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«Aus dem Winterschlaf auf die Strasse»

«Aus dem Winterschlaf auf die Strasse» «Aus dem Winterschlaf auf die Strasse»

Luca Steiner zur Situation der Grünen Schwyz – und ihrem politischen Potenzial

Bei den Nationalratswahlen haben die Grünen schweizweit grosse Triumphe gefeiert. Die Grünen im Kanton Schwyz kennt dagegen kaum jemand. Grünen-Präsident Luca Steiner erklärt im Interview, warum das so ist – und wie sich das künftig ändern soll.

WOLFGANG HOLZ

Herr Steiner, bei den Grünen herrschen nach den Wahlen derzeit landesweit Glücksgefühle. Nur in Schwyz scheinen die Grünen vor sich hin zu dümpeln. Woran liegts? Müssen Sie mal Greta Thunberg einladen? Das wäre nicht schlecht. Der eigentliche Grund für die augenblickliche Situation ist aber eher, dass es die Grünen im Kanton Schwyz bis vor Kurzem im Prinzip nicht mehr gegeben hat.

Was heisst das konkret?

Das heisst: Wir mussten die Partei wieder neu aufbauen – mit neuer Webseite, neuen Köpfen und neuem Schwung. Wir haben kaum Mitglieder übernommen, sondern seit Februar dieses Jahres quasi bei Null angefangen. Was war denn der Grund für den Niedergang der Alt-Grünen? Gabs zu viele «Fundis» und zu wenige «Realos»? Das geht ein bisschen in diese Richtung. Meines Erachtens wurde ein falsches Marketing betrieben. Die Grünen hatten einen schlechten Ruf, weil sie zum Teil Fundamentalopposition betrieben und dafür in der Öffentlichkeit belächelt wurden. Wir wollen in Zukunft nicht nur immer dagegen sein, sondern saubere politische Lösungen erarbeiten, die auch realistisch umsetzbar sind.

In Anbetracht dieser internen Schwierigkeiten haben die Grünen bei den Nationalratswahlen ja gar nicht so schlecht abgeschnitten?

Das sehen wir auch so! Wir haben zwar nur 2,6 Prozent der abgebenen Stimmen bekommen. Dafür konnten wir die Nationalratswahlen als Sprungbrett nutzen, um uns in der Öffentlichkeit wieder erfolgreich bemerkbar zu machen. Man hat uns auf den Plakaten gesehen, und auch in den Medien waren wir Grünen wieder präsent. Wir sind quasi aus dem Winterschlaf direkt auf die Strasse zurückgekehrt. Dieses Momentum wollen wir nun weiter ausnutzen, um bei den Kantonsratswahlen im kommenden Frühjahr wieder einen Sitz zu erobern. Wie wollen Sie das anstellen?

Wir gehen momentan von einem Vier-Punkte-Plan aus, auf den wir unsere Arbeit gründen wollen. Zum einen wollen wir endlich kantonale Klimaziele festlegen und ein Förderprogramm für Energieeffizienz und erneuerbare Energie im Umfang von drei Millionen Franken verabschieden. Dadurch würden rund sechs Millionen Franken an CO2-Geldern vom Bund zurück in den Kanton fliessen. Darüber hinaus wollen wir die Wachstumsziele im Richtplan reduzieren, um die rasante Verbauung von Kulturland und Erholungsraum zu stoppen. Wichtig ist uns auch die gezielte Förderung des Velo- und Fussverkehrs mittels Fahrradstreiffen, Veloabstellmöglichkeiten und guten ÖV Anbindungen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sicherung der Einkommen der bäuerlichen Betriebe für die Zukunft. Dabei wollen wir mit den Bauern eng zusammenarbeiten und die Biologische Landwirtschaft sowie regionale Vermarktungsgemeinschaften fördern. Und, wie gesagt, beabsichtigen wir, wieder im Kantonsrat vertreten zu sein. Die Grünen hatten dort ja einen Sitz inne, der aber durch den Wegzug der betreffenden Kantonsrätin wegfiel. Kann es sein, dass der mangelnde Erfolg der Grünen in Schwyz bisher möglicherweise auch mit dem generell sehr konservativen, ländlichen Mainstream zusammenhängt?

