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«Mit Prävention können wir uns gegen das Virus wappnen»

«Mit Prävention können wir uns gegen das Virus wappnen» «Mit Prävention können wir uns gegen das Virus wappnen»

Dem Coronavirus zum Trotz bleiben Aktivcenter geöffnet. Jeroen de Leur, Mitglied der Geschäftsleitung im Physio Care Center in Einsiedeln, hält Prävention für ein ideales Mittel, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern: «Wer trainiert, der stärkt sein Immunsystem und kann das Risiko eines schweren Verlaufs einer Covid-19-Erkrankung senken.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie geht es Ihnen in diesen bewegten Zeiten?

Mir geht es gut, auch wenn wir derzeit keine einfachen Zeiten erleben. Während des Lockdowns im Frühling war es anstrengender, obwohl damals der Trainingsbereich wegen des Coronavirus geschlossen und die Therapie nur zu 20 Prozent ausgelastet war. Damals war aber alles neu, und niemand hatte eine solche Situation je erlebt. In jener Zeit versuchte ich aber, die Zeit zu nutzen mit Konzeptentwicklungen, für eine erfolgreiche Zukunft des Betriebs. Zudem wurden Renovationen durchgeführt. In der jetzigen Zeit hat man sich ein wenig an die Situation gewöhnt. Dennoch steigt die Unsicherheit momentan wieder. Drückt Ihnen die allgemeine Maskentragepflicht auf das Kreuz? Es ist natürlich nicht angenehm, den ganzen Tag über diese Maske tragen zu müssen. Aber man gewöhnt sich auch daran. Im Therapiebereich gilt bereits seit Ende April Maskenpflicht, im Trainingsbereich wurde diese vor einem Monat im Eingangsbereich, Garderoben und Gängen eingeführt. Seit zehn Tagen müssen alle Mitarbeiter und Kunden immer und überall eine Maske tragen. Auch am einzelnen Platz einer Maschine oder im Gruppenkurs. Dies findet niemand toll, doch in der momentanen Situation müssen wir zusammenhalten und uns an die Regeln halten. Wie wirkt sich die Maskenpflicht auf die Besucher des Aktivcenters aus? Das Training mit Maske ist weniger schlimm als erwartet. Grundsätzlich führt das Tragen einer Maske zu einem erhöhten Atemwiderstand und einer erhöhten Einatmung von CO2, was die Pufferfähigkeit des Blutes beeinflusst und dadurch die maximale Leistungsfähigkeit einschränkt. Jedoch werden nur wenige Trainings am Maximum der Leistung ausgeführt. Wichtig ist einfach, dass man die Maske nach jedem Training wechselt. Ausdauertraining würde ich grundsätzlich draussen an der frischen Luft durchführen. Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf Ihren Betrieb aus? Man muss hier zwischen der ersten und der zweiten Welle unterscheiden. Während des Lockdowns der ersten Welle war der Trainingsbereich geschlossen und die Physiotherapie nur zu 20 Prozent ausgelastet, da keine Patienten der Risikogruppe behandelt werden durften und sich zudem sehr viele aus Unsicherheit abmeldeten. Nun während der zweiten Welle sind die Auswirkungen im Bereich der Physiotherapie überschaubar: Nur wenige Vereinzelte kommen aus Angst vor dem Coronavirus nicht mehr in die Therapie. Es gibt also dort kaum einen Einbruch der Zahlen an Klienten, und wir sind gut ausgelastet. Eher spürbar sind Folgen von Corona in unserem Aktivcenter: Da sind schon tiefere Zahlen von Besuchern zu beobachten, vor allem abends. Halten Sie die von Kanton und Bund beschlossenen Massnahmen für angemessen? Ich unterstütze es auf jeden Fall, dass es zu keinem zweiten Lockdown kommt. Wir sind froh, dass jetzt mitten in dieser zweiten Welle die Trainingscenter offen bleiben. Das Kraft- und Beweglichkeitstraining dient für viele unserer Kunden nicht dem Spass, sondern dem Erhalt der Beschwerdefreiheit. Zudem ist die Prävention ein ideales Mittel, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, was ja eigentlich das Hauptziel der ganzen Massnahmen ist.

Was heisst das konkret?

