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«Es entstehen schöne Begegnungen»

«Es entstehen schöne Begegnungen» «Es entstehen schöne Begegnungen»

Gerda Kuriger ist Medizinische Praxisassistentin und leitet seit 20 Jahren das Blutspendezentrum im Spital Einsiedeln. Jedes Jahr entnimmt sie alleine 800 bis 900 Blutspenden.

LUKAS SCHUMACHER

Wie ist das Blutspendezentrum im Spital Einsiedeln entstanden?

Blut spenden konnte man im Spital Einsiedeln schon immer, früher war es einfach noch nicht so regelmässig. Das Spitallabor hat nur Spender aufgeboten, wenn spontan Blut gebraucht wurde. Heute ist das nicht mehr möglich, weil zuerst verschiedene Tests, wie zum Beispiel HIV, Hepatitis und so weiter durchgeführt werden müssen.

Vor 20 Jahren, als ich mich nach einer 13-jährigen Kinderpause wieder im Spital Einsiedeln beworben hatte, wurde mir angeboten, den Blutspendedienst im Spital neu zu organisieren. Ich durfte selber wählen, zu welchen Zeiten ich arbeiten möchte. Flexible Arbeitszeiten bedeuteten für mich als zweifache Mutter damals einen grossen Vorteil. Ich habe gemerkt, dass die meisten Blutspender am liebsten am Abend, nach der Arbeit zum Spenden kommen. Deshalb führte ich die Abendspende ein. Ich bin aber immer offen, nach Möglichkeit auf die Wünsche der Spender einzugehen.

Arbeiten Sie alleine?

Für die Abnahme und Verarbeitung der Blutspenden bin ich alleine zuständig. Die Blutspender schätzen es sehr, wenn immer dieselbe Person für sie da ist. So können sie Vertrauen aufbauen. Ich kenne jeden einzelnen Spender und bin mit allen per Du. Das macht alles lockerer, ungezwungener und vertrauter.

Meine Vorgesetzte Els Dockx koordiniert alles Administrative im Hintergrund wie beispielsweise die Zusammenarbeit und den Austausch mit dem Blutspendezentrum Zürich (ZHBSD), dem wir angeschlossen sind.

Ist es üblich, dass ein Spital einen eigenen Blutspendedienst anbietet? Nein, es gibt nur noch wenige Spitäler, die einen eigenen Blutspendedienst haben. Zum ZHBSD gehören zum Beispiel die Spitäler Männedorf, Uznach und Einsiedeln. Früher waren auch Lachen und Schwyz noch dabei. Der Aufwand durch die immer wieder neuen Bestimmungen und Richtlinien ist eben doch sehr gross. Lohnt sich ein eigener Blutspendedienst im Spital Einsiedeln?

Ja, laut Cheflaborantin Esther Andres lohnt sich der Aufwand, da wir so immer genügend Blutkonserven der verschiedenen Blutgruppen auf Lager haben und daher kein Blut vom ZHBSD einkaufen müssen. Was hat sich beim Blutspenden von damals zu heute geändert? Der Ablauf der Blutentnahme ist im Grunde gleich geblieben. Die Kriterien für die Zulassung der Spende werden immer etwas strenger, was es manchmal schwieriger macht, geeignete Spender zu finden. Früher gab es noch nicht so viele Einschränkungen. Es freut mich sehr, dass trotzdem auch viele junge Leute zum Spenden kommen. Viele kennen dies schon von den Eltern oder sind in einem medizinischen Beruf tätig und bringen dann Freunde und Bekannte mit.

An welche aussergewöhnliche Situation können Sie sich noch gut erinnern? Einmal kam ein Mann zum Blutspenden. Es war für ihn das erste Mal. Nachdem er den Fragebogen ausgefüllt hatte, betrat er den Raum und war plötzlich sehr bleich. Er brach danach zusammen und wurde kurz ohnmächtig – noch bevor es zu einer Blutentnahme kam. Er erklärte mir dann, dass er auf dem Fragebogen gelesen habe, dass bei der Spende ein halber Liter Blut entnommen würde und dass ihm bei diesem Gedanken richtig übel wurde. Ich habe ihm daraufhin empfohlen, wohl besser nicht zu spenden und ich glaube, er war sehr froh darüber.

Gab es noch andere kritische Situationen beim Spenden? In den meisten Fällen verlaufen die Blutspenden problemlos. Es kann aber sein, dass die Spender vorher nichts oder zu wenig gegessen und getrunken haben. Dann kann es vorkommen, dass ihnen schlecht wird. Dann breche ich die Spende natürlich sofort ab. Dies kann schon am Anfang oder inmitten der Spende sein. Diesen Leuten empfehle ich dann keine weitere Blutspende. Es kommt aber vor, dass erst nach der erfolgten Spende Übelkeit auftritt, dann lasse ich die Spender länger liegen, öffne das Fenster, gebe ihnen etwas zu trinken und lasse sie erst aufstehen, wenn sie sich wieder ganz wohl fühlen. In den vergangenen 20 Jahren kam es viermal vor, dass ein Spender in den Notfall gebracht werden musste, zwei Männer und zwei Frauen. Hand aufs Herz: Stechen Sie nie daneben? Doch, natürlich kann auch das vorkommen. Wenn jemand nicht so «schöne», das heisst nicht gut sicht- oder tastbare Venen hat, ist es viel schwieriger, die richtige Vene zu treffen. Heute bin ich aber viel ruhiger und gelassener als früher. Das macht die langjährige Erfahrung aus.

