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Die Adler(chen) fliegen wieder

Die Adler(chen) fliegen wieder Die Adler(chen) fliegen wieder

Nach dem Corona-Lockdown rappelt sich die Schanzen Einsiedeln AG wieder hoch – doch die finanzielle Lage ist angespannt

Auch die Schanzen in Einsiedeln hat der Corona-Lockdown hart getroffen. Die Finanzierungslage ist angespannt. Und doch setzen kleine und grosse Adler jüngst wieder zum Flug an.

WOLFGANG HOLZ

Die Aussicht im Panorama-Restaurant auf 1001 Metern Höhe auf Einsiedeln, den Sihlsee und die verschiedenen Alpengipfel ringsum ist wirklich grandios. Eine echte Vogelperspektive – wie aus einem Adlerhorst quasi.

Und kleine und grosse Adler – sprich: Skispringer – setzen jüngst ja wieder eifrig zum Flug an. Von den Einsiedler Schanzen. Will heissen: Von der gigantischen Andreas-Küttel-Schanze, die wie ein dreiäugiger Betonriese vom Hang hinunterblickt und ihre grüne Zunge ins Tal ausstreckt, als ob sie hungrig auf Besucher sei –, sowie von der kleinen 20-Meter-Schanze, gleich unterhalb der Grossschanze.

«Simi» wuchtet Hanteln Von den grossen «Adlern» wuchtet an diesem sonnigen Morgen in einem Plastikzelt neben dem Schanzenbüro Simon Ammann fleissig schwere Hanteln. Fast unscheinbar wirkt der doppelte Doppel-Olympiasieger mit seiner Kurzhaarfrisur, seinem beigen T-Shirt und seinen schwarzen Shorts, wie er da mutterseelenallein mit seinem «Physio» trainiert. Dabei ist Einsiedeln eigentlich «Simis» Wohnzimmer – nirgendwo sonst auf der Welt ist schliesslich eine Schanze nach ihm benannt worden.

Die kleinen acht «Adler», die vor einigen Tagen im Rahmen des Ferienprogramms ein Schnuppertraining auf den Einsiedler Schanzen absolvierten, hatten da wenigstens ihre Eltern teils als Fans auf ihrer Seite, die ihre sachten Sprünge fotografierten. Corona hat massiv geschadet

Keine Frage. Nach dem Lockdown im März und April gibt es wieder Leben an den Schanzen in Einsiedeln – neben dem Kloster zweifellos die imposantesten «Landmarks» im Klosterdorf. Und doch verhehlt Geschäftsführer Thomas van Es nicht, dass es mit der Schanzen Einsiedeln AG derzeit finanziell nicht zum Besten steht. Nicht zuletzt die Corona-Krise hat ein Loch ins Portemonnaie gerissen.

«Corona hat zu zahlreichen Absagen geführt», sagt der 33-Jährige, der Sportwissenschaft studiert hat und seinen Job mit Leidenschaft ausübt, und zeigt auf einen dicken blauen Ordner im Regal. Nicht nur, dass zahlreiche Veranstaltungen ausgefallen seien – nein, auch jetzt noch würden Schanzen-Gruppenführungen von Firmen abgesagt werden, weil man das Risiko gemischter Gruppen mit Risikopersonen nicht eingehen wolle. «Die wirtschaftliche Lage ist deshalb sehr schwierig», räumt Thomas van Es ein – ohne allerdings resigniert zu wirken. Im Gegenteil.

Der junge CEO, für den Sport in seinem Leben bis jetzt immer ein wichtiger Begleiter gewesen sei, so van Es, ist hoffnungsvoll, dass die Zahl der Führungen und Reservationen im Restaurant rund um die Schanzen wieder zunehmen werde. Es gebe Anmeldungen zum Training von ausländischen Nachwuchsspringern.

