«Meine Autos sind meine Kinder»
Sein Traum ist gelb. Seine Leidenschaft sind Oldtimer und Töffs. Die Rede ist von Walter Kälin. Der 54-jährige Einsiedler hat einige automobile Raritäten in seiner Garage stehen.
WOLFGANG HOLZ
Es ist, wie wenn das Türchen des 24. Dezember am Adventskalender geöffnet wird. Wobei das «Türchen» von Walter Kälin gefühlte fünf Meter breit und drei Meter hoch ist und von aussen so gar nicht festtäglich anmutet. Doch dass «Wädi» ein Geheimnis hinter seinem Garagentor hütet, verrät schon seine flott nach oben gefönte Rockabilly- Frisur. Und wenn der 54-Jährige dann von innen das Holztor auffaltet, fällt einem echt erstmal die Kinnlade runter.
Kleines Automuseum
Was sich da vor den Augen des Betrachters ausbreitet, hat schon veritable Ausmasse eines kleinen Oldtimermuseums: Auf zwei Ebenen stehen ein Cadillac Coupé de Ville, Baujahr 1956, ein alter Ford-Super de Luxe- Achtzylinder anno 1941, eine weisse Triumph Spitfire – und zig Töffs und Motorroller: Vespas, Triumphs, Nortons, BSA. Nur eine Harley hat er nicht: «Ich mag keine schweren Töffs, Engländer sind mir lieber, die sind handlich und wendig.» Wer sich staunend weiter ins «Veteranen-Verlies» vorwagt, erspäht plötzlich rechts hinten im Eck eine maschinengrüne BMW Isetta, ebenfalls Baujahr 1956 – jenen kugelig knuffigen Kleinstwagen, der so viel mehr Charme versprüht als ein Smart heutiger Tage. Und der aufgrund seiner modernen Minimasse durchaus noch zum Auto der Zukunft in den dicht gedrängten Städten werden könnte. Und ja, hinter zwei Motorrädern leicht verdeckt, lugt schliesslich Wädis Traum hervor. Ein Traum in Gelb. Ein Jaguar E-Type-Cabrio, 4,2 Liter Hubraum, Baujahr 1968. Wow! Es fehlen eigentlich nur noch Emma Peel im hautengen Lederanzug und John Steed – mit Schirm, Charme und Melone. «Meine Autos und meine Töffs sind meine Kinder», offenbart Walter Kälin mit leuchtenden Augen, die Arme in die Hüften gestemmt. Man nimmt dies dem ledigen Märchler Landschreiber, der in Einsiedeln geboren wurde und im Klosterdorf in einem mit dunkelbraunen Schindeln bedeckten Haus wohnt, sofort ab. Denn wenn «Wädi» über seine Autos spricht, ruht er völlig in sich. Seine Stimme klingt weich und entspannt. Sein Lächeln und seine gute Laune wirken ansteckend.
Doch bevor «Wädi» einen Platz nehmen lässt in seinem Traum mit den chromglänzenden Speichenfelgen und dem liebreizenden Scheinwerferblick einer englischen Lady, hechelt erstmal satt der Cadillac-Achtzylinder- Automat rückwärts. Wobei selbst Wädi den meterlangen Boliden aus der Garage zirkeln muss – so klobig sind seine Ausmasse. 16 Liter Benzin auf 100 Kilometer schluckt der Ami locker.
«Den habe ich 2001 für 15’000 Franken im Wallis ergattert », erzählt Walter Kälin. Weit mehr als das Doppelte und zig Stunden an Arbeit habe er danach noch in den Strassenkreuzer investieren müssen, um ihn flott zu kriegen. Bereut hat er es nicht. «Es hat sieben Jahre gedauert, bis ich ihn vorführen konnte», sagt der ehemalige technische Zollbeamte. Geduld sei fast das Wichtigste, wenn man mit Oldtimern zu tun habe. Und natürlich Geld. «Geld? Ich lebe halt sonst bescheiden, die Autos und Motorräder sind mein einziger Luxus», bekennt Wädi und grinst. «Nicht gerade die saubersten Fahrzeuge» Dann ist es endlich so weit! Wädi lässt unter der ellenlangen Motorhaube des «Jag» den kernigen Sechszylinder losröhren. Man muss seine Gliedmassen etwas zurechtbiegen, um durch die fast putzig wirkenden Türen in das Kult-Cabrio einsteigen zu können. Mütze auf. Gurt festgezurrt. Dann geht die Fahrt los mit dem edlen Gefährt, das man schon als kleiner Junge im Autoquartett immer erst als letzte Trumpfkarte ausspielte.
Es sitzt sich erstaunlich bequem in dem flachen Sportwagen, der zwar etwas auf der Strasse rumpelt, aber noch immer flott nach oben beschleunigen kann. Nur beim Schalten in den dritten Gang hakt das Getriebe öfters. «Theoretisch hat der Jaguar noch über 200 Stundenkilometer drauf, doch ich fahre nie schneller als 120», versichert Wädi.
Es ist dem Einsiedler Oldtimerfreak auch bewusst, dass seine Lieblinge ökologisch gesehen nicht gerade die saubersten Fahrzeuge sind. «Ich darf mit jedem meiner Oldtimer aber auch nicht mehr als 3000 Kilometer pro Jahr fahren – sonst verlieren sie den Veteranenstatus», erklärt Kälin. Ihren Kultstatus verlieren sie auf keinen Fall – schliesslich schauen Passanten sofort auf, wenn der Traum des gelben Jaguars an ihnen vorbeihuscht. Wobei es «Wädi» wichtig ist, «dass Männer nur nachschauen wegen des Oldtimers, nicht wegen mir». Sagts und grinst. Und schaltet lässig in den vierten Gang hoch. «Ich darf mit jedem meiner Oldtimer nicht mehr als 3000 Kilometer pro Jahr fahren.»
Walter Kälin, Oldtimerfan
Echt stilvoll: Die Jaguar E-Type, Baujahr 1968, ist Walter Kälins automobiler Traum – der für den Einsiedler wahr wurde. Fotos: Wolfgang Holz
Einen «Stall» voll Oldtimer hat «Wädi» Kälin in seiner Garage stehen.
Cooler Schlitten: der Cadillac, Coupé de Ville, Baujahr 1956.
«Nemo» – in der BMW-Isetta.