Am Anfang ist mir einmal ein grober Fehler passiert. Ich traf bei einem Spender anstatt der Vene eine Arterie. Der Beutel war in kürzester Zeit mit 450 Milliliter hellrotem Blut gefüllt. Ich musste Hilfe vom Notfall holen, um die Blutung zu stoppen. Dies war für mich das schlimmste Erlebnis in diesen 20 Jahren und werde dies mit Sicherheit nie mehr vergessen. Wie gehen Sie mit jemandem um, der Angst vor Spritzen hat? Ich empfehle ihm, beim Stechen wegzuschauen und lenke ihn mit einem Gespräch ab. Wie viele Spenden empfängt das Spital jährlich? Etwa 800 bis 900 Spenden. Wir brauchen dazu aber eine grosse Auswahl an Spendern verschiedener Blutgruppen. Manchmal sind die Spender krank oder waren in einem Risikoland in den Ferien oder können aus anderen Gründen vorübergehend nicht zur Spende zugelassen werden. Deshalb sind wir immer wieder auch auf Neuspender angewiesen.

Gab es auch schon Momente, in denen die Blutreserven knapp wurden? Als ich aufgrund eines Unfalls für längere Zeit ausfiel, musste das Spital Blut vom ZHBSD in Zürich beziehen. Eine Blutkonserve ist nur 6 Wochen haltbar. Was passiert mit dem Blut nach einer Spende? Ein Blutentnahmeset besteht aus 4 Beuteln und ist ein geschlossenes System, das heisst das Blut kommt niemals mit Luft von aussen in Berührung, somit ist keine Kontamination möglich. Zuerst muss der Blutbeutel für mindestens eine Stunde auf eine Kühlplatte gelegt werden. Dann wird das Vollblut filtriert, im Filter bleiben die weissen Blutkörperchen, die nicht benötigt werden und dem Empfänger schaden könnten. Dann wird das Vollblut etwa 20 Minuten zentrifugiert und somit separiert in Blutplasma und rote Blutkörperchen-Konzentrat. Der Patient erhält nur die roten Blutkörperchen. Anderntags werden von jeder Spende verschiedene Tests durchgeführt und erst wenn alle Resultate negativ anzeigen, kann die Blutkonserve freigegeben werden.

Spenden Sie selber auch Blut?

Nein, im Moment nicht, habe aber schon etwa 30-mal Blut gespendet. Wie lange möchten Sie den Job noch machen? Mir gefällt diese Arbeit wirklich sehr gut. Ich bin weitgehend selbstständig und kann flexibel arbeiten. Ich liebe die vielen unterschiedlichen Begegnungen und Gespräche mit den Blutspendern und merke, dass sie sich wohl fühlen und gerne zu mir kommen. Von daher muss ich sagen, dass ich sicherlich noch bis zur Rente bleiben werde und vielleicht auch länger. Aber das entscheide ich dann, wenn es so weit ist.

Das Spital Einsiedeln führt zwei- bis dreimal pro Monat, jeweils von Montag bis Mittwoch, das Blutspenden durch. Wer das erste Mal spenden möchte, muss sich vorher anmelden. Danach werden die Spender nach einer gewissen Frist (3 Monate bis 1 Jahr, je nach Wunsch des Spenders) von Gerda Kuriger telefonisch aufgeboten.

Lebenslauf

lsc./Mitg. Gerda Kuriger wurde 1958 geboren und begann ihre Berufskarriere als Arztgehilfin im damaligen Notspital an der Eisenbahnstrasse. Danach arbeitete sie im Labor des Spitals in Burgdorf, bevor sie sich auf eine mehrjährige Reise begab. Zurück in Einsiedeln wurde sie Mutter von 2 Kindern. 13 Jahre später wollte sie wieder zurück ins Labor des Spitals Einsiedeln. Leider hatten sich aber die Bestimmungen geändert und nur noch Laborantinnen und Laboranten durften im Labor arbeiten. Alternativ wurde ihr angeboten, die Blutspende mit einem 40-Prozent-Arbeitspensum zu übernehmen und weiter auszubauen.

Gerda Kuriger entnimmt einer 74-jährigen Spenderin Blut. Die Einsiedlerin spendet bereits seit 40 Jahren – dies ist das zweitletzte Mal, bevor sie zu alt zum Spenden ist. Foto: Lukas Schumacher

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