«Skispringer trainieren zu 80 Prozent im Sommer – das ist gut für uns und für Einsiedeln», sagt der Weggisser. Von Swiss-Ski erhalten die Schanzen Einsiedeln AG pro Quartal eine Miete für das Training auf den Sprungschanzen. Und im Oktober würden auf den Einsiedler Schanzen ja die Schweizer Meisterschaften sowie die Helvetia Nordic Trophy für Junioren stattfinden.

Restaurant gut gebucht Zudem sei das Panorama-Restaurant gut gebucht. «Im letzten Jahr war der Brunch am Sonntagmorgen stets gut ausgelastet», so van Es. Allerdings nicht immer von Leuten aus der Region – für die das Restaurant in 40 Metern über der Erde und, wie gesagt, 1001 Meter über dem Meer, nicht allen ein Begriff sei.

Nicht zuletzt gebe es das Stiftungskapital der Besitzerfamilie, sprich: von Daniel, Marlen und Martin Kälin, die die Schanzen sicher nicht aufgeben wollten – auch wenn die Abstimmung an der Urne im letzten Jahr zur Ermöglichung der Wintertauglichkeit der Schanzen scheiterte. Und öffentliche Fördergelder vonseiten des Kantons und des Bezirks sind nicht zu erwarten. «Einsiedeln ist dennoch nach wie vor das nationale Leistungszentrum für Skispringen und Nordische Kombination.» Crowdfunding für neue Spuren

Dabei bereitet dem engagierten Geschäftsführer auch der Sommerbetrieb der Einsiedler Schanzen Sorgen. «Denn solange die Spuren auf den Schanzen nicht saniert sind, können hier keine Weltcup-Springen mehr ausgetragen werden», so van Es. Die Renovation nur aller Schanzenspuren würde auf Kosten von rund einer halben Million Franken kommen – Geld, über das die Schanzen Einsiedeln AG, die rund 20 Mitarbeiter beschäftigt, derzeit nicht verfügt. «Die Schweizer Skispringer wollen diese Investition unterstützen und per Crowdfunding einen Beitrag dazu leisten.» Das Crowdfunding wurde letzten Freitag gestartet und läuft über die Plattform «I believe in You».

Die Stiftung Schanzen Einsiedeln sei generell bemüht, die Sanierung der Schanzen Einsiedeln voranzutreiben. Es seien bereits diverse Gespräche geführt worden, und nun gehe es darum, die finanziellen Mittel zu beschaffen. Thomas van Es: «Man möchte wieder ideale Bedingungen bieten für die jüngsten Skispringer bis zu den Top-Athleten – damit auf den Schanzen Einsiedeln wieder der Sommer Grand Prix durchgeführt werden kann.» Am meisten neben einer soliden Finanzlage würde sich Geschäftsführer Thomas van Es aber wünschen, dass die Schanzen und das Skispringen in Einsiedeln wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken. «Einsiedeln hat doch schliesslich Skisprungtradition – einen Fussballplatz hat jedes Dorf», sagts und deutet auf ein Schwarzweissfoto von 1933, auf dem, damals noch im Winter, die Schweizer Skisprungmeisterschaften in Einsiedeln stattfanden. Ausserdem wünscht er sich, dass der Sport und Tourismus in Einsiedeln und in der Region grundsätzlich mehr an einem gemeinsamen Strick ziehen würden. «Man könnte sicher das eine oder andere Projekt zusammen umsetzen.»

«Skispringer trainieren zu 80 Prozent im Sommer – das ist gut für uns und für Einsiedeln.»

Thomas van Es, Geschäftsführer Schanzen Einsiedeln

Schanzenspringen erfordert Mut und Geschicklichkeit.

… und los gehts!

Ausblick wie von einem Adlerhorst: das Panorama von der Einsiedler Grossschanze ist wirklich überwältigend.

Die Teilnehmer des Schanzen-Schnuppertrainings tasteten sich langsam an die Schanzen heran.

Thomas van Es, Geschäftsführer der Schanzen Einsiedeln AG.

Angesetzt zum ersten Sprung in die Tiefe: Jungspringer des Schnuppertrainings. Fotos: Wolfgang Holz, Thomas van Es, Rita Ruoss

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