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«Immerhin konnten wir uns zwei Tage auf den Einsatz vorbereiten …»

«Immerhin konnten wir uns zwei Tage auf den Einsatz vorbereiten …» «Immerhin konnten wir uns zwei Tage auf den Einsatz vorbereiten …»

Soldat Luca Föhn aus Unteriberg unterstützt die Ärzte am Basler Spital Bruderholz im Kampf gegen das Coronavirus

ANGELA SUTER

Für die sanitätsdienstliche Unterstützung des zivilen Gesundheitswesens im Kampf gegen das Coronavirus sind rund 3000 Armeeangehörige eingerückt. Das ist der grösste Schweizer Militäreinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Armee soll primär dem Gesundheitswesen im Kampf gegen das Coronavirus unter die Arme greifen. Dies umfasst Dienste wie Pflege, Patientenüberwachung, sanitätsdienstliche Transporte oder Spitallogistik. Auch Soldat Luca Föhn rückte – zwei Tage nach Aufgebot – am vergangenen Donnerstag, 19. März, nach Kriens, Luzern, ein. Haben Sie damit gerechnet, dass auch Sie aufgeboten werden, als sich die Situation in der Schweiz zugespitzt hat? Ich wusste schon seit langer Zeit, dass sich mein Bataillon in erhöhter Bereitschaft befindet. Mit einem Echteinsatz habe ich trotzdem nie gerechnet. Als die Fallzahlen des Covid- 19 stiegen und der Bundesrat immer mehr Massnahmen bekannt gab, wurde es für mich immer wahrscheinlicher, dass wir eingesetzt werden könnten. Mit der Pressekonferenz vom letzten Montag war der Fall für mich klar. Anders als die anderen Bataillone konnten wir uns immerhin zwei Tage darauf vorbereiten. Es war eine sehr stressige Zeit für mich, da ich mich mitten in der Lernphase für meine Semesterprüfungen befand, welche aber mittlerweile zum Glück abgesagt wurden. Wie sah der Einsatz bis jetzt aus? Ich musste am Donnerstag, 19. März, nach Kriens LU einrücken, wo wir das Material fassten und übernachteten. Davor haben wir uns in Luzern einer medizinischen Eintrittsuntersuchung unterzogen, bei der nach Symptomen des Coronavirus gefragt wurde. Am nächsten Tag verschoben wir in die Kaserne Emmen, wo wir die pflegerische Ausbildung repetierten, die militärische Ausbildung – zum allgemeinen Leidwesen – auffrischten und uns bereit hielten für eine Anfrage der Kantone.

Es herrschte grosse Ungewissheit bezüglich wo und wann wir eingesetzt werden. Erst am Samstag haben wir dann erfahren, dass wir auf Anfrage des Kantonsspitals Baselland in die Kaserne Liestal verschieben. Je 30 Soldaten werden im Spital Liestal und im Spital Bruderholz eingesetzt. Ich selber arbeite am Standort Bruderholz, dieses Spital wurde designiert als Corona- Referenzspital und beherbergt nur Patienten, die an dem Virus erkrankt sind. Am Dienstag, 24. März, erhielten wir eine Einführung durch das Spitalpersonal vor Ort, um uns mit den Arbeitsabläufen vertraut zu machen.

Wurdet ihr auf solche Situationen vorbereitet?

In den WKs wurden wir alle auf der Pflege eingesetzt und wir leisteten jeweils einen Echteinsatz, bei dem wir zivile Spitäler oder Altersheime bei der Pflege von Patienten und Bewohnern unterstützten. Jetzt wurde grosse Rücksicht auf die zivilen Tätigkeiten der Soldaten genommen und viele können dadurch die Spitäler in ihren Bereichen unterstützen. Ich selbst werde als Unterassistent tätig sein und die Ärzte unterstützen.

Wie lange rechnet man mit eurem Einsatz?

Es hiess, die Einsatzdauer sei «bis auf Weiteres». Der Marschbefehl ist bis Ende Juni ausgestellt, kann jedoch auch verlängert werden, es kann eventuell auch kürzer dauern. Wir haben Witze gemacht, auf dem nächsten Marschbefehl stehe dann «bis dass der Tod uns scheidet». Wie schützt ihr euch vor einer Ansteckung? In der Kaserne versuchen wir, zwei Meter interpersonelle Distanz zu wahren, dies ist jedoch nicht immer leicht. Die Essensausgabe, die Formationen und der Truppentransport wurden angepasst, um möglichst eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Im Spital tragen wir einen Mundschutz und Spitalkleidung, dabei befolgen wir die internen Hygienerichtlinien, diese sind Einkleiden bei isolierten Patienten, ständiges Händedesinfizieren und Händewaschen.

Habt ihr psychologische Betreuung? Wie geht ihr mit dieser schwierigen Situation um? Einige von uns arbeiten im psychologischen oder therapeutischen Bereich und haben Vorträge zum Thema Psychohygiene und Stressbewältigung gehalten. Der Armeeseelsorger arbeitet auch eng mit uns zusammen. Wir stehen unter enormem Druck, da es momentan absolutes Urlaubsverbot gibt, das heisst, wir können nicht nach Hause gehen, die Kaserne und den Einsatzort nicht verlassen und dürfen keinen Kontakt zur Normalbevölkerung haben.

