«Es kommen weniger Wallfahrer ins Klosterdorf als früher»
Die Region Einsiedeln ist mit zwei neuen Verwaltungsräten in der Tourismusorganisation Einsiedeln-Ybrig-Zürichsee AG vertreten. Pater Philipp Steiner schildert, wie er sich für die Region einsetzen will. Als Mönch und Wallfahrtsverantwortlicher liegt ihm die Spiritualität am Herzen.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie sind Sie in dieses Amt geraten?
FürTheoRohner,derseitderGründung von Einsiedeln-Ybrig-Zürichsee AG (EYZ) im Jahr 2018 im Verwaltungsrat tätig war und im Vorstand von Einsiedeln Tourismus ist, wurde ein Ersatz gesucht. Da ich als Wallfahrtspater im Kloster auch mit touristischen Themen zu tun habe und im Vorstand von Einsiedeln Tourismus bin, schien ich ein passender Nachfolger zu sein. Welchen Bezug haben Sie zum Tourismus? Ich bin in Brunnen am Vierwaldstättersee aufgewachsen. Die Anwesenheit von Touristen, aber auch das Bewusstsein, durch eine solch schöne Heimat privilegiert zu sein, hat mich sicher geprägt. Das Kloster Einsiedeln ist ein «Leuchtturm» für die Tourismusregion Einsiedeln-Ybrig-Zürichsee, und die Wallfahrt ist wohl die älteste Form von Tourismus. Bezüge und persönliches Interesse gibt es also genug, aber diese machen aus mir bestimmt noch keinen Fachmann. Ich lerne ständig dazu.
Gibt es bestimmte Projekte, für die Sie sich einsetzen wollen?
Als Verwaltungsrat habe ich keine eigene Agenda. Ich setze mich für die EYZ AG ein und damit für unsere Region. Als Mönch und Wallfahrtsverantwortlicher liegt mir natürlich die Spiritualität am Herzen. Das Kloster Einsiedeln ist in unserer Tourismusregion stark präsent, und hier möchte ich mich für eine gute Zusammenarbeit und eine Stärkung der Gastfreundschaft einsetzen. Wo liegen die Probleme im Tourismus?
Gerade auch die Corona-Krise hat gezeigt, dass der Tourismus stark von Aussenfaktoren abhängig ist, die wir nur teilweise beeinflussen können. Zudem machen nun mal viele Schweizer gerne im Ausland Ferien, obwohl das Gute doch so nah liegt. Überdies ist die Schweiz für Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland halt schon sehr teuer. Herausforderungen gibt es viele, aber auch Chancen, die genutzt werden sollen. Hier müssen wir am Puls der Zeit sein. Verlagert sich das Gewicht vom Winter-auf den Sommertourismus? Die Klimaveränderung bringt grosse Herausforderungen für den lokalen Tourismus. Naturgemäss schafft der Klimawandel schwierigere Bedingungen für Skigebiete in mittleren Höhen. Das Brunni und der Friherrenberg leiden darunter, wenn wenig Schnee fällt. Für das Hoch-Ybrig mache ich mir weniger Sorgen, weil dort eine bessere Infrastruktur und Höhenlage den Unterschied machen. Die Wallfahrtssaison liegt im Sommerhalbjahr. Um die mache ich mir am wenigsten Sorgen. Wie verläuft die Entwicklung bei der Zahl an Wallfahrern in Einsiedeln? Es kommen weniger klassische Wallfahrer ins Klosterdorf als früher. Es gibt zwar mehr Einzelpilger und Tagestouristen als in der Vergangenheit, aber dafür deutlich weniger Gruppenreisen. Früher war es oft gar nicht anders möglich, als zusammen in einer Gruppe zu reisen. Eine grössere Mobilität und eine zunehmende Individualisierung sorgen für den grössten Wandel, der aber gleichzeitig auch ein Zeichen von Vitalität ist. Für uns im Kloster kommt es weniger auf die Quantität als vielmehr auf die Qualität eines Besuches im Wallfahrtsort an. Mit welcher Strategie können Sie dieser Entwicklung entgegenhalten?
Wir wollen den Weg zum Wallfahrtsort bewusster gestalten. Analog zum Jakobsweg, der nach Santiago de Compostela führt, wollen wir den Weg zu Fuss oder mit dem Velo ins Klosterdorf in den Fokus rücken. Die Wallfahrt soll zu einem Erlebnis werden. Sie beginnt nicht erst dann, wenn man in Einsiedeln aus dem Auto oder dem Zug steigt. Zudem sollen sich die Menschen hier willkommen und gut aufgehoben fühlen. Wie verhält sich die Zahl der Gottesdienstbesucher in der Klosterkirche? Die Mitfeier einer heiligen Messe gehört heute für viele nicht mehr automatisch zu einer Wallfahrt. Die Leute gestalten ihren Pilgertag viel individueller. Wir haben hier den Vorteil, dass wir viele unterschiedliche Gottesdienstformen und -zeiten, aber auch Räume der Stille anbieten können. Das kommt dem heutigen Pilger entgegen. Auf dem Klosterplatz ist allerdings immer noch ein rechtes Gedränge zu beobachten. Es kommen tatsächlich immer noch viele Leute zu uns ins Kloster. Viele Menschen besuchen die Klosterkirche aber ausserhalb der Gottesdienstzeiten. Für manche ist die Teilnahme an der Vesper eine bessere Option als eine Mitfeier der Eucharistie.
Worauf ist zurückzuführen, dass heutzutage viel weniger Touristen in den Hotels von Einsiedeln übernachten als vor fünfzig Jahren? Heutzutage kommen viel mehr Tagesausflügler nach Einsiedeln als früher, als man für ein paar Tage im Klosterdorf abgestiegen ist. Die Zeit ist schnelllebiger geworden, da liegt ein längerer Aufenthalt oft nicht mehr im Zeitplan. Zudem hat man heute höhere Ansprüche an ein Hotel als früher. Heute muss auch ein Hotelbesuch zum Erlebnis werden.
Dominik Hug, Verwaltungsratspräsident von Einsiedeln-Ybrig-Zürichsee AG (EYZ), überreicht Pater Philipp Steiner (links), der neu in den Verwaltungsrat gewählt wurde, ein Geschenk.
Foto: zvg