abstellflächen für Motorfahrzeuge regt
Rudolf Bopp
(GLP/Einsiedeln) in einem Postulat an. Für Bopp muss der Staat dieses Problem flexibel angehen. Mit den heutigen Formulierungen kann auf das veränderte Mobilitätsverhalten nicht reagiert werden.
Reto Keller
(FDP/Einsiedeln) will das Postulat nicht erheblich erklären, da die Gemeinden zuständig sind.
Elsbeth Anderegg
(SP/Altendorf) möchte mehr gesetzliche Klarheit.
Hubert Schuler
(SVP/ Rotenthurm) ist mit der heutigen Regelung zufrieden. Weniger Abstellplätze führen zur Belastung der Nachbarn.
René Baggenstoss
(FDP/Ingenbohl) unterstützt aus eigener Erfahrung das Postulat, ebenso
Dominik Zehnder (FDP/Freienbach). Regierungsrat
Andreas Barraud
will die Regelungskompetenz bei den Gemeinden belassen. Das Postulat wird mit 41:52 nicht erheblich erklärt.
Im neuen Foyer wurde der Kantonsrat zum Apéro geladen.
Foto: Daniel Koch