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Ein offenes Ohr hinter einer offenen Tür

Ein offenes Ohr hinter einer offenen Tür Ein offenes Ohr hinter einer offenen Tür

Bruder Alexander empfängt als Pförtner im Kloster Einsiedeln die Pilger

Die Kirchenpforte ist bei den Benediktinern ein wichtiger Teil eines Klosters. Nach dem dortigen Besuch ist man um Auskunft, wohlwollende Worte oder den Pilgerstempel reicher. Im Kloster Einsiedeln übernimmt Bruder Alexander Schlachter den Dienst des Pförtners.

CAROLINE KÄLIN

Zu finden ist sie vorne rechts in der Klosterkirche. Wer eintreten möchte, zieht kräftig an der Klingel und wartet darauf, dass die Türe von innen geöffnet wird. Die Kirchenpforte stellt eine Möglichkeit dar, mit dem Kloster in Kontakt zu treten und einen tieferen Blick hinter die Klostermauern zu werfen. Sie ist Anlaufstelle für Menschen mit den verschiedensten Anliegen, Fragen und Wünschen, denen, soweit es möglich ist, allen nachgegangen wird.

Nebst geistlichen Auskünften werden auch Informationen über Kunst und Musik geliefert oder Sinn- und Lebensfragen beantwortet. Diesen Belangen wird an der Pforte während 365 Tagen im Jahr nachgekommen. Da es sich an der Kirchenpforte grundsätzlich um religiöse Angelegenheiten handelt, ist sie innerhalb der Kirche lokalisiert, dort wo sich auch die Gottesdienste, Gebete und Wallfahrt abspielen. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Hofpforte, welche beim Abteihof ist und für alle Belange gedacht ist, die das öffentliche Leben betreffen.

Eine altbekannte Arbeit

Bereits der Begründer des Benediktinerordens, zu dem die Mönche im Kloster Einsiedeln gehören, Benedikt von Nursia, mass der Kirchenpforte eine besondere Bedeutung bei. Er hielt sie für so wichtig, dass er dem Amt des Pförtners ein eigenes Kapitel in seiner Regel, die als geistliche Grundlage für das klösterliche Leben dient, widmete. Er legte fest, dass der Pförtner Rede und Antwort zu stehen wissen sollte, Pilger und Wallfahrer empfangen und auf Menschen eingehen können, muss aber trotzdem diskret sein soll.

Der Pförtner muss sich sowohl in die Freude als auch in das Leid der Besucher hineinfühlen können. Auch mit schwierigen Persönlichkeiten hat er stets freundlich und geduldig umzugehen. Ein Punkt aus dem Kapitel, der im Kloster Einsiedeln nicht erfüllt wird, besagt, der Pförtner solle seinen Schlafplatz direkt bei der Pforte haben. Da die Kirche nachts von Wächtern geschlossen wird, ist es jedoch nicht notwendig, dass der Pförtner zur Bewachung dort schläft. Seine Zelle liegt auf den langen Gängen des Klosters. Breit gefächertes Publikum

Jährlich finden rund eine Million Pilger den Weg nach Einsiedeln und an die Kirchenpforte. Häufig möchten diese eine heilige Messe bestellen, aufgrund schwieriger Lebenssituationen, für Glück bei bedeutenden Prüfungen oder für Verstorbene, damit Gottesdienste im Namen dieser Anliegen gefeiert werden.

Pilger, die auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela sind, machen ebenfalls halt an der Pforte, um den Pilgerstempel zu erhalten. Zudem sind unter den Besuchern Bettler, die alle ein Mittagessen kriegen, das Gleiche, das auch die Mönche am jeweiligen Tag essen.

Ausserdem erreichen Schulklassen und Weisssonntagsoder Firmgruppen die Pforte, die meistens noch einige Antworten für Quizfragen benötigen. Auch Angehörige, Freunde und alte Schulkameraden der Mitbrüder melden sich beim Pförtner.

