Veröffentlicht am

Bauern im Spannungsfeld von Wirtschaft und Umwelt

Bauern im Spannungsfeld von Wirtschaft und Umwelt Bauern im Spannungsfeld von Wirtschaft und Umwelt

Der Schwyzer Umweltrat lud am Freitag zu einem Themenabend «Landwirtschaft im Einklang mit der Natur – ökologischer ist auch ökonomischer» ein. Es referierten Andreas Bosshard, Geschäftsführer Denkwerkstatt «Vision Landwirtschaft», und alt Kantonsrat Markus Ming.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Rappelvoll war es kurz vor 20 Uhr am Freitagabend im Hotel Post zu Biberbrugg: Otto Kümin, Vorstandsmitglied Schwyzer Umweltrat, begrüsste eine grosse Schar von über sechzig Interessierten, darunter zahlreiche Landwirte, zu zwei Referaten und einer Diskussion, die sich um «Bauern im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie » drehten.

«Hängen die ökonomischen und ökologischen Probleme der Schweizer Landwirtschaft zusammen?», fragte Andreas Bosshard das Publikum. Es gebe in der Schweiz eine international rekordhohe Agrarstützung und weltweit die höchste Verschuldung der Landwirtschaft.

Dabei seien landwirtschaftliche Einkommen tiefer als Direktzahlungen und die Produktion in der Schweiz preisbereinigt massiv teurer als in den Nachbarländern. «Europaweit gibt es eine rekordhohe Traktorendichte », sagte Bosshard: «International gibt es hierzulande rekordhohe Ammoniakemissionen und einen mit der EU verglichen hohen Pestizideinsatz.» Besonders bei der Biodiversität sei ein schlechter Zustand festzustellen, und keines der gesetzlichen Umweltziele werde erreicht. «Wohin geht das viele Geld?»

«In der Schweiz gibt es viel mehr verfügbare öffentliche Gelder für die Landwirtschaft als in vergleichbaren Ländern», konstatierte Bosshard: «Wohin geht das viele Geld?» Die Schweizer Landwirtschaft sei zu einem wirtschaftlichen Durchlauferhitzer zugunsten der vorgelagerten Branchen geworden.

Fast sieben Milliarden Franken würden jährlich vom Bauern zum Gewerbe gehen – pro Landwirtschaftsbetrieb im Durchschnitt über 130’000 Franken pro Jahr. Der weitaus grösste Posten seien hierbei eingekaufte Futtermittel. «Diese verursachen zugleich die grössten Umweltschäden der Schweizer Landwirtschaft», stellte Bosshard fest.

Damit werde eine ökonomisch- ökologische Lose-Lose-Situation geschaffen: Die Schweizer Landwirtschaft generiere mit der Produktion im Durchschnitt kein Einkommen mehr.

Mit dem Zukauf von schweren Traktoren gehe eine verhängnisvolle Verdichtung des Bodens einher: Mindestens ein Drittel der Zentralschweizer Böden sei so verdichtet, dass Pflanzen nicht mehr richtig wachsen würden.

Dabei gelte beim Pestizideinsatz der Grundsatz «Weniger wäre mehr», führte Bosshard aus: «Bei einer Reduktion um zwanzig Prozent bleibt der Ertrag gleich und das Einkommen nimmt zu. Eine Reduktion um vierzig Prozent ermöglicht ein gleiches Einkommen wie beim üblichen Pestizideinsatz.» Es gebe enge personelle Verbandelungen zwischen Agrofirmen und praktizierenden Bauern. «Es gibt grosszügig und ohne ernstzunehmende Prüfung verteilte staatliche oder parastaatliche Kredite und à-fonds-perdu-Beträge an die Landwirtschaft», stellte Bosshard fest: «Zu konstatieren sind eine ungenügende wirtschaftliche Ausbildung und ein oft geringes ökonomisches und unternehmerisches Bewusstsein in der Landwirtschaft.» Die Entwicklung sei auch für die Ernährungssicherheit in vielen Bereichen ein Desaster: «Mit dem Kraftfutter für das Schweizer Milchvieh könnte man zwei Millionen Menschen ernähren.» Bosshard zeigte Lösungswege auf in der Form einer neuen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik, bei der die umfassenden ökologisch-ökonomischen Fehlanreize konsequent eliminiert würden: «Es ist möglich, die Menschheit zu ernähren und zugleich die Umwelt und Biodiversität zu erhalten.» Nach dem Hauptreferat sprach alt Kantonsrat Markus Ming aus Steinen, Finanzexperte Landwirtschaft, Meisterlandwirt und Treuhänder mit eidgenössischem Fachausweis. Sein Referat drehte sich um die Frage, ob die Landwirtschaft im Einklang mit der Natur stehen könne und wo die Probleme liegen, dass Bauern im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie stünden.