Wer trainiert, der stärkt sein Immunsystem und kann das Risiko eines schweren Verlaufs einer Covid-19-Erkrankung senken. Ob im Frühling ein Lockdown tatsächlich notwendig war, darüber kann man verschiedener Meinung sein. Im Nachhinein ist man naturgemäss immer schlauer. Aufgrund des damaligen Wissensstands war es wohl angemessen, einen Lockdown zu verhängen.

Wie würde sich ein erneuter Lockdown auf Ihren Betrieb auswirken? Das wäre gar nicht gut. Zwar haben wir bereits gewisse Vorbereitungen getroffen, hoffen aber, dass dies nicht eintrifft. Im November haben wir traditionell hohe Belegungszahlen. Bei einem Lockdown können wir keine Ausfallentschädigung beantragen. Die einzige Unterstützung wäre derweil die Beantragung von Kurzarbeit für unsere Mitarbeiter. Wie gross sind die Verluste, die Sie im Frühling während des Lockdowns erlitten haben? Im Bereich des Aktiv Centers, der ja ganz geschlossen wurde, beträgt der Verlust eine Summe in der Höhe von 15 Prozent des Jahresumsatzes. Auch im Bereich der Physiotherapie und der Erfahrungsmedizin resultiert ein beträchtlicher Verlust in der Höhe zwischen 8 bis 10 Prozent des Jahresumsatzes. Um dieses Defizit überbrücken zu können, haben wir einen Notkredit bei der Bank beantragt, für den der Bund bürgt. Wie sehen die Perspektiven für Ihren Betrieb in Zukunft aus? Ich sehe die Entwicklung unseres Betriebes in der Zukunft grundsätzlich sehr positiv. Wir helfen unseren Patienten in der Physiotherapie auf dem Weg zur Beschwerdefreiheit und bieten attraktive und benutzerfreundliche Trainingsmöglichkeiten, diese auch langfristig zu erhalten. Ich erhoffe mir, dass der Prävention in unserer Gesellschaft grundsätzlich einen höheren Stellenwert zugesprochen werden wird. Denn Prävention wirkt sich direkt auf die Gesundheitskosten aus und hilft dabei, diese langfristig zu senken. Kommt die Allgemeinheit für die Kosten der Physiotherapie auf ? Der Physiotherapie wird oft nachgesagt, dass sie Hauptgrund ist für die steigenden Gesundheitskosten. Dabei wird aber oft vergessen, dass durch konservative Therapie Operationen verhindert werden können. Damit werden an anderen Bereichen Kosten gespart. Mit unserem Gesundheitsund Trainingscenter möchten wir uns ganz klar unterscheiden von klassischen Fitnesscentern. Unter anderem dank Betrieben wie unseren wurde die Branche vergangene Woche dem Gesundheitsbereich statt dem Freizeitbereich zugeordnet. Durch unseren Verband wurde dem Bundesrat klar gemacht, welchen positiven Effekt das Training auf die Gesundheit hat. Ist es nach wie vor so, dass vorwiegend bei jungen Leuten Krafttraining sehr beliebt ist? Nein, nicht unbedingt. Es wird immer mehr bekannt darüber, wie wichtig ein Training der Muskulatur ist für Leute, die älter werden. Durch Krafttraining erhält man seine Bewegungsfreiheit und seine Selbstständigkeit und hat es so selbst in der Hand, ob man in höherem Alter auf Pflege angewiesen ist. Junge Leute betreiben Krafttraining oft aus ästhetischen Gründen. Auch dies wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus, solange man sich an die Trainingsregeln hält. Bei uns im Aktivcenter haben aber viele ältere Personen den hohen Stellenwert von Krafttraining erkannt. Das ist denn auch der Grund dafür, dass über die Hälfte unserer Trainierenden über fünfzig Jahre alt sind. Rückenschmerzen nehmen in der Gesellschaft überhand: Kommen deswegen immer mehr Leute zu Ihnen? Das kann man mit Fug und Recht annehmen: Wenn ich einen Blick auf die letzten Jahre werfe, ist die Zahl der Klienten, die mit Rückenschmerzen zu uns kommen, laufend angestiegen. Es ist ja auch kein Wunder: Viele Leute sitzen den ganzen Tag vor dem Computer, bewegen sich kaum und erwarten dann, dass sie problemlos schwere Sachen heben, Gartenarbeiten oder ihre Hobbys einfach so ausüben können.

Wo liegt das Problem?