Immer wieder kommen aber auch Menschen zur Pforte, die kurz vor einer grossen Operation stehen oder an einer schweren Krankheit leiden. Diese bitten dann um den Krankensegen oder die Krankensalbung. Auch Leute mit seelischen Leiden suchen an der Kirchenpforte Unterstützung. Besonders zur Advents- und Weihnachtszeit kommen viele Personen vorbei, die in einem «Tief» stecken. Trost wird gespendet, indem man für die Leute ein offenes Ohr hat und ihnen Mut macht. Oft hilft es, wenn die Menschen merken, dass sie nicht allein sind mit ihrem Kummer und wenn sie wissen, dass im Gebet an sie gedacht wird. Personen, welche an einer ernst zu nehmenden psychischen Krankheit leiden, wird zusätzlich ans Herz gelegt, sich professionelle Hilfe zu nehmen. Solche Begegnungen sind leider oft traurig und hinterlassen einen bleibenden Eindruck, doch sie gehören zum Alltag an der Pforte dazu. Zum Dank bringen die Leute oft kleine Geschenke mit, schicken Karten oder zeigen sich grosszügig mit einer Spende zur finanziellen Unterstützung des Klosters.

Pförtner als Berufung Die Person, die all diese Besuche entgegennimmt, ist Bruder Alexander Schlachter. Schon seit 35 Jahren ist er mit Leib und Seele Pförtner im Kloster Einsiedeln. «Ich merke, dass es meine Berufung ist, für andere Menschen da zu sein» erzählt er. Schon bei seinem Eintritt ins Kloster 1983 war für ihn klar, dass er eine Arbeit übernehmen möchte, bei der er viel Kontakt zu anderen Leuten hat. Nachdem er die Fremdsprachen Französisch und Italienisch gelernt hatte, um den Pfortendienst überhaupt übernehmen zu können, wurde ihm am Palmsonntag 1985 vom damaligen Abt Georg Holzherr der Schlüssel zur Kirchenpforte überreicht. Zur Hand geht ihm Pater Ansgar Schuler. Ist der eine nicht anwesend, übernimmt der andere die Hauptverantwortung.

Besonders gut gefällt Bruder Alexander, dass kein Tag an der Pforte dem anderen gleicht. All diese verschiedenen Menschen kennenlernen zu können sei bereichernd und interessant, und zu einigen pflegt er heute eine gute Freundschaft. Es beeindruckt ihn, dass das Interesse für Einsiedeln, das klösterliche Leben und die schwarze Madonna in all diesen Jahren nie abgenommen hat. Doch in Zeiten der Corona-Pandemie ist von dieser Begeisterung leider weniger zu spüren. Werktags kommen normalerweise 40 bis 60 Personen zur Pforte und an Sonntagen sind es sogar 100 bis 200. Seit März sind diese Zahlen stark reduziert. Bruder Alexander beschreibt die jetzige Lage als die ruhigste Zeit, die er in seinen 37 Jahren im Kloster je erlebt hat. Er freut sich darauf, wenn es wieder lebendiger wird an der Kirchenpforte und die Leute erneut fragen, wo denn die Schwarze Madonna sei, wieso sie überhaupt schwarz wäre und wo denn die Toiletten seien.

Aktuelle Öffnungszeiten der Kirchenpforte: 9 bis 11 Uhr, 13.30 bis 16.15 Uhr und 17 bis 17.30 Uhr

Charakteristisch für die Kirchenpforte ist die von Hand ziehbare Klingel. Fotos: Caroline Kälin

Vor der Türe sind auf dem Boden Markierungen zu sehen (gelbes Kreuz). Diese sind einzuhalten.

Ein begehrter Eintrag: Bruder Alexander drückt den Einsiedler Pilgerstempel ins Heft eines Wallfahrers.

Bruder Alexander ist schon seit 35 Jahren mit Leib und Seele Pförtner im Kloster Einsiedeln.

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