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«Frauen sollten mutiger sein, sich um ein solches Amt zu bewerben»

«Frauen sollten mutiger sein, sich um ein solches Amt zu bewerben» «Frauen sollten mutiger sein, sich um ein solches Amt zu bewerben»

Seit gut einem Jahr ist die 49-jährige Schwyzerin Beatrice van de Graaf Richterin am Bundesgericht in Lausanne.

PETRA IMSAND

Mit 215 von möglichen 246 Stimmen erzielten Sie bei Ihrer Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung ein sensationell gutes Resultat. Denken Sie noch oft an diesen Tag zurück? Meine Wahl zur ordentlichen Bundesrichterin durch die Vereinigte Bundesversammlung war ein einschneidendes Erlebnis, an das ich sehr gerne und sehr oft zurückdenke. In Ihrem Amt sehen Sie nun, wie die Rechtsprechung in den verschiedenen Kantonen funktioniert. Wie beurteilen Sie diesbezüglich den Kanton Schwyz? Der Kanton Schwyz verfügt auf sämtlichen Stufen der Justiz über ausgezeichnete Juristen und Fachkräfte. Ist Schwyz im nationalen Vergleich immer noch ein Stück heile Welt? Die Kriminalitätsstatistik des Kantons Schwyz habe ich bislang nicht mit jener anderer Kantone verglichen. Nach meiner Einschätzung ist die Welt im Kanton Schwyz etwa gleich heil wie in den anderen Kantonen. Wie haben Sie sich eingelebt?

Ich wurde am Bundesgericht sehr gut aufgenommen und habe mich bestens eingelebt.

Sie sind die erste vollamtliche Bundesrichterin aus dem Kanton Schwyz. Spüren Sie eine gewisse Erwartungshaltung? Welche Erwartungen haben Sie an sich selbst? Die Einwohner des Kantons Schwyz wie auch der anderen Kantone dürfen die Erwartung an mich haben, welche sich mit der Erwartung an mich selber deckt: dass ich meine Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen, mit Sorgfalt und mit all meinen Kräften erfülle. Haben sich Ihre Vorstellungen bewahrheitet? Überraschungen ergaben sich keine. Ich wusste bereits vor meinem Amtsantritt, was die Tätigkeit eines ordentlichen Bundesrichters beinhaltet. Deshalb deckten sich meine Vorstellungen mit der Tätigkeit, die mich erwartet hat.

Was hat Sie damals dazu bewogen, in den Richterberuf zu wechseln? Es war mir immer ein Bedürfnis, in Rechtsfragen die aus meiner Sicht objektiv richtige Lösung vertreten zu können, unabhängig von den Interessen der am Verfahren beteiligten Parteien. Ist es nicht auch ein wenig eine einsame Arbeit? Im Gegensatz zum Arbeitsalltag am Bezirksgericht Schwyz fehlt der Kontakt zu den Verfahrensparteien. Indessen arbeite ich in einer Institution mit über 200 Mitarbeitenden. Die Arbeit erfordert auch den Austausch sowohl mit meinen Richterkollegen wie auch mit den Gerichtsschreibern. So ergeben sich jeden Tag viele Kontakte. Wie kann man sich den Arbeitsalltag von Ihnen vorstellen? Mein Arbeitsalltag beinhaltet die Bearbeitung der mir als Referentin zugeteilten Verfahren und die Mitwirkung in den übrigen Verfahren, bei welchen ich dem Spruchkörper angehöre. Wie schalten Sie ab nach einem belastenden Fall? Zum Ausgleich dient mir der Sport. Sport hilft nicht nur beim Abschalten, sondern schafft oft auch wieder Raum für neue Gedanken und Lösungsansätze in schwierigen Rechtsfragen. War es schon immer Ihr Ziel, Bundesrichterin zu werden? Mein Wunsch nach Beendigung des Studiums und nach Beginn des Praktikums am Bezirksgericht Bülach war, in der Justiz zu arbeiten und allenfalls irgendwann ein Richteramt übernehmen zu dürfen.

Haben Sie Vorbilder?

Vorbilder gibt es viele. Es handelt sich um Menschen des täglichen Lebens, die mich auf irgendeine Art und Weise beeindruckt haben – oder noch immer beeindrucken. Frauen sind am Bundesgericht immer noch untervertreten. Warum? Die Gründe dafür kenne ich nicht. Frauen sollten indessen mutiger sein, sich um ein solches Amt zu bewerben. Was zeichnet eine gute Richterin aus? Distanz zum Konflikt, Objektivität, Sachlichkeit und ein ausgeprägter Sinn für Fairness sind Eigenschaften, über die ein Richter verfügen sollte. Sie arbeiten in Lausanne. Sind Sie noch oft in Schwyz? Heimweh?

Schwyz ist nach wie vor mein Lebensmittelpunkt, und ich verbringe sehr viel Zeit hier. Es gibt deshalb keinen Grund für Heimweh. Ich schätze es, in Lausanne arbeiten zu dürfen, geniesse aber auch die Zeit, die ich zu Hause in Schwyz verbringe. Was vermissen Sie am meisten?

Der persönliche Kontakt zu meinen ehemaligen Mitarbeitern am Bezirksgericht Schwyz und zu all jenen Personen, die mit dem Bezirksgericht in irgendeiner Funktion zusammenarbeiten, fehlt mir.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Zur Person

• Name: Beatrice van de Graaf

• Geburtsdatum: 6. Januar 1971

• Beruf: Juristin

• Hobbys: Sport, Lesen

• Lieblingsessen: vieles

• Lieblingsgetränk: beim Essen Wasser

• Lieblingstier: Elch

• Lieblingsferienort: es gibt keinen besonderen

Die Schwyzerin am Bundesgericht in Lausanne: Beatrice van de Graaf.

Foto: zvg

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