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«Aus der Begegnung soll Bewegung entstehen»

«Aus der Begegnung soll Bewegung entstehen» «Aus der Begegnung soll Bewegung entstehen»

Pater Martin Werlen zieht es in den Vorarlberg: Der ehemalige Abt des Klosters Einsiedeln übernimmt die Leitung der Propstei Sankt Gerold. «Es ist kein Abschied vom Kloster», sagt Pater Martin: «Die Propstei St. Gerold ist auch Kloster Einsiedeln.» Die Kirche sei mit den Menschen auf dem Weg auf der Suche nach Neuaufbrüchen und wage konkrete Schritte.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie kommen Sie dazu, die Propstei St. Gerold zu übernehmen – wie die Jungfrau zum Kind? Im Auftrag unserer Klostergemeinschaft darf ich Verantwortung übernehmen in unserer Propstei St. Gerold. Abt Urban hat mich gefragt, ob ich dazu bereit wäre. Mit grosser Freude habe ich zugesagt. Welche Schwerpunkte setzen Sie sich in Ihrer zukünftigen Arbeit in der Propstei St. Gerold? Ein Schwerpunkt wird in der jetzigen Situation der Kirche und der Gesellschaft gewiss sein, dringend notwendige Reformbewegungen zu unterstützen. In der Propstei St. Gerold soll erfahrbar sein: Die Kirche ist mit den Menschen auf dem Weg auf der Suche nach Neuaufbrüchen und wagt konkrete Schritte. Dabei will sie bewusst auf Menschen zugehen, die andere Erfahrungshintergründe haben, und auch von ihnen lernen. Aus der Begegnung soll Bewegung entstehen. St. Gerold soll vermehrt zu einer Reformzelle werden. Weitergebaut wird auf den bewährten Säulen Spiritualität, Bildung und Kultur.

Fällt Ihnen der Abschied vom Kloster Einsiedeln schwer?

Die Propstei St. Gerold ist auch Kloster Einsiedeln. Es ist also kein Abschied vom Kloster. Es ist ein Abschied vom geregelten Leben in Einsiedeln zusammen mit vielen Mitbrüdern. Den geeigneten Rhythmus muss ich mir in St. Gerold selbst aufbauen. In der Propstei St. Gerold sind Sie ganz auf sich alleine gestellt. Wird Ihnen die Klostergemeinschaft fehlen? So wie wir in Einsiedeln jeden Tag für die abwesenden Mitbrüder beten, so werde ich es auch in St. Gerold tun. Die Gebetsgemeinschaft jeden Tag bleibt. Die Arbeit, die ich in St. Gerold tue, ist im Auftrag der Klostergemeinschaft. Regelmässig werde ich mich mit Pater Christoph und Pater Niklaus treffen, die im Auftrag der Klostergemeinschaft Dienste in unseren Pfarreien im Vorarlberg wahrnehmen. Wann immer ich die Möglichkeit zu einem Besuch in Einsiedeln habe, werde ich sie gerne packen. Oder freuen Sie sich vielmehr, ab Mitte August in einer Art Einsiedelei zu leben? Ich freue mich sehr. Wie Einsiedeln, so ist auch St. Gerold im Ursprung eine Einsiedelei – aus der Zelle des heiligen Meinrads ist ein grosser Wallfahrtsort geworden, aus der Zelle des heiligen Gerold ein von vielen Menschen aufgesuchtes Zentrum der Spiritualität, der Bildung und der Kultur. Letzteres verdanken wir vor allem Pater Nathanael in seinen fünfzig Jahren als Propst. Pater Kolumban hat in den vergangenen elf Jahren mit grossem Einsatz daran weitergebaut. Jetzt freue ich mich, in dieser ehemaligen Einsiedelei zusammen mit vielen Mitarbeitenden den Weg in Dankbarkeit für das Vergangene vom Heute ins Morgen zu wagen.

Kommt Ihnen der Wechsel nach St. Gerold entgegen oder hat der Orden entschieden, dass Sie Pater Kolumban ablösen? Ich freue mich auf diesen Wechsel. Zustande kommt er, weil Pater Kolumban Abt Urban darum gebeten hat. Er freut sich, seine Berufung nach dem sehr anstrengenden Dienst in Österreich wieder in Einsiedeln zu leben. Finden Sie in der Propstei St. Gerold die Zeit zum Schreiben und kennen Sie bereits das Thema Ihres nächsten Buches? Meine Bücher entstehen nicht, weil ich Zeit zum Schreiben habe, sondern weil mich Erfahrungen bewegen. Bevor ich etwas niederschreibe, muss das Buch in meinem Denken und Empfinden bereits da sein. Das war im vergangenen März der Fall. Da nahm ich Kontakt mit dem Verlag auf. So entstanden der Buchumschlag und der Text darauf bereits dann, als noch kein Wort niedergeschrieben war. Und die Werbung ging los. Von April bis Juni konnte ich in freien Momenten tippen, was sich in mir bewegte. Jetzt korrigiere ich gerade die Druckfahne. Das Buch erscheint Anfang Oktober. Es trägt den Titel «Raus aus dem Schneckenhaus! Nur wer draussen ist, kann drinnen sein. Von Pharisäern mit Vorsicht zu geniessen.» Wohin bewegt sich die Welt?

Das weiss ich nicht. Mit dem Glauben aber habe ich einen Kompass, der mir auch in unserer sehr herausfordernden Zeit hilft, dankbar des Vergangenen zu gedenken, leidenschaftlich die Gegenwart zu leben und zuversichtlich in die Zukunft zu gehen.

Pater Martin Werlen zügelt vom Einsiedler Klosterdorf ins Grosse Walsertal: «St.Gerold soll vermehrt zu einer Reformzelle werden. Weitergebaut wird auf den bewährten Säulen Spiritualität, Bildung und Kultur.» Foto: Magnus Leibundgut

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