«Botschafter für die Wildtiere»
Interview mit Matthias Oechslin, dem neuen Wildhüter für die Region Einsiedeln, Alpthal, Ybrig und Höfe Süd
Am 1. August tritt der Einsiedler Matthias Oechslin (46) sein Amt als neuer Wildhüter an. Er will vor allem eine Stimme für die Wildtiere in unserer Region sein.
WOLFGANG HOLZ
Haben Sie schon einmal einen Wolf in freier Wildbahn gesehen?
Nein, in freier Wildbahn habe ich noch nie einen Wolf gesehen. Nur im Zoo und in Tierparks. Wie viele Wölfe leben denn nachgewiesenermassen wirklich dauerhaft rund um Einsiedeln? Man erhält immer wieder Nachrichten von irgendwelchen obskuren Kotfunden, und das wars dann. Konkret lässt sich das nicht sagen. Es gibt Hinweise darauf, dass ein Wolf in unserer Region dauerhaft heimisch ist. Es gibt hier aber auch Wölfe, die die Gegend immer wieder durchstreifen. Wölfe verfügen in der Regel über ein sehr grosses Streifterritorium.
Ist der Wolf denn eine Bedrohung oder eine Bereicherung für unsere Zivilisation? Die Diskussion um den Wolf wird derzeit sehr emotional geführt. Früher war der Wolf in unserer Region heimisch. Heute gibt es verschiedene Konflikte durch das erneute Auftauchen des Wolfs in unserer Kulturlandschaft. Konflikte zwischen den verschiedenen Interessens- und Anspruchsgruppen. Ich bin aber der Überzeugung, dass sich diese Konflikte mit geeigneten Massnahmen lösen lassen. Wie soll das gehen? Muss unsere Gesellschaft einfach wieder lernen, mit Wölfen in der Zivilisation zusammenzuleben, oder ist es aus Ihrer Sicht legitim, Wölfe abzuknallen, sobald diese ein paar Schafe gerissen haben?
Also, von Abknallen kann keine Rede sein. Der Gesetzgeber gibt zur Regulierung der Wölfe klare Rahmenbedingungen vor. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, wie auch mit allen anderen schadensstiftenden Tierarten, dass alle möglichen Massnahmen ergriffen werden, welche zur Eindämmung von Schäden helfen. Ich denke da an Schutzmassnahmen wie Herdenschutzhunde, Zäune und Vergrämungsaktionen. Als Wildhüter sind Sie in Zukunft verantwortlich für den Wildtierbestand in unserer Region. Wie steht es denn um die Wildtiervielfalt in unserer Gegend? Man hat ja vor einiger Zeit sogar einen Luchs gesichtet.
Wir haben in unserer Gegend einen sehr schönen Wildbestand. Wir haben verschiedene Schalenwildarten wie Hirsche, Rehe, Gämse und Steinböcke. Wildschweine gibt es keine, weil diese bei uns nicht so ein vielseitiges Nahrungsangebot vorfinden – insbesondere im Winter durch die normalerweise geschlossenen Schneedecken. Selbstverständlich haben wir auch die verschiedenen Haarraubwildarten wie Fuchs, Dachs, Marder. Sowie Murmeltiere und Hasen. Weiter zu erwähnen ist die Population des Auerwildes. In den vergangenen Jahren wurde der Wildbestand gut gehegt und bewirtschaftet. Mir ist natürlich bewusst, dass ich als Nachfolger von Roger Bisig in grosse Fussstapfen treten werde. Er hat wirklich grossartige Arbeit geleistet, und ich schätze ihn sehr. Apropos. Sie sind beim Kanton angestellt – in welchem Amt oder in welcher Abteilung eigentlich?
Beim Umweltdepartement, Departementssekretariat, Abteilung Jagd.
Hört sich ganz schön kompliziert an. Das Amt für Natur, Jagd und Fischerei ist ja aufgelöst worden, was für einen ziemlichen Wirbel gesorgt hat. Empfinden Sie diese Vorgeschichte für Ihre künftige Tätigkeit als Belastung?
