Veröffentlicht am

«Wir haben derzeit keine Covid-19-Patienten im Spital»

«Wir haben derzeit keine  Covid-19-Patienten im Spital» «Wir haben derzeit keine  Covid-19-Patienten im Spital»

Im Kanton Schwyz ist das erste Todesopfer durch das Coronavirus zu beklagen. 99 Menschen haben sich mit dem Virus angesteckt. 10 Patienten sind genesen. «Im Spital Einsiedeln gibt es noch keine Patienten mit dem Covid-19-Virus», sagt Urs Birchler. Nicht bestätigen will der Spitaldirektor, dass es zwei Coronavirus-Fälle im Klosterdorf gibt.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie geht es Ihnen in diesen bewegten Zeiten?

Es geht mir gut. Ich gehe jeden Tag ins Büro im Spital Einsiedeln arbeiten und treffe auf Mitarbeitende, die bestens sensibilisiert sind bezüglich Coronavirus und sich entsprechend den Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit verhalten. Dementsprechend haben wir aktuell keine Mitarbeitenden im Spital Einsiedeln, die sich mit dem Virus angesteckt haben. Gibt es Coronavirus-Fälle im Spital Einsiedeln? Wir haben derzeit keine Covid- 19-Patienten hier im Spital Einsiedeln. Wir haben zwar Abstriche gemacht und Leute getestet in Verdachtsfällen. Mögliche positiv getestete Personen kurieren nun die Krankheit zu Hause in ihrer dortigen Quarantäne aus. Ein milder Verlauf der Viruserkrankung macht es möglich, dass glücklicherweise viele Erkrankte nicht im Spital behandelt werden müssen. Die exakte Zahl der Fälle kann ich Ihnen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht nennen.

Wie viele Betten haben Sie in der Intensivstation? Wir verfügen am Spital Einsiedeln über keine Intensivstation im eigentlichen Sinne. Gemäss Auftrag des Kantons Schwyz betreibt das Spital Einsiedeln jedoch eine IMC-Station (Intermediate Care). Dort haben wir vier Betten, davon zwei Beatmungsplätze. Für die vier IMC-Patienten sind jeweils zwei Pflegefachkräfte und ein leitender Arzt zuständig. Eine Intensivstation ist in den Spitälern Lachen und Schwyz zu finden. Wie viele Coronavirus-Patienten können Sie im Spital Einsiedeln aufnehmen?

Es gibt eine Extrastation für Covid-19-Patienten im dritten Stock, den wir ursprünglich stillgelegt haben, weil die Aufenthaltsdauer der Patienten immer kürzer wurde. Dort gibt es 18 Betten, die wir um zwei weitere Betten aufstocken könnten. Ein separates Team kümmert sich dort um Coronavirus-Patienten. Auf den Normalstationen haben wir sechzig Betten, von denen derzeit rund 45 besetzt sind.

Ist der weitere Betrieb, der sich nicht um Notfälle dreht, derzeit stillgelegt? Nein. Wir haben derzeit keine Ärzte und Chirurgen, die nun wegen des Coronavirus arbeitslos wären. Nicht dringliche Operationen, wie zum Beispiel etwa eine Krampfader-OP, werden zwar derzeit in der Tat verschoben, um Kapazitäten für die Covid-19-Welle zu schaffen. Aber es gibt auch Operationen, die man in den kommenden zwei bis drei Monaten an die Hand nehmen müsste. Und die machen wir jetzt – vor dem Sturm. Welche Operationen gemacht werden: Das ist ein Abwägen, in dem juristische und ethische Richtlinien zur Anwendung kommen.

Haben Sie ausreichend Personal für die Bettenstationen?

Je mehr Covid-19-Patienten wir auf dem dritten Stock betreuen werden, desto mehr werden wir die Patientenzahlen auf dem zweiten Stock reduzieren müssen, um über genügend Personal zu verfügen. Wenn die Welle gross wird, können wir zur generellen Unterstützung auf Sanitäter vom Militär zurückgreifen und auf Freiwillige mit Erfahrung im Gesundheitswesen. Bereits jetzt sind Leute vom Zivilschutz bei uns tätig, die bei der Schleuse, beim Haupteingang und beim Zelt vor dem Eingang zum Notfall zum Einsatz kommen. Verfügt das Spital Einsiedeln über eine genügende Zahl an Masken? Wir haben verschiedene Kanäle zur Verfügung, die uns mit ausreichend Masken versorgen. Das betrifft sowohl die normalen Chirurgen-Masken wie auch die speziellen, die einen grösseren Schutz vor dem Virus bieten. Auch bezüglich der Anzahl Test-Sets sind wir im Spital Einsiedeln genügend ausgerüstet. Wie geht das Personal mit der besonderen Belastung um in diesen Zeiten?