Die Form und Funktion der Wirbelsäule ist abhängig von der Kraft und Beweglichkeit der Rumpfmuskulatur: Diese nimmt ab, wenn man nicht darin investiert. Vor allem im Alter. Viele Beschwerden entstehen durch ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit. Möchte man nun langfristig keine Beschwerden mehr, muss man selbst in die Belastbarkeit investieren. Dadurch kann man Hobbys oder auch Alltagsbewegungen weiterhin beschwerdefrei ausüben. Wieso haben denn auch Bauarbeiter, Gärtner und Landwirte des Öftern Rückenschmerzen? Sie tragen zwar während ihrer Arbeit durchaus Lasten und bewegen sich. Mit der Zeit hat sich der Körper aber an diese Belastungen angepasst und von einem einstigen Reiz wurde eine Alltagsbewegung. Der menschliche Körper befindet sich aber in einem stetigen Wechsel und kann entweder besser oder schlechter werden. Um also dem Abbau entgegenzuwirken, muss ein Wachstumsreiz gesetzt werden, was jedoch mit einer Alltagsbelastung nicht geschieht. In gewissen Fällen liegt die Ursache von Beschwerden nicht an einer fehlenden Kraft, aber an einer fehlenden Beweglichkeit. Weiter muss man bei obengenannten Berufen aber auch äussere Faktoren wie die Temperatur beachten, welche Auswirkungen auf Muskelfunktionen haben können. Wie sieht denn das Vorgehen bei Rückenproblemen bei Ihnen aus?

In der Physiotherapie kommen die Patienten in der Regel über eine Verordnung vom Arzt. Unsere Therapeuten gehen anschliessend der Ursache auf den Grund. Einerseits wird dies durch eine ausführliche Anamnese gemacht und zusätzlich begleitet durch objektive Testverfahren. Ein gründlicher Untersuch ist aber sehr wichtig, zumal der Ursprung von Schmerzen sehr kompliziert sein kann. Anhand dieser Resultate wird ein Therapieplan aufgestellt. Es ist bei uns aber auch möglich, sich direkt für einen Rückenscan zu melden. Damit können wir genaue Aussagen machen über die Haltung, Beweglichkeit und Stabilität der gesamten Wirbelsäule und Lösungen dafür aufzeigen. Dies wird auch bei Neukunden für Trainingsabonnemente so gehandhabt. Dies ist schliesslich unser Spezialgebiet. Sie bieten auch weitere Therapieformen wie Craniosacraltherapie, Fussreflexzonenmassagen, Schröpfen oder Elektrotherapie an. Wann werden diese Verfahren angewendet? Unsere Therapeuten haben ein breites Spektrum an möglichen Therapieformen. Ich sehe dies als Kommode mit verschiedenen Schubladen, wobei jeder Therapeut anhand seiner Erfahrungen bei jedem Patienten eine Schublade öffnet und bei ausbleibenden Erfolg auch andere Schubladen öffnen kann. Craniosacraltherapie als Beispiel wird aber nur von einer Therapeutin durchgeführt. Da kommt es dann in gewissen Fällen zu einer internen Weiterleitung, wenn diese Therapieform als Lösung des Problems angesehen wird. Ist es aus Ihrer Sicht Zufall oder Schicksal, dass uns das Coronavirus heimgesucht hat? Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien. In diesem Sinne bin ich der Ansicht, dass es eher Zufall denn Schicksal ist, dass wir nun dieses Coronavirus bei uns haben. Ich bevorzuge einen pragmatischen Umgang mit diesem Virus: Man sollte weder in Hysterie ausbrechen noch das Virus als solches verleugnen. Man ist dem Virus nicht einfach schutzlos ausgeliefert. Im Gegenteil: Mit Prävention und einer Investition in die eigene Gesundheit können wir uns besser gegen das Virus wappnen. Während der ganzen Pandemie war nämlich von Prävention nie die Rede. Man hatte den ganzen Sommer Zeit, sich neben der Krankheit auch einmal mit der Gesundheit zu beschäftigen und der Bevölkerung aufzuzeigen, wie man zwar nicht die Ansteckungsgefahr reduzieren, aber die Wahrscheinlichkeit eines milden Verlaufs der Covid-19-Krankheit erhöhen könnte.

Jeroen de Leur, Mitglied der Geschäftsleitung der Physio Care Center de Leur AG, dem Center für Physiotherapie, Rehabilitation und Gesundheitstraining an der Werner- Kälin-Strasse 11 in Einsiedeln.

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