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«Mein Herz schlägt für Antikmöbel und für meine Frau»

«Mein Herz schlägt für  Antikmöbel und für meine Frau» «Mein Herz schlägt für  Antikmöbel und für meine Frau»

Der 76-jährige José Garcia hat eine grosse Leidenschaft: Der gebürtige Spanier fertigt Miniaturmöbel an, die den grossen Exemplaren bis ins kleinste Detail nachempfunden sind. «Jedes Teil ist ein Bijou, ein Unikat. Ich mag sie alle», sagt José Garcia.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Was hat Sie vom Norden Spaniens in das Klosterdorf verschlagen?

Als ich im Winter 1963 meine ältere Schwester in Wädenswil besuchte, habe ich nicht wissen können, was mich erwartet: Ich habe meine Liebe und meine Arbeit in der Schweiz gefunden. Fürs Erste fand ich es aber ziemlich kalt in der Schweiz: Im Jahr 1963 froren alle Seen zu. Und so wanderte ich auf dem Zürichsee von Richterswil nach Stäfa. Sind Sie denn als Gastarbeiter in der Schweiz gelandet? Nein. Ich war eigentlich fürs Erste nur ferienhalber in der Schweiz. Aber dann hat mir die Ordnung hier, besonders auf den Bauernhöfen in Haus und Stall, so gut gefallen, dass ich gleich geblieben bin. Manche Südeuropäer zieht es nach der Pensionierung wieder in ihr Heimatland zurück. Kam eine Rückkehr für Sie nach Spanien in Frage?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe definitiv Wurzeln geschlagen hier im Land und gleichsam im Klosterdorf. Schliesslich ist meine Frau Schweizerin. Und auch unsere Kinder leben hier. Abgesehen davon gefällt es mir hier auch ausgezeichnet. Gibt es Ähnlichkeiten in der Mentalität zwischen Asturiern und Einsiedlern? Die Asturier sind ziemlich laut im Ton und lebendig – wie eben Spanier so sind. Die Einsiedler sind – gleichsam wie die Schwyzer und Schweizer – vergleichsweise ruhige Wesen und eher zurückhaltend.

Ist es Ihnen leichtgefallen, im Klosterdorf Wurzeln zu schlagen?

Wir haben vorher in Uznach gewohnt: Aber da ist nichts los, viele Geschäfte schliessen. Und der Ort ist nicht besonders schön. Ganz im Gegensatz dazu ist Einsiedeln ein sehr schöner Ort, in dem viel los ist. Und die Einheimischen sind sehr offen und haben uns freundlich empfangen. Es ist also ein guter Ort für Fremde, Ausländer und Neuzuzüger, hier Wurzeln zu schlagen und akzeptiert zu werden. Kein Wunder, kennen wir unterdessen viele Leute aus dem Klosterdorf. Was macht das Spezielle aus, welches das Klosterdorf auszeichnet und abheben lässt? Der Ort an sich hat eine grosse Ausstrahlung und ist eingebettet in eine schöne Landschaft. Und das Wetter ist im Klosterdorf seh speziell. Es scheint im Winter oft die Sonne, währenddem es im Unterland oftmals viel Nebel hat. Schön finde ich, wenn es Schnee hat in Einsiedeln im Winter. Und im Sommer ist es angenehm warm und nicht heiss im Klosterdorf. Wie haben Sie es geschafft, Ihren Traumberuf schliesslich hier in der Schweiz in Angriff zu nehmen?

Wegen des Kriegs war es mir in Spanien nicht vergönnt, eine Ausbildung zu absolvieren: Wegen den schwierigen Umständen nach dem Spanischen Bürgerkrieg war es unmöglich, meinen Traumberuf in Angriff zu nehmen. Also war ich in meiner Jugend als Hilfsarbeiter tätig, bin Maurer, Brotbäcker und Mitarbeiter in einem grossen Laden gewesen. In der Schweiz habe ich es dann bereits in meinem zweiten Arbeitsjahr geschafft, in der Gummifabrik Gurit in Richterswil zum Schichtleiter aufzusteigen. Sie waren bereits mit 21 Jahren Leiter in der Gummifabrik? Das war ja ein guter Start in eine verheissungsvolle berufliche Karriere.

Nicht unbedingt. Es lag mir nicht besonders, in einem grossen Betrieb als Chef die Leute herumzukommandieren. Jeder hatte da seine eigene Idee, wie die Arbeit gemacht werden sollte. So ist es mir irgendwann verleidet, den Leuten meine Idee beizubringen, wie die Arbeit zu verrichten wäre.

War Antikmöbel zu schreinern ein Bubentraum von Ihnen?

Das war es in der Tat. Schliesslich waren bereits mein Vater und mein Grossvater Schreiner. Es liegt also gewissermassen im Blut meiner Familie, dieses Schreinerhandwerk. In der Horgner Maschinenfabrik Stäubli war es dann so weit: In dieser Fabrik lernte ich dann, Maschinen zum Drechseln, Fräsen, Bohren, Sägen und Schleifen zu bedienen. Daneben lernte ich bei einem Schreinermeister in Wädenswil das Antik-Reparaturhandwerk. Damals betrieb ich das Schreinern nebenher als Hobby. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Ihr Traum schliesslich doch noch in Erfüllung gegangen ist?

