«Ich hoffe als Diener Gottes auf eine offenere Kirche»
Morgen wird Steffen Michel in Schindellegi zum Diakon geweiht. Der 31-jährige Seelsorger in der Pfarrei Einsiedeln freut sich darauf, als Helfer von Jesus Christus den Armen und Bedürftigen im Klosterdorf beistehen zu dürfen.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wollen Sie ein Diener Gottes sein?
Ja, das will ich in der Tat. Diakon heisst ja Diener und Helfer. Und so wie Jesus selber ein Diener Gottes war, will ich Christus nachfolgen und in seinem Sinn wirken. Überdies werde ich voraussichtlich im Jahr 2021 zum Priester geweiht werden. Was unterscheidet einen Diakon von einem Priester? Ein Diakon darf predigen, taufen, trauen und beerdigen, aber nicht die Messe lesen, die Beichte abnehmen und Kranke salben. Ein Diakon ist die rechte Hand des Pfarrers und das «soziale Gewissen » der Kirche und kann ebenfalls eine Pfarrei leiten. Was werden Sie denn konkret als Diakon im Klosterdorf anstellen?
Ich werde weiterhin in Einsiedeln und Egg in den Schulen Religionsunterricht geben, predigen und beerdigen. Ebenso werde ich Kranke und Alte in den Heimen und im Spital besuchen. Hinzu kommt ein vermehrter Einsatz für die Aktion «Einsiedle mitenand», an der ich den Kontakt mit Asylsuchenden vertiefen möchte. Als viri probati können auch verheiratete Männer Diakon werden. Hat eine Ehe jemals Ihr Interesse geweckt? Eine Ehe einzugehen, war in der Tat eine Option. Und Kinder zu haben, würde mich wohl sehr glücklich machen. Dennoch habe ich mich aus Überzeugung für die ehelose Lebensform entschieden.
Sie wollen Priester werden. Hat ein Diakon in der katholischen Kirche nichts zu sagen? Priester und Diakon sind zwei ganz unterschiedliche Berufe mit verschiedenen Aufgabenschwerpunkten. Es wäre daher falsch, das eine höher oder niedriger zu bewerten. Jedoch kann nur der Priester in vollem Masse die Sakramente spenden. Empfinden Sie die Kirche als eine offene Institution? Ich stamme aus Deutschland, wo die katholische Kirche sehr konservativ, veraltet und verkrustet ist und das duale staatskirchliche System nicht kennt. Der Bischof hat dort das alleinige Sagen und bestimmt über die Gelder. Im Vergleich dazu können wir von Glück reden, dass wir in der Schweiz demokratischere Strukturen vorfinden. Ich hoffe jedoch weiterhin auf eine offenere Kirche.
Ihr oberster Chef ist der Bischof von Chur. Hoffen Sie, dass Abt Urban Vitus Huonder nachfolgt? Das hoffe ich gerade nicht (lacht)! Weil das wäre für das Kloster Einsiedeln ein herber Verlust. Abt Urban zu verlieren, wäre eine schwere Hypothek für das Kloster, weil er kaum zu ersetzen ist.
In welchen Bereichen müsste sich die Kirche reformieren?
Ich glaube, dass ich die grossen Veränderungen wie die Aufhebung des Zölibats und die Frauenordination nicht mehr miterleben werde. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Frauen dereinst zu Diakoninnen geweiht werden könnten.
Was halten Sie von der Neuausrichtung der Pfarrei Einsiedeln? Sie ist ein Gebot der Stunde, weil der Priestermangel überhandnimmt. Es ist nicht möglich, dass jedes Viertel einen Weissen Sonntag feiern kann. Ich verstehe die Gläubigen, wenn sie Angst vor Veränderungen haben. Ich würde mir wünschen, dass sich die Gottesdienste moderner gestalten liessen. Aber nur schon die Leute zu finden, die etwas Popmusik in die Messe bringen würden, ist schwierig genug.
Foto: Magnus Leibundgut
Steffen Michel
Jahrgang: 1988 Wohnort: Einsiedeln Beruf: Diakon Hobbys: Technik (Home-TV), Musik (Gitarre, Keyboard)