«Die Regierung müsste ihren Worten Taten folgen lassen»
Diana de Feminis von der Arbeitsgruppe Gleichstellung gibt Auskunft, wie es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kanton Schwyz bestellt ist. Aus ihrer Sicht wäre es sinnvoller, eine Fachstelle anstelle der Gleichstellungskommission zu schaffen. Deren Arbeit sei kaum sicht- und spürbar.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie schätzen Sie den Stand der Dinge bei der Gleichstellung der Geschlechter im Kanton Schwyz ein?
Der Frauenstreik hat einiges in Bewegung gebracht. Das gute Echo in der Presse und die Vernetzung der Frauen führt dazu, dass das Thema weiter aktuell bleibt und diskutiert wird. Viele Frauen hat es aufgerüttelt, sie wollen nicht länger zuschauen, sondern werden aktiv und engagieren sich.
Was hat sich verbessert im Vergleich zu früher?
Frauen sind gut ausgebildet. Das Angebot der familienergänzenden Kinderbetreuung ist gewachsen. Einige Arbeitgeber haben familienfreundliche Bedingungen geschaffen. Es wurden Blockzeiten an den Schulen eingeführt. Grundsätzlich ist sicher eine mindestens vordergründig grössere Toleranz da, dass Frauen und Männer unterschiedliche Lebenswege beschreiten. In welchem Bereich gibt es noch Defizite? In allen Lebensbereichen muss das Thema noch breiter diskutiert werden. Stereotype Vorstellungen müssen weiter aufgeweicht werden. Frauen und Männer sollten sich nicht mehr in enge Korsette pressen lassen und das Leben leben, wie es früher einmal war: Das nützt der Gesellschaft gar nichts. Für die Herausforderungen der aktuellen Zeit brauchen wir Vielfalt, neue Ideen, ungewöhnliche Wege von allen Menschen. Wie meinen Sie das ganz konkret?
Es gibt zu wenig Frauen in der Politik und in der Führungsetage von Unternehmen. Die Lebensrealität der Frauen hat zu wenig Einfluss auf das, was in der Wirtschaft und der Politik entschieden wird. Mädchen wählen Frauenberufe, obwohl sie vielleicht lieber etwas anderes tun würden. Der soziale, unbewusste Druck ist weiterhin gross. Es fehlen Vorbilder, neue Modelle, wie Familie und Beruf zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden können. Stehen Familie und Beruf dementsprechend ganz im Fokus dieser neuen Modelle? Junge Familien wollen Arbeit und Beruf aufteilen, scheitern aber oft an der Realität: Kitas sind teuer, und Frauenberufe sind schlecht bezahlt. Und wenn es schwierig wird, macht man das, was man kennt. Frauen trauen sich zu wenig, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Sozialisierung ist immer noch so, dass angepasste, ruhige Mädchen erwünscht sind. Im Arbeitsleben wird dann aber erwartet, dass sie sich durchsetzen und für sich einstehen: Wie soll das gehen? Fördert die Schwyzer Regierung die Gleichstellung der Geschlechter?
Aus unserer Sicht ist das wenig sichtbar. Die Regierung sagt, dass die Gleichstellung bereits selbstverständlich ist: Warum sind dann in der Schweiz letztes Jahr 500’000 Menschen auf die Strasse gegangen und haben für eine gleichberechtigtere Gesellschaft demonstriert? Die Regierung sagt auch, dass man Gleichstellung nicht messen kann und man darum keine konkreten Ziele festlegen soll. Viele andere Städte und Kantone machen dies aber vor – und zwar mit grossem Erfolg. Wir sind darum enttäuscht von der Schwyzer Regierung. Die Aussagen bleiben Lippenbekenntnisse. Die Regierung müsste konkreter Haltung beziehen und ihren Worten Taten folgen lassen. Wo sehen Sie Fortschritte?
Dass in Schwyz ein eigener Frauenstreik mit einer gut besuchten Kundgebung und Veranstaltung stattgefunden hat ist ein Erfolg. Das Frauennetz des Kantons Schwyz ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Für die Kantonsratwahlen haben sich 113 Frauen zur Verfügung gestellt. Es passiert einiges im Kleinen. Ich wünsche mir, dass es dann auch konkret wird und zu weiteren Handlungen und mehr Kantonsratssitzen kommt. Gibt es Bereiche, in denen die Regierung und der Kanton mehr machen könnten? Natürlich, alle könnten mehr machen. Auf unserer zusammengestellten Massnahmenliste sehen Sie viele verschiedene Möglichkeiten, wie man vorgehen kann, um die Personen an den Schlüsselstellen (Führungspersonen und Personalabteilung) zu sensibiliseren und auch alle Mitarbeitenden einzubeziehen. Es ist natürlich ein langer Prozess: Die Führungsstruktur und -kultur muss sich ändern, wenn mehr Frauen in gewisse Bereiche vorstossen.
