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«Ich fuhr dann nicht mehr ins Gross»

«Ich fuhr dann nicht mehr ins Gross» «Ich fuhr dann nicht mehr ins Gross»

Vor 60 Jahren, am 17. März 1960, brannte das Panorama bis auf die Grundmauern nieder

Foto Franz Kälin war 1960 vor Ort, als das Panorama ein Raub der Flammen wurde. Es war sein erstes Bild für den Einsiedler Anzeiger.

VICTOR KÄLIN

«Damit fing beim Einsiedler Anzeiger alles an. Die erste Foto von mir in der Zeitung», erinnert sich Franz Kälin. «Ich wollte eine Schulklasse in Gross fotografieren und eben mit dem Velo losfahren. Ich sah Rauch, hörte die Feuerwehr und ging schauen, was los war. Ich fuhr dann nicht mehr ins Gross. Als ich die Foto Josef Fräfel, dem langjährigen Redaktor zeigte, hat das etwas bewirkt. Zuvor hatte der EA die Bildagentur Keystone abonniert. Statt Fotos aus aller Welt gab es nun (auch) Fotos der Dorfgeschichte. Seither wollte der Einsiedler Anzeiger Fotos von mir.» Übrigens, fügt der heute 87-Jährige an, sei das Panorama innert dreier Stunden komplett abgebrannt.

Es war kein Donner eines Frühlingsgewitters Schnell waren damals nicht nur die Flammen, sondern auch der Einsiedler Anzeiger. Die Brand-Katastrophe ereignete sich an einem Donnerstagmittag; tags darauf berichtete die Zeitung ausführlich in Wort und Bild – mit einer Photopress-Aufnahme aus Zürich und einer von Photo Franz Kälin aus Einsiedeln!

Wie liest sich der Bericht aus dem Jahr 1960? «Gestern Donnerstag, während der Mittagszeit, brach in unserm weltbekannten Panorama Feuer aus. Etwas nach 13 Uhr vernahmen die in der Nähe des Panoramas wohnenden Hausbesitzer ein dumpfes Donnern, das aber nicht, wie zuerst vermutet, der Donner eines Frühlingsgewitters war. Das Dach des Panoramas hatte sich offenbar durch den Druck des im Innern bereits entstandenen Rauches explosionsartig geöffnet. Was sich nun den Zuschauern bot, war ein schauriger Anblick … Als die Feuerwehr sah, dass jede Möglichkeit, das Gebäude zu retten, geschwunden war, konzentrierte sie sich auf den Schutz der zunächst stehenden Häuser … Wie aus einer riesigen Feuerpfanne stiegen nun die Flammen in der ganzen Breite das Panoramadurchmessers gegen den Himmel. An der Aluminiumverkleidung, die mehr und mehr zu glühen begann, rann das schmelzende Aluminium hinunter … Etwas nach halb 2 Uhr stürzte die Dachkonstruktion mit dumpfem Knall ins Innere. Nochmals ein riesiges Aufflammen und ein hoch hinauf wirbelnder Funkenregen, und was einst das Panorama war, war nur noch ein glühender Trümmerhaufen.» Die Gefahr war bekannt

Detailliert über die Brandursache Auskunft gibt die Festschrift, welche Anja Buschow Oechslin und Werner Oechslin 1993 zum 100-jährigen Bestehen des Panoramas verfassten: «Das Feuer wurde durch das Entfernen der alten ‹versteinerten› Ölfarbe am Portikus mittels einer Lötlampfe entfacht– ein Verfahren, über dessen Gefährlichkeit sich augenscheinlich alle Beteiligten im Klaren waren.» In der Jubiläumsschrift, wie auch im Einsiedler Anzeiger von 1960, wurde gleichermassen vermerkt, dass wie durch einen «glücklichen Zufall » einen Tag vor dem Unglück alle Versicherungen den damaligen Verhältnissen angepasst worden waren. Mindestens aus finanzieller Sicht stand einem Wiederaufbau nichts im Wege.

Und so kam es auch: Die volle Auszahlung der Versicherungssumme bei einem Wiederaufbau wurde zugesagt. Damit war das entscheidende Argument zugunsten eines Wiederaufbaus und gegen die vorherrschende Meinung einer Auflösung der Panorama- Gesellschaft gegeben.

Gut zwei Jahre nach der Brandkatastrophe, am 14. April 1962, konnte das neue Panorama feierlich eröffnet und durch den Einsiedler Abt Raimund Tschudy eingesegnet werden. Das Ereignis wurde mit Wein aus Israel, «Chicken Curry à la Jérusalem » und einer «Coupe Palestine » gebührend gefeiert.

Interessanterweise verzeichnete das Panorama in den Jahren vor und nach dem Brand mit Zahlen über 100’000 die meisten Eintritte. In der jüngsten Vergangenheit hat sich der Jahresschnitt bei rund 4500 Besuchern eingependelt (EA 23/18).

Ausführliche Berichterstattung am Tag darauf im Einsiedler Anzeiger (Ausgabe 18. März 1960) – mit dem ersten Bild von Franz Kälin (links).

Das alte Panorama mit dem charakteristischen ionischen Portikus (zirka 1932) – dort, wo die Brandkatastrophe ihren Beginn nahm.

Der weitherum wahrnehmbare Brand lockte grosse Zuschauermassen an. Fotos: Archiv Franz Kälin

60 Jahre nach dem Brand: «Foti Fränzel» (rechts) ist längst selbst zur öffentlichen Person geworden – hier im Interview mit Walter Kälin (2019).

Foto: Archiv EA

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