Veröffentlicht am

«Wir sind unter Dauerstrom»

«Wir sind unter Dauerstrom» «Wir sind unter Dauerstrom»

Velogeschäfte in der Region haben von der Corona-Situation profitiert

Die Corona-Pandemie hat auch positive Seiten. Velogeschäfte in und um Einsiedeln haben gerade während des Lockdowns nicht schlecht verdient – weil so mancher plötzlich den Geschmack am Velofahren wiederentdeckte. Für die Händler bedeutet der Run aufs Rad aber auch viel Arbeit.

WOLFGANG HOLZ

«Wir haben schon Ende Juli 30 Prozent mehr Umsatz als im Vergleich zum Vorjahr gemacht», freut sich Edgar Steinauer von der roleto Bikes + Sport AG in Schindellegi. Der Einsiedler Chef des Velogeschäfts versichert, dass es während des Lockdowns «ganz extrem» in Sachen Kundenansturm zu- und hergegangen sei.

«Es kamen zum einen viele zu uns, die ihre alten Velos aus dem Keller holten und reparieren liessen», erzählt Steinauer. Zum anderen seien viele neuen Fahrräder online verkauft worden. «Und die Velos, die Kunden bei uns vor dem Lockdown bestellt hatten, durften wir ja noch ausliefern.» Um diesen Run aufs Rad bewältigen zu können, habe sein fünfköpfiges Team inklusive Lehrling sieben Tage pro Woche gearbeitet.

Dass so viele Leute plötzlich ihren Geschmack am «Pedaletreten » gerade während des Lockdowns entdeckten, führt Steinauer auf die Tatsache zurück, dass wegen der Corona- Pandemie eben viele andere Sport- und Freizeitmöglichkeiten gestrichen waren.

Wobei der beherzte Tritt in die Pedale heutzutage immer häufiger eine motorisierte Unterstützung erfährt. Denn immer mehr Velofahrer entscheiden sich für E-Bikes, bei denen es neben der reinen Muskelkraft eben ein Elektromotor mit Gas gibt. Die Verkaufszahlen haben deshalb deutlich zugenommen, so Steinauer – auch wenn die Umsätze nicht in gleichem Umfang steigen würden.

«Denn die Margen sind nicht so gross, und der E-Bike-Markt ist kontrolliert.» Bei Kälin Velos in Willerzell beträgt der Anteil verkaufter E-Bikes im Verhältnis zu «normalen » Rädern aber inzwischen schon 70 Prozent. «Mit den E-Velos kann man eben viel leichter Berge erklimmen», sagt Sandra Kälin. Ausserdem böten die Bikes mit Strom im Tank einfach viel mehr Möglichkeiten in Sachen Reichweite. «Nicht zuletzt brauchen die Leute mit E-Bikes nicht so viel Kraft, und für die junge Generation ist es durchaus eine Art Fun-Faktor, mal eben schnell einen Berg rauf und runter zu fahren», so Kälin. E-Bikes seien inzwischen auch bei professionellen Sportlern als Trainingsmittel sehr beliebt, so die Willerzeller Velohändlerin.

Sie und ihre Mitarbeiter mussten die letzten Wochen und Monate angesichts des Velo-Booms oft bis zu 12-13 Stunden am Tag buckeln. «Wir sind unter Dauerstrom. Ich glaube, dass es so eine extreme Arbeitssituation wie unter Corona für kleinere Geschäfte nicht mehr geben wird.» Im Einsiedler «Veloeggä» liegt dagegen das Verhältnis zwischen herkömmlichen Rädern und E-Bikes, die immerhin zwischen 3500 und 8000 (!) Franken kosten, noch bei «fifty- fifty». «Wir haben im dezentral gelegenen Klosterdorf zwar keine Geschäftsleute, die, um auf dem Weg zur Arbeit nicht schwitzen zu müssen, aufs E-Bike umsteigen », sagt Geschäftsinhaber Philipp Kälin. Dafür schätzten eben immer mehr Freizeitfahrer die flotten zweirädrigen Stromer. Viele sportliche Einsiedler setzten aber nach wie vor auf ein klassisches Mountain-Bike, berichtet Kälin. Die Corona-Pandemie hat er ebenfalls als grosse Herausforderung empfunden. «Es ist schwer zu sagen, aber wir haben bis jetzt vermutlich schon mehr Fahrräder verkauft als im letzten Jahr», schätzt Philipp Kälin. Wobei es in der Lockdown- Zeit grundsätzlich schwierig gewesen sei, überhaupt alle Velos von den Zulieferern zu bekommen. «Inzwischen haben wir bereits Modelle für 2021 im Laden stehen.» Im Ybrig hat das Coronavirus vergleichsweise weniger Spuren hinterlassen. Edi Marty, Geschäftsführer von Marty Sport in Unteriberg, ist sich sicher, grundsätzlich nicht mehr neue Velos infolge der Covid-19-Situation verkauft zu haben. Allerdings pilgerten auch zu Marty Sport viele Unteriberger, um ihre Velos aus dem Kel- ler per Service und Reparatur wieder flottmachen zu wollen. «Ich denke, bei allen funktioniert jetzt wieder das Licht an ihrem Fahrrad», sagt der Ybriger und schmunzelt.

Für Benno Kuriger von Kuriger 2-Rad in Einsiedeln ist der Lockdown wegen der Corona-Epidemie eine «zwiespältige Angelegenheit » gewesen. «Denn einerseits durften wir unser Geschäft nicht öffnen – wie alle anderen Geschäfte in der Schweiz auch –, andererseits konnten wir die Werkstatt offenhalten». Deshalb seien überdurchschnittlich viele Leute gekommen, um ihre Velos reparieren zu lassen, so Kuriger. «Wir sind ein Fachbetrieb und verfügen eben über jahrelange Erfahrung.» Insgesamt betrachtet habe man bis jetzt, in Corona-Zeiten, 50 Prozent mehr Velos verkauft als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dabei machen auch bei Velo Kuriger die E-Bikes inzwischen einen grossen Anteil im Vergleich zu den normalen Rädern im Verkauf aus: mehr als 50 Prozent. Und was ist mit den vielen Überstunden, die durch den Run aufs Rad in Zeiten von Corona entstanden sind? Benno Kuriger sieht es pragmatisch: «Wir sind ein Kleinbetrieb und arbeiten eben dann, wenn wir Arbeit haben.» zvg

roleto Bikes + Sport, Schindellegi

2-Rad/Motorgeräte, Einsiedeln

Kälin Velos, Willerzell Kuriger Fotos:

Share
LATEST NEWS