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«Schwyz war bekannt als Kanton Mord und Totschlag»

«Schwyz war bekannt als  Kanton Mord und Totschlag» «Schwyz war bekannt als  Kanton Mord und Totschlag»

Er schrieb und erlebte Schwyzer Polizeigeschichte: Nach 19 Jahren als Chef der Kriminalpolizei zieht es Stephan Grieder in den Kanton Nidwalden.

ANDREAS SEEHOLZER

Die Anzahl Delikte sinkt. Sind die Schwyzer anständiger geworden, oder lässt die Polizei nach? Wir lassen nicht nach, im Gegenteil, die Anstrengungen der Polizei sind in den letzten Jahren massiv gestiegen, und selbstverständlich sind auch die Schwyzerinnen und Schwyzer in den letzten Jahren gesetzestreuer geworden. Hat es etwas mit der veränderten Polizeitätigkeit zu tun? Ja, wir sind heute vermehrt im präventiven Bereich tätig und wollen Delikte grundsätzlich verhindern. Diese Aufgabe wird immer von grösserer Bedeutung. Ein Beispiel dafür ist das kantonale Bedrohungsmanagement. Dabei geht es darum, auffällige Personen auf unserem Radar zu haben, diese zu begleiten und mit massgeschneiderten Massnahmen zu versuchen, dass es nicht zu einer Straftat kommen wird. Nach der Einführung des Bedrohungsmanagements hatten wir über vier Jahre kein einziges Tötungsdelikt mehr.

War das Zufall?

Kann sein, dennoch ist es auffällig. Auslöser für den Aufbau des kantonalen Bedrohungsmanagements war ein Tötungsdelikt am Bahnhof Schübelbach. Eine Portugiesin wurde von ihrem Ehemann erschossen. Die Spannungen zwischen den beiden waren verschiedensten Behörden bekannt, aber keine Behörde war zuständig, und demzufolge nahm sich auch niemand dieser Problematik an. In der Aufarbeitung dieses Tötungsdeliktes war allen Beteiligten klar, dass sich ein solcher Fall in Zukunft nicht mehr ereignen darf. Als ich im Kanton Schwyz begonnen habe, hat man vom Kanton Schwyz als «Kanton Mord und Totschlag» gesprochen … … Kanton Mord und Totschlag?

Ja, alle meine Kripo-Kolleginnen und -Kollegen haben mir das gesagt. Und es war tatsächlich so, wir hatten verglichen mit der Grösse beziehungsweise der Anzahl Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons überdurchschnittlich viele Tötungsdelikte. Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Die Gesetzgebung im Strafverfahren, aber auch die Rechtsprechung der Gerichte schränken heute die Strafverfolgungsbehörden immer stärker ein, was sich in vielen Fällen eher zuungunsten der Opfer beziehungsweise eher zugunsten der Täter auswirkt. Bei der Schaffung von neuen Gesetzen oder deren Revision sind die Vertreter der Strafverfolgungsbehörden stark untervertreten, und dadurch fliessen deren Interessen zu wenig ein. In Zukunft muss es im Interesse der Strafverfolgungsbehörden sein, ihr praktisches Wissen und ihre Interessen viel früher und stärker in den Gesetzgebungsprozess einfliessen zu lassen. Steht in diesem Zusammenhang die Verwendung von DNA? Ja. Die zukünftige Einschränkung des Gebrauchs der DNA geht an der Realität vorbei, ist nicht zum Vorteil der Strafverfolgungsbehörden, ist nicht im Interesse der Opfer und kann auch nicht im Interesse des Staates liegen. Die Datenbank droht auszubluten und damit unbrauchbar zu werden, weil immer weniger Daten gespeichert werden dürfen. Dies führt auch zu einer Ungleichbehandlung, weil zum Beispiel die DNA eines Wirtschaftskriminellen möglicherweise eher nicht in die Datenbank aufgenommen wird, jene des Kleinkriminellen höchstwahrscheinlich aber schon. Wie steht es mit dem Respekt vor der Polizei? Sicher nimmt allgemein die Obrigkeitsgläubigkeit ab. In der Schweiz und damit auch im Kanton Schwyz ist es für die Polizei von entscheidender Bedeutung, dass man sich den Respekt der Bevölkerung immer wieder erarbeitet. Dies erfolgt bei uns bereits dadurch, dass wir versuchen, Anwärter auszuwählen, die schon eine gewisse Lebenserfahrung haben, und diese dann auch professionell ausbilden. Ich sage immer: Wir müssen uns bewusst sein, dass wir als Polizistinnen und Polizisten Bürger in Uniform sind. Nicht nur den Respekt, sondern auch das Vertrauen der Bürger müssen wir uns immer wieder neu erarbeiten.

Wie hoch, denken Sie, ist die Dunkelziffer an Straftaten? Das ist schwierig zu sagen und ist in Abhängigkeit zum einzelnen Delikt zu sehen. Beim Einbruch zum Beispiel wird die Dunkelziffer nicht hoch sein, da uns diese Fälle in der Regel gemeldet werden. Auch bei allen schweren Delikten wie Tötungsdelikten, Raubüberfällen und so weiter ist die Dunkelziffer eher gleich null. Sie ist aber sicherlich höher bei den klassischen Delikten der Hohlkriminalität wie zum Beispiel beim Handel mit Betäubungsmitteln oder beim Menschenhandel, aber auch im Bereich der Cyberdelikte und der häuslichen Gewalt, da insbesondere die letzteren Delikte uns oft nicht gemeldet werden.

Kripo-Chef Stephan Grieder in seinem Büro im Sicherheitsstützpunkt Biberbrugg. Während seiner Dienstzeit von 19 Jahren ist die Anzahl der Delikte im Kanton Schwyz gesunken. Foto: Andreas Seeholzer

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