In anderen urbanen Regionen wie Zürich mit vielen Expats und Studenten herrscht sicherlich ein offeneres Klima für grundlegende Veränderungen. In ländlichen Gegenden dauert es halt manchmal einfach etwas länger, bis sich Neuerungen durchsetzen. Einsiedeln selbst ist aber eigentlich ein super Beispiel dafür, wie sich politische Tradition und Offenheit gegenseitig befruchten können. Könnte es auch daran liegen, dass der dünnbesiedelte Kanton Schwyz ausser in den Gewerbeagglomerationen am Zürisee und in Schwyz vor allem als grüne Wiesen mit viel Kühen und als Berge mit viel frischer Luft wahrgenommen wird, und deshalb die Grünen politisch bisher keinen Fuss auf den Boden bekommen haben? Nach dem Motto: So viel Grün ist kontraproduktiv für grüne Politik? Ich sehe das nicht als kontraproduktiv an. Denn es gibt genügend Ansatzpunkte für die Grünen, dass auch im Kanton Schwyz die Natur und die Landschaft nachhaltiger und besser behandelt werden. Zum Beispiel, indem man die Wiesen weniger düngt. Keine Pestizide mehr einsetzt. Und nicht alles tötet, mit dem kein Geld erwirtschaftet wird. Richtig ist, dass es keinen echten wunden Punkt im Kanton Schwyz gibt, worauf die Grünen sich fokussieren könnten … … wie zum Beispiel die Grün-Alternativen in Zug, die sich mit «Grünen-Guru» Joe Lang etwa durch ihren jahrelangen Kampf gegen Glencore einschiessen und sich damit permanent viele Stimmen sichern konnten. Ja, wobei der Kampf gegen Glencore ja nicht das Leben der Zuger direkt beeinflusst. Wir wollen uns in den kommenden Jahren vielmehr dafür einsetzen, dass in der Öffentlichkeit sich das Bewusstsein für eine umweltgerechte Produktion und ökologischen Konsum wieder durchsetzt. Konkret heisst das, Stärkung der regionalen Wirtschaft sowie der Dorfkultur. Mit der immer weiter zunehmenden Globalisierung geht die Entwicklung ja leider eher in eine andere Richtung, sprich: Man verliert den Bezug zum Produkt und weiss nicht mehr, wo Menschen oder die Natur für dessen Produktion bluten mussten. Wie kann man das verstehen?

Wir müssen uns wieder auf eine Dorfkultur besinnen mit kleineren Strukturen, damit beispielsweise die Bauern wieder fair für ihre Arbeit bezahlt werden und nicht ständig um ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen. Als Filmemacher bin ich in vielen Ecken der Welt herumgekommen, in Afrika, Asien, Brasilien, wo sich mein Bewusstsein und mein Blick für Armut und Umwelt geschärft haben. In solchen Gegenden, wo kein Tourist sich je verirrt, leben Menschen in Lehmhütten und sind trotzdem zufrieden. Sie selbst wollen aber nicht in einer Lehmhütte leben? Wer weiss, manchmal tut das eigentlich ganz gut. Auf jeden Fall kann es auf unserer Welt nicht so weitergehen, dass ständig alles kaputtgemacht und weggeworfen wird, nur weil es besser fürs Portmonnaie ist. Letzte Frage: Ist die Zeit reif für einen grünen Bundesrat nach dem grossen Wahlerfolg der Grünen? Man sollte auf jeden Fall die Forderung nach einem grünen Bundesrat lautstark verfechten und diesbezüglich auch eine klare politische Ansage in Bern machen. In dieser Beziehung sind die Grünen vielleicht noch zu bescheiden und zurückhaltend.

Der Präsident der Grünen Schwyz, Luca Steiner, blickt optimistisch in die Zukunft. Foto: Wolfgang Holz

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