Arbeitsüberlastung im Fokus

Ming machte zum Thema, dass Investitionsentscheide eine Schlüsselrolle einnehmen würden: «Es droht ein Eigenkapitalverzehr. Das Gesamteinkommen reicht nicht für den Privatverbrauch. » Viele Bauernfamilien in der Schweiz würden von der Substanz des Betriebes leben. Im Schwyzer Berggebiet sei das rund ein Viertel der Betriebe.

«Wer aufgrund hoher Verschuldung finanziell mit dem Rücken zur Wand steht, ist kaum offen für ökologische Verbesserungen », sagte Ming. Die Folge davon seien eine Arbeitsüberlastung und eine Einschränkung des privaten Bedarfs.

Die staatlichen Finanzierungshilfen bestünden aus Starthilfe, zinsfreien Investitionskrediten für Bauten und Beiträgen à fonds perdu. «Die Vergabepraxis dieser staatlichen Finanzierungshilfen ist kritisch zu hinterfragen», konstatierte Ming: «Je höher das Nebeneinkommen und je tiefer der Privatverbrauch ist, desto grösser und komfortabler darf der Stall sein.» Diese Methode setzte völlig falsche Investitionsanreize. «Nach der Investition resultiert vielfach eine Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit », konstatierte Ming: «Die aktuellen Agrargesetze und deren Vollzug sind dringend entsprechend anzupassen.» Denn es resultierten Misswirtschaft mit negativen ökologischen Folgen.

Ming fasste zusammen: «Die Fähigkeiten des Betriebsleiters haben den grösseren Einfluss auf die Ergebnisse als die Betriebsgrösse. » Wenn die Alpen verganden Die beiden Referenten machten mit ihren Vorträgen das Publikum betroffen, wurden aber auch in der anschliessenden Diskussion von Bauern kritisch hinterfragt: Die Landwirte würden just in der Milchwirtschaft in ein komplett falsches System hineingezwängt, lautete der Tenor. Bezirksstatthalter Hanspeter Egli, Meisterlandwirt in Trachslau, wehrte sich dagegen, dass der ganze Berufsstand der Bauern pauschal schlecht gemacht werde: «Es gibt einen Strukturwandel in der Landwirtschaft. Und nicht alle Bauern wirtschaften schlecht. 20 bis 40 Prozent der Landwirte machen das sehr gut ökonomisch betrachtet.» Einige Bauern monierten, dass der Respekt in der Gesellschaft gegenüber der Landwirtschaft verloren gegangen sei und dass man dieser Zeit geben müsse, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen.

Otto Kümin wollte wissen, ob denn in der Ausbildung der Bauern die neuen Grundzüge in der Landwirtschaft nicht zum Tragen kommen würden. Erwähnt wurde der Umstand, dass ohne die Landwirte die Alpen verganden würden und die Gefahr bestehe, dass den Landwirten ob dem Minus in der Kasse die Freude am Beruf vergehen könnte.

Als dann Markus-Andreas Bamert vom VCS zum Schluss der Veranstaltung auch noch den Wolf in die Diskussionsrunde einbringen wollte, kochten die Emotionen im Saal vollends über. Aber um den Wolf ging es an diesem Abend definitiv nicht. Ob mit oder ohne den Wolf: Dass die Landwirtschaft ein Riesenthema in der Gesellschaft ist und die Bauern im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie stehen, dies brachte dieser vom Schwyzer Umweltrat organisierte Anlass leidenschaftlich und trefflich auf den Punkt.

Andreas Bosshard: «Es ist möglich, die Menschheit zu ernähren und zugleich die Umwelt und Biodiversität zu erhalten.» Fotos: Magnus Leibundgut

Markus Ming: «Wer aufgrund hoher Verschuldung finanziell mit dem Rücken zur Wand steht, ist kaum offen für ökologische Verbesserungen.»

Share
LATEST NEWS