Ich habe mich im Alter von 36 Jahren selbstständig gemacht: In Samstagern habe ich mit der Unterstützung meiner Frau an guter Lage in einem alten Fachwerkhaus eine eigene Möbelwerkstatt aufgebaut. In dieser Werkstatt habe ich schliesslich 33 Jahre lang gearbeitet, weit über mein Pensionsalter hinaus. Welche Fähigkeiten und Talente sind gefragt, um ein Meister in diesem Handwerk zu werden? Man braucht Geduld, eine ruhige Hand und ein gutes Auge, um die Proportionen von Gross zu Klein richtig treffen zu können. Neben Talent und Fachwissen gehört auch ein Enthusiasmus dazu, um dieses Handwerk erfolgreich betreiben zu können. So kommt man zu einem guten Ruf. Als Restaurator von Originalen aus fast allen Epochen in der ganzen Schweiz ist es mir gelungen, eine Kunstfertigkeit zu erlangen. So begann ich, alte Möbel, Schränke, Himmelbetten und Kommoden nachzubauen, die von den Originalen kaum zu unterscheiden waren. Geholfen hat mir auch die Mundpropaganda: Durch diese bin ich zu vielen langjährigen Kunden gekommen.

Sie könnten längstens geruhsam Ihren Lebensabend geniessen. Was treibt Sie Tag für Tag in die Werkstatt des Zentrums Waldstatt? Ich muss (lacht)! Ich würde sterben, wenn ich den ganzen Tag lang nur zu Hause herumhocken müsste und nichts zu tun hätte. Diese Arbeit ist meine Medizin und gibt meinem Leben Sinn. Ich mache das Ganze nicht aus kommerziellen Gründen: Ich muss nicht damit Geld verdienen. Vielmehr ist es meine Berufung.

Sie sind auch als Erfinder von Gegenständen in die Geschichte eingegangen. Ja, ich baue Vogelhäuschen, die man auch als Lampe benutzen und gebrauchen kann. Fasziniert von barocken Möbeln begann ich schliesslich auch mit der Anfertigung von Miniaturmöbeln, die ich den grossen Exemplaren exakt bis in alle Einzelheiten nachbaue mit der alten detailreichen Ornamentierung: Jedes ein Bijou, ein einmaliges Stück seiner Art.

Ist Ihre Frau begeistert davon, dass Sie so viel Zeit in der Werkstatt statt zu Hause verbringen?

Nein, nicht so wirklich (lacht)! Auf der anderen Seite ist meine Frau auch wieder froh, wenn ich nicht andauernd zu Hause herumsitze. Ich arbeite ja im Schnitt nur etwa drei Stunden pro Tag. Kein Vergleich zu früher: Früher war das viel schlimmer. Meine Frau hat da viel auf mich verzichten müssen. Meine Arbeitstage waren lang, und ich habe regelmässig sechzig Stunden in der Woche gearbeitet. Definitiv schlägt mein Herz für Antikmöbel – und für meine Frau. Ausgerechnet an der Chilbi in Samstagern haben Sie Ihre Frau kennengelernt. Können Sie sich noch erinnern an die Umstände Ihrer ersten Begegnung? Es war ein Tag im Sommer 1967, es war in der Tat an der Chilbi in Samstagern: Ich habe da eine Frau erblickt, die ich vom Sehen her kannte und die mir gut gefallen hat. Und so habe ich sie gefragt, ob ich sie nach der Chilbi in meinem Auto nach Hause in Wädenswil fahren darf. So haben wir uns kennengelernt. Und sind so schon seit 53 Jahren zusammen.

Wie haben Sie es mit der Religion?

Ich bin an sich katholisch. Ohne dass ich nun jeden Sonntag die Messe in der Klosterkirche besuchen würde. Um religiös zu sein, ist es nicht vonnöten, den Sonntagsgottesdienst zu besuchen. Man kann Gott auch auf einem Spaziergang begegnen. Und ich bin doch ziemlich oft am Spazieren: Ich muss ja jeden Tag hinaus mit dem Hund Wohin bewegt sich die Welt?

Es ist da eine Riesenkatastrophe auf der Welt programmiert. Ich sehe schwarz, was die Umwelt unserer Erde betrifft. Alle wollen mit dem Flieger allüberall hinreisen in ihren Ferien. Unsere Welt versinkt im Lärm des Verkehrs. Und die jungen Leute: Alle töggelen da wie wild auf ihrem Handy herum. Und sie interessieren sich nur für eine Sache auf dieser Welt: für den Sport.

Antikmöbel jeglicher Art und Formen bilden das Umfeld von José Garcias Atelier und Werkstatt im Zentrum Waldstatt in Einsiedeln.

Garcia hat es erfunden: Vogelhäuschen, die gleichzeitig als Lampen dienen. Fotos: Magnus Leibundgut

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