Ausserdem dürfen wir uns gegenseitig nicht zu nahe kommen zum Schutz vor einer Ausbreitung (worauf wir ständig lautstark hingewiesen werden) und die allgemeine Unklarheit der Situation zerrt an den Nerven. Alkohol ist ebenfalls verboten. Dazu werden die Erlebnisse im Spital kommen, welches sich in den kommenden Wochen stark füllen wird, und die langen Arbeitszeiten sowie der Personalmangel. Aber der Zusammenhalt der Truppe ist super und ich habe viele gute Freunde hier, einige studieren sogar mit mir. Wie sieht euer Alltag aus? Was macht ihr in eurer Freizeit? Momentan arbeiten wir in Achtoder Zwölfstundenschichten im Spital und befinden uns sonst in der Kaserne. Die Freizeitaktivitäten sind stark begrenzt, man darf zum Beispiel keine Kontaktsportarten ausüben, wir sollen uns nicht mit den anderen Truppengattungen mischen auf Platz und gegenseitig soll man sich auch nicht zu nahe kommen. Daher liegen wir oft im Zimmer auf den Betten, was jedoch bald schwierig werden könnte mit der Einführung des Schichtsystems. Es wird jedoch versucht, Aktivitäten zu schaffen, beispielsweise Spiele, Konsolen oder Filme zu organisieren. Ich persönlich hoffe auf ein Klavier, da ich für mein Leben gerne spiele. Wie geht es während des Einsatzes mit Ihrem Studium weiter?

Mein Semester war zum Glück schon vor dem Einsatz zu Ende, aktuell ist aber nicht klar, auf wann die Prüfungen verschoben werden. Ab Mai beginnt theoretisch mein Wahlstudienjahr, wo ich bei verschiedenen Fachrichtungen als Unterassistent tätig sein werde. Nicht alle haben so viel Glück: einige meiner Kameraden mussten Prüfungen verschieben und werden ihr Studium um ein oder mehrere Semester verlängern müssen. Wie beurteilen Sie die Situation in der Schweiz? Wie wird sich das Ihrer Meinung nach noch entwickeln? Ich denke, die Massnahmen des Bundesrates machen Sinn. Man kann die eigene Wirtschaft nicht höher gewichten als Menschenleben. Ich denke nicht, dass die komplette Ausgangssperre kommen wird, wenn sich die Bevölkerung an die Massnahmen und Empfehlungen hält. Ich hoffe, dass der Peak der Erkrankten in den nächsten zwei Wochen kommen wird und die Zahlen danach wieder sinken. Ausserdem kann ich mir vorstellen, dass es zu einer zweiten Welle Infektionen kommen wird, sobald die Massnahmen wieder gelockert werden. Was denken Ihre Freunde und Familie über den Einsatz? Meine Mutter hat das Gefühl, ich würde in den Krieg ziehen. Viele Bekannte haben mir geschrieben und sich für meinen Einsatz bedankt, was sich ein wenig komisch anfühlt. Meine Freunde aus dem Studium finden es super, dass ich in der aktuellen Situation helfen kann und sind bestimmt neidisch, weil ich nicht in kompletter Isolation zu Hause herumvegetieren muss.

Haben Sie Angst?

Ich habe keine Angst um mich selbst, da ich nicht zur Risikopopulation gehöre, aber es entwickelt sich schon ein mulmiges Gefühl, wenn man hört, dass immer jüngere Patienten intubiert auf der Intensivstation liegen. Ich hoffe, meine Grosseltern zu Hause bleiben gesund. Was raten Sie unseren Lesern?

Bleibt zu Hause, nutzt die Zeit, um neue Hobbys zu finden und euch selbst besser kennenzulernen. Denkt an eure Grosseltern und an Menschen in eurem Umfeld mit geschwächtem Immunsystem. Auch junge Menschen sind nicht unverwundbar. Je besser wir die Empfehlungen des BAG einhalten, desto schneller ist das Ganze vorbei und desto eher können wir den Sommer 2020 retten. Und bitte keine Hamsterkäufe …

Zur Person

as. Luca Föhn besuchte die Primarschule in Unteriberg, die Stiftsschule in Einsiedeln (Matura 2014), machte die Rekrutenschule in Moudon als Spitalsoldat und wurde danach im Spitalbataillon (Spit Bat) 66 eingeteilt. Zurzeit studiert der 24 -Jährige Medizin im 5. Studienjahr an der Universität Bern, wo er ein WG-Zimmer hat. Jeweils im Sommer jobbt er als Pflegehilfe in den drei Altersheimen in unserer Region.

Das Spit Bat 66 trat beim Standort Bruderholz des Kantonsspitals Baselland, welches zum COVID-19-Referenzspital wurde, zum Assistenzdienst an.

Fotos: Gefreiter Philipp Bachmann

Vom Spitalpersonal wurden die Soldaten mit den Arbeitsabläufen der Institution vertraut gemacht. Die 30 Soldaten werden in der gleichen Kleidung wie die Spitalangestellten im Einsatz stehen. Luca Föhn ist der dritte von rechts mit den weissen Turnschuhen.

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