Was bräuchte es konkret?
Es braucht auf verschiedenen Ebenen und in mehreren Bereichen gleichzeitig immer wieder diverse Schritte, um das Ziel zu erreichen. Ein homogenes Team mit Männern, die alle 100 Prozent arbeiten, zu führen, ist ganz anders wie ein gemischtes Team mit Personen mit verschiedenen Pensen: Es braucht mehr Flexibilität und Offenheit. Es zeigt sich aber überall in der Welt, dass dies allen Beteiligten und dem ganzen Unternehmen zugute kommt. Sollte die familienergänzende Kinderbetreuung ausgebaut werden? Es braucht mehr Betreuungsmöglichkeiten, und der Kanton und die Gemeinden (und auch die Grossfirmen) müssen sich finanziell stärker beteiligen. Wenn beide Eltern arbeiten und ein grosser Teil des Lohnes in die Kosten der Kita fliessen, ist das erstens ungerecht und zweitens wenig sinnvoll. Die ganze Gesellschaft und Wirtschaft profitiert davon, wenn erwachsene Menschen nicht jahrelang aus dem Berufsleben aussteigen wegen der Familie. Die Schweiz investiert viel zu wenig in die Familien. Es lastet eine grosse Verantwortung und ein grosser Druck auf den Familien. Müssten Personalverantwortliche der kantonalen Verwaltung sensibilisiert werden für Gleichstellungsfragen?
Ich kann nicht beurteilen, wie gut sensibilisiert sie sind. Aber wenn sie meinen, es sei schon alles gut, wie es ist, dann haben sie nicht genau hingeschaut. Es gibt viele gute Vorbilder – Zürich, Basel, Luzern haben viele Massnahmen umgesetzt und viele Erfahrungen gemacht. Schwyz könnte sich daran orientieren und für sich einige Schritte ausprobieren – wir erwarten ja nicht eine totale Veränderung von heute auf morgen, aber man muss sich schon selber aktiv bewegen. Es dauert sonst viel zu lange, bis sich von selber etwas bewegt. Die Verwaltung ist aus unserer Sicht zu passiv. Wie schätzen Sie die Arbeit der Gleichstellungskommission (GKSZ) ein? Die Arbeit der GKSZ ist kaum sicht- und spürbar. Es sind Vertreter von allen Parteien in der Kommission – und sie können sich offensichtlich nicht darauf einigen, was Gleichstellung bedeutet und wie man mehr dafür tun kann. Ausserdem ist sie viel zu wenig aktiv. Zweimal im Jahr einen Anlass zu organisieren, reicht nicht. Es müsste viel mehr Vernetzungsarbeit und Sensibilisierung geleistet werden. Warum in der Kommission schon viele Mitglieder seit mehreren Jahren sitzen (und recht gut daran verdienen) und sie für die Bevölkerung nichts Konkretes erreicht haben, ist für uns unverständlich.
Wo liegt das Problem?
Es scheint fast, dass die Regierung kein wirkliches Interesse daran hat, eine aktive, kritische und zielgerichtete Kommission zu haben im Kanton. Die Regierung selber sagt nämlich, dass sie zufrieden sei mit dem Wirken der GKSZ – das ist bedauerlich. Eine Fachkommission oder eine Fachstelle wäre viel sinnvoller und effizienter – dies wurde schon von unterschiedlichen Seiten eingefordert. Die Regierung hat dies aber bisher immer abgelehnt.
Diana de Feminis ist Mitglied der Arbeitsgruppe Gleichstellung des Kantons Schwyz. Sie nimmt Stellung zur Arbeit der Gleichstellungskommission (GKSZ). Fotos: zvg
Der Frauenstreik hat einiges in Bewegung gebracht: Auch auf dem Hauptplatz in Schwyz versammelten sich am 14. Juni 2019 zahlreiche Frauen, um sich für die Gleichstellung einzusetzen.