Wir haben diese Woche die Mitarbeitenden in fünf Gruppen unterteilt, um diese persönlich über die aktuelle Situation zu informieren. Bei den Mitarbeitern im Spital Einsiedeln kommt viel Respekt vor der speziellen Situation zum Ausdruck, aber keine Angst. Von Panikmache ist keine Spur. Vielmehr ist eine gesunde Gelassenheit spürbar. Dürfen Besucher noch das Spital betreten? In der Regel nicht. Väter dürfen weiterhin ihre Frau und das frisch geborene Kind besuchen. Besucher dürfen auch weiterhin ihre Angehörigen besuchen, wenn diese im Sterben liegen. Nicht in Frage kommt, dass Coronavirus- Patienten besucht werden können. Videos als Verbindung zwischen Covid-19-Patienten und Angehörigen werden wir prüfen, wenn es so weit ist. Erwarten Sie in der kommenden Woche die Welle? Bis jetzt sind wir zwar in der glücklichen Lage, dass wir bis anhin mehr oder weniger von Coronavirus- Fällen in Einsiedeln verschont bleiben. Der Grund hierfür mag darin liegen, dass das Klosterdorf in einem ländlichen Raum liegt, in der Covid-19-Fälle naturgemäss weniger stark auftreten als in einer grossen Stadt. Allerdings ist Einsiedeln keine Insel: Ich erwarte nicht einen eigentlichen Sturm aus dem Nichts. Aber wir werden bestimmt in den kommenden zwei bis drei Wochen herausgefordert werden. Verändert der Coronavirus den Übergangsmodus an die Ameos Gruppe? In keiner Art und Weise. Am 1. Mai übernimmt die Ameos-Gruppe die operative Führung des Spitals Einsiedeln. Bereits ist Michael Mehner, der neue Spitaldirektor und amtierende Direktor der Seeklinik Brunnen, tageweise hier bei uns. Mein letzter Arbeitstag im Spital Einsiedeln ist der 30. April. Wie schätzen Sie den Einfluss des Coronavirus auf die Spitallandschaft ein? Könnte es sein, dass nun ein Stopp geplanter Schliessungen oder Privatisierungen von Spitälern erfolgt? Ob das Coronavirus zu einer Trendwende im Spitalwesen führen wird, wird sich weisen. Vermutlich hilft das Virus den Schweizer Spitälern nicht wirklich, weil seine Wirkung nur kurzfristig anhält. Fakt ist allerdings, darauf macht das Virus aufmerksam, dass es zu wenig Betten auf Intensivstationen in den Schweizer Spitälern gibt, wenn ein solcher Fall auftritt. Das ist das Dilemma. Dezentrale Strukturen im Spitalwesen sind im Fall eines Coronavirus von Vorteil, weil dadurch eine grössere Flexibilität der Versorgung von Patienten mit dem Covid-19 und den anderen nicht infizierten Patienten erreicht werden kann. Gibt es eine Lehre, die man aus dieser Corona-Krise für die Schweizer Spitallandschaft ableiten kann?

Mit Sicherheit sind Spitäler in der jüngsten Vergangenheit tendenziell ausgehungert worden. Die überhandnehmende Ökonomisierung der Betriebe hat dazu geführt, dass Spitälern der Schnauf in Zukunft ausgehen wird. Mit unabsehbaren Folgen. Mit Spannung dürfen wir interessante Diskussionen über das Spitalwesen erwarten, die nun als Folge der Corona-Krise Einzug halten könnten.

Wie erleben Sie selbst ganz persönlich die Corona-Krise?

Mir wurde wieder deutlich bewusst, welch kostbares Gut die Gesundheit an sich ist. Dies durchaus auch auf ganz persönlicher Ebene. Einerseits gehöre ich mit meinem Alter naturgemäss selbst zur Risikogruppe. Andererseits zeigte mir die Corona-Krise auf, dass ich leider keine brauchbare Patientenverfügung habe.

Ein Zivilschützer vor dem Notfall übernimmt die erste Triage. Bei Verdacht auf das Coronavirus findet dann die Erstbehandlung des Patienten im Zelt vor dem Spital statt.

Ein Zivilschützer vor dem Haupteingang fragt die Patienten nach Symptomen auf das Coronavirus: Fühlt sich die Person gesund, kann sie sich im Spital am Empfang melden.

Dank der Signaletik vor dem Spital finden Patienten den Weg ins Haus an der Spitalstrasse 28 in Einsiedeln. Fotos: Spital Einsiedeln

Noch vier Wochen im Einsatz: Urs Birchler, Direktor des Spitals Einsiedeln ad interim, übergibt am 1. Mai die Führung des Betriebs an die Ameos-Gruppe.

Share
LATEST NEWS