«Zum Wohle des ganzen Bezirks»
Rund um die Abstimmung zur Defizitgarantie Spital Einsiedeln im Jahrt 1975
1975 stand weniger die Defizitgarantie im Zentrum der Diskussion, sondern vielmehr der Bezirksbeitrag an den Neubau des abgebrannten Krankenhauses.
VICTOR KÄLIN
Am 7. Dezember 1975 sagte Einsiedeln Ja zum Baukostenbeitrag von 3,25 Millionen Franken an die Stiftung Krankenhaus Maria zum finstern Wald und Ja zur Übernahme des Betriesbsdefizites des Regionalspitals. Die beiden Anträge des Bezirksrates waren verpackt in einer gemeinsamen Vorlage; eine differenzierte Stimmabgabe war nicht möglich. 1962 Ja-Stimmen (77,8 Prozent) standen 560 Nein-Stimmen (22,2 Prozent) gegenüber. Ein äusserst deutliches Ergebnis. Die Stimmbeteiligung betrug 41 Prozent. Angesichts der Bedeutung der Vorlage war das hingegen eine bescheidene Quote – und vielleicht ein Trost für die heutige Zeit mit teilweise ebenso geringem Interesse.
Ein traumatisches Erlebnis
Aus heutiger Sicht bescheiden war auch die öffentliche Diskussion zur Spitalvorlage. Die Meinungen waren offensichtlich grossmehrheitlich gemacht, die Unterstützung dem Spital gewiss. Die Bevölkerung konnte damit das traumatische Erlebnis des Spitalbrandes vom Mai 1973 verarbeiten: Ein Neubau galt als logische Konsequenz zur damaligen Katastrophe. «Zum Wohle des ganzen Bezirks », wie der damalige EA-Redaktor Franz-Xaver Erni zwei Tage vor der Abstimmung schrieb.
Im Einsiedler Anzeiger ebenfalls kurz abgehandelt wurde die Bezirksgemeinde vom 28. November (also lediglich 9 Tage vor der Abstimmung!). Die Berichterstattung beschränkte sich auf 15 Zeilen: Zwar wurde ausgiebig diskutiert und Auskunft verlangt; da kein Rückweisungsantrag erfolgte, wurde die Vorlage zur Abstimmung überwiesen. Mehr gab es dazu nicht. «Unmoralisch und unsozial»
In unserer Zeitung erschien im Vorfeld gerade einmal ein kritischer Leserbrief – und erst noch anonymisiert, da die Verfasser fürchteten, als «unmoralisch und unsozial» gebrandmarkt zu werden. Für die beiden Leserbriefschreiber lag «in der Befürwortung eines neuen Spitals eine mindestens so grosse Verantwortung wie in deren Ablehnung ». Sie unterschieden klar in Baukostenbeitrag und Defizitgarantie: «Was uns nachher Jahr für Jahr drückt, sind nicht die Kosten für den Neubau, sondern viel mehr die Defizitgarantie.» Die ärgsten Befürchtungen bewahrheiteten sich zwar erst viele Jahre später: Erstmals zwischen 1998 und 2003 musste der Bezirk für die Spitaldefizite tief in die eigene Kasse greifen und rund 22 Millionen Franken aufwenden. Danach verstrichen wieder viele Jahre ohne Defizitbeiträge – bis im Jahr 2020 weitere 1,5 Millionen fällig geworden sind. Doch diese Zahlen zeigen, wie rasch und heftig aus einer Garantie konkretes Geld wird.
Schwierige Defizitermittlung
Die Defizitgarantie, wie sie 1975 angenommen wurde, beschränkte sich zwar auf die Betriebsrechnung des Spitals; ansonsten war die Höhe gegen oben offen. Da die Ermittlung des Defizites als «schwierig» galt, wurde ein Gutachter beigezogen, der «nach eingehender Analyse und Vergleiche mit anderen Spitälern» das erwartete Jahresdefizit auf 500’000 Franken jährlich festlegte. Dank des Bezirksbeitrages von 3,25 Millionen würde sich dieses aber auf 250’000 Franken verringern. Die Pro-Kopf-Belastung von 25 Franken bezeichnete der Bezirksrat «als zumutbar». Die Stimmbürger ganz offensichtlich auch.
9. Mai 1973: Das Einsiedler Krankenhaus wird ein Raub der Flammen. Der Neubau kostet 12 Millionen Franken.
Foto: Archiv Einsiedler Anzeiger