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«Der Wald ist ganz im Wandel»

«Der Wald ist ganz im Wandel» «Der Wald ist ganz im Wandel»

Revierförster Simon Merz berichtet, wie der Borkenkäfer Fichten bedroht und wie sich die Eschenwelke ausbreitet

Der Borkenkäfer wütet im Bezirk Einsiedeln: In den Wäldern rund um das Klosterdorf stieg der Käferholz-Anfall im letzten Jahr auf 8000 Kubikmeter. Revierförster Simon Merz schildert, wie der Klimawandel den Wald verändert. Stürme und Trockenheit sorgen für eine Schwächung der Bäume, Zwangsnutzung für ein Überangebot in der Forstwirtschaft.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie ist der Zustand der Wälder im Revier Einsiedeln?

Gut. Im Jahr 2018/19 verzeichnen wir jedoch einen starken Anstieg an Borkenkäfer-Befall im Einsiedler Wald. Dieser Anstieg ist jedoch in der ganzen Schweiz festzustellen. Der Borkenkäfer- Befall stieg in Einsiedeln im letzten Jahr auf rund 7000 bis 8000 Kubikmeter. Rund 5000 Kubikmeter wurden gefällt, genutzt und an örtliche Sägereien verkauft. Die restlichen befallenen Bäume wurden käfergerecht aufgerüstet und im Wald liegen gelassen. Teilweise wurde auch gar nichts unternommen und die Bäume der Natur überlassen. Wieso hat sich der Borkenkäfer so stark ausgebreitet? Bereits Anfang des Jahrtausends war der Borkenkäfer-Befall schon einmal sehr ausgeprägt: Der Orkan «Lothar» Ende des Jahres 1999 und der heisse, trockene Sommer 2003 sorgten für eine Schwächung der Fichten, die dann in der Folge von den Käfern heimgesucht wurden. 2018 wiederholten sich diese Geschehnisse: Anfang des Jahres brauste der Sturm «Burglind» über das Land, gefolgt von einem extrem heissen und trockenen Sommer. In der Regel nimmt dann ein paar Jahre nach solchen Ereignissen der Borkenkäfer-Befall stark zu. Auf welche Art und Weise bekämpfen Sie den Borkenkäfer? Hauptsächlich mit dem Fällen und Entrinden der befallenen Bäume. Es gibt zwar Borkenkäfer- Fallen: Diese Methode dient jedoch weniger zur Bekämpfung, sondern viel mehr zur Überwachung.

Wie viele Bäume sind insgesamt befallen?

Schwierig zu sagen, zirka 4000 Bäume werden es schon sein. Und es sind alles Fichten, da der Borkenkäfer (Buchdrucker) nur die Fichte befällt. Sorgen macht uns zudem seit einigen Jahren die Eschenwelke: Dieser Pilz macht sich neuerdings auch über ältere Eschen her. Wenn die Esche nicht eines Tages eine Resistenz gegen diese Krankheit entwickelt, wird diese Baumart in gewissen Regionen verschwinden. Welche Folgen hat dieses Baumsterben in den Einsiedler Wäldern? In erster Linie entsteht ein Sicherheitsproblem daraus: Entlang von Strassen, Bahnlinien oder öffentlichen Wegen müssen solche Risikobäume entfernt werden. In den letzten Jahren musste dies vermehrt von Einsiedeln Richtung Biberbrugg gemacht werden. Solche Sicherheitsholzereien oder Bekämpfungen des Borkenkäfers sind enorm teuer, aufwendig und stellenweise auch sehr gefährlich. Vermehrt kommt auch der Helikopter zum Einsatz. Nimmt aufgrund der Zwangsnutzung auch der Schutzwald Schaden? Nein. Da noch nicht grossflächige Waldkomplexe gefällt werden mussten, ist der Schutzwald noch intakt. In Gebieten, in denen der Schutzwald vor Steinschlag schützen soll, kann jedoch schon eine kleinflächige Räumung zu Problemen führen. Solche Risikogebiete sind in Einsiedeln im Gebiet Chalch, Rämshalden und im Ruostel. Wie kann dieses Gefahrenrisiko vermindert werden? In den Waldungen mit Steinschlag- Gefahr werden bei der Fällung hohe Stöcke belassen. Und Baumstämme werden quer zum Hang gelegt, um die Steine aufzuhalten. Jungbäume werden wenige gepflanzt, wir setzen auf die Naturverjüngung. An Orten, an denen die Naturverjüngung nur erschwert aufkommt, wird punktuell eine Pflanzung mit hauptsächlich Fichten vorgenommen.

Welche Folgen ergeben sich für den Wald aufgrund des Klimawandels?

Der Wald ist ganz allgemein im Wandel. Der Klimawandel führt zu einer steigenden Zahl an heftigeren Stürmen und an Trockenphasen. Darunter leiden einige Baumarten. Die Baumarten-Zusammensetzung wird sich leicht verändern. Der Nadelholzanteil wird langfristig leicht abnehmen und durch einen höheren Laubholzanteil ersetzt. