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«Die meisten sind ängstlich»

«Die meisten sind ängstlich» «Die meisten sind ängstlich»

Interview mit Michaela Casty-Scheiber, der Leiterin der Notfallstation des Spitals Einsiedeln

Sie und ihr Team sind im Augenblick angesichts des Coronavirus in besonderem Masse gefordert: Michaela Casty-Scheiber ist Leiterin der Notfallstation des Spitals Einsiedeln. Wie belastend ist für sie diese Arbeit?

WOLFGANG HOLZ

Frau Casty-Scheiber, wie geht es Ihnen derzeit als Leiterin der Notfallstation mit dem Coronavirus?

Sehr gut. Wir sind am Spital Einsiedeln auf die Situation bestens vorbereitet und gerüstet. Die Rollen und Aufgaben in meinem Team sind klar verteilt. Wie viele Verdachtsfälle pro Tag müssen Sie momentan im Schnitt abklären? Diese Frage zu beantworten ist grundsätzlich schwierig, da die Richtlinien des BAG stetig ändern. Auf alle Fälle setzen wir diese Richtlinien strikt um. Wir testen aber regelmässig, sprich mehrere Verdachtsfälle pro Tag. In welcher Verfassung kommen die Leute zu Ihnen auf die Notfallstation: Sind die Leute eher in Panik oder Angst oder sind sie gefasst? Die meisten Leute sind tatsächlich ängstlich und verunsichert. Denn Sie wissen nicht, was nun auf sie zukommt im Falle einer positiven Infektion mit dem Coronavirus.

Wie geht es Ihnen selbst und Ihren Kollegen und Kolleginnen? Sind Sie sehr angespannt und haben auch Angst vor einer Infektion? Schliesslich hat sich ja neulich ein Spitalarzt in Brunnen mit dem Coronavirus angesteckt.

Um ehrlich zu sein: Wir nehmen die Lage zwar sehr ernst, mein Team und ich sind jedoch gelassen, weil wir – wie bereits erwähnt – bestens vorbereitet und entsprechend instruiert sind. Auf einer Notfallstation sind wir ohnehin täglich mit Ausnahmesituationen konfrontiert. Wird Ihre Arbeit auf der Notfallstation im Augenblick komplett vom Coronavirus dominiert? Nein. Auf keinen Fall. In diesem Zusammenhang ist es aber wichtig, zu erwähnen, dass Verdachtsfälle auf das Coronavirus gar nicht erst auf unserem Notfall erscheinen, sondern direkt auf die Isolierstation oder das Dekontaminationszimmer triagiert werden. Dadurch bleiben die übrigen Patienten geschützt und das tägliche Kerngeschäft kann regulär weiterlaufen. Wie schützen Sie sich in der Notfallstation vor dem Coronavirus?

Wir schützen uns klar nach den BAG-Richtlinien und den Weisungen des Kantonsarztes. Konkret bedeutet das, dass wir die Hygienekontrollen – im Vergleich zum Normalfall – massiv verschärft haben.

Wie nimmt einen diese anspruchsvolle Arbeit mental in Beschlag? Wie regenerieren Sie sich täglich? Da unser Team sehr gut eingespielt ist, ist die Stimmung im Team nach wie vor sehr entspannt und gelassen – ohne die Ernsthaftigkeit der Situation jedoch aus den Augen zu verlieren. Resümierend kann ich festhalten, dass mich die Situation mental aktuell nur punktuell fordert.

Wie gefährlich schätzen Sie das Coronavirus selbst ein? Schütteln Sie Menschen privat auch nicht mehr die Hand und geben keine Küsschen mehr? Selbstverständlich halte ich mich auch privat an die Richtlinien und Vorgaben des BAG – im Moment also weder Händeschütteln noch Küsschen unter Freunden. Ich muss allerdings eingestehen: An diese Regel halte ich mich bei meinem Mann und meinem fünfjährigen Sohn nicht.

Schrecken Menschen in Ihrer Umgebung zurück, wenn sie erfahren, wo Sie arbeiten? Mein Umfeld stellt zwar ab und an neugierige Fragen, bleibt aber dennoch gelassen, wie es scheint.

Sehnen Sie sich auch wie viele Menschen danach, dass die Situation mit dem Coronavirus ein Ende hat oder nehmen Sie alles einfach professionell? Natürlich bin ich enorm froh, wenn wir die ganze Situation überstanden haben. Zudem stellt es halt schon einen Mehraufwand in meinem Berufsalltag dar.

«An diese Regel halte ich mich bei meinem Mann und meinem fünfjährigen Sohn nicht.»

Michaela Casty-Scheiber, Leiterin Notfallstation, Spital Einsiedeln

Michaela Casty-Scheiber, Leiterin der Notfallstation des Spitals Einsiedeln, muss mit ihrem Team täglich einige Coronavirus-Verdachtsfälle abklären.

Foto: zvg

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