Was fasziniert Sie am Beruf des Wildhüters? Die Tätigkeit als solche: Ich fühle mich als Botschafter für Wildtiere. Ich will dem Wild eine Stimme geben und bin damit auch mitverantwortlich für den Lebensraum der Wildtiere. Was für eine Ausbildung braucht es eigentlich für diese Tätigkeit? Es gibt eine Ausbildung zum Wildhüter mit eidgenössischem Fachausweis. Diese dauert drei Jahre. Ich werde diese Ausbildung berufsbegleitend zu meiner Tätigkeit absolvieren, die ich am 1. August beginne. Daneben muss man sich natürlich mit der hiesigen Geographie auskennen, man muss Land und Leute kennen und bereit sein, mit den verschiedenen Anspruchsgruppen wie zum Beispiel mit der Forst- und Landwirtschaft regelmässig zu kommunizieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Was haben Sie bis jetzt beruflich gemacht?
Ich arbeite im Verkauf von Sicherheits- und Sonnenschutzfolien als Verkaufsleiter. Gelernt habe ich Zimmermann. Als passionierter Jäger kenne ich mich in der heimischen Natur schon sehr gut aus, und als Verkaufsleiter habe ich Erfahrung mit der Kommunikation. Ausserdem habe ich mich nebenberuflich für die Hege und im Speziellen für die Rehkitzrettung eingesetzt.
Nein.
Sie sprechen es an, Sie sind leidenschaftlicher Jäger. Lässt sich dies mit der Eigenschaft als Wildhüter überhaupt vereinen? Gibt es da nicht Interessenskonflikte?
Im Gegenteil. Den Jägern geht es nicht nur darum, Tiere zu schiessen. Aktuell sind zum Beispiel viele Jäger unterwegs, um Rehkitze auf den Wiesen zu bergen, um sie so vor dem Tod durch Vermähen zu retten. Wildtiere verursachen aber auch Schäden. Wie bereits erwähnt müssen geeignete Massnahmen ergriffen werden, um zum Beispiel den Verbiss der Waldverjüngung durch das Schalenwild im Griff zu halten. Muss man als Wildhüter vom Charakter her selbst so ein bisschen einsamer Wolf sein, um gerne alleine, bei Wind und Wetter, durch Wald und Wiesen zu streifen? Nein. Als Botschafter für die Wildtiere muss ein regelmässiger Austausch stattfinden mit den verschiedenen Anspruchsgruppen. Selbstverständlich muss sich der Wildhüter gerne in der Natur aufhalten. Da befindet sich ja auch sein Arbeitsplatz.
Welches ist eigentlich Ihr Lieblingstier?
Mir gefallen alle Wildtiere. Wenn ich eines besonders hervorheben darf, ist es der Fuchs. Der Fuchs ist nicht nur sprichwörtlich ein sehr schlaues Tier. Er kann sich an die meisten Lebensumstände sehr gut anpassen und holt aus allen Situationen das Beste raus. Aber haben Füchse nicht ein Imageproblem infolge des Fuchsbandwurms und als klassischer Tollwutüberträger? Die Schweiz ist aktuell tollwutfrei, dazu haben auch die Jäger sehr viel beigetragen. Was den Fuchsbandwurm anbelangt, ist dieser sicher nicht ungefährlich, seine Verbreitung ist derzeit aber nicht gravierend. Was machen Sie privat gerne, wenn Sie mal nicht in der Natur sind? Ich bin Vater von vier Kindern und daher ein Familienmensch. Ich verbringe gerne viel Zeit mit meiner Familie. Die Familie ist für mich sehr wichtig, sie gibt mir Halt, Struktur und Kraft. Bevor ich mich für die Stelle als Wildhüter beworben habe, habe ich das mit meiner Familie besprochen. Letzte Frage: Richtig wild zu geht es ja heutzutage nur noch in Afrika und in den Dschungeln Asiens und Südamerikas. Würde es Sie reizen, mal als Ranger in der Serengeti zu arbeiten? Nein, ich bin hier zu Hause, und Wildtiere gibt es hier auch. Auch bei uns geht es zuweilen wild zu und her. Meine Verbundenheit gilt der Region und der heimischen Flora und Fauna. Daher verspüre ich dieses Bedürfnis nicht.
Im Sommer im Amt: Matthias Oechslin aus Einsiedeln ist der neue Wildhüter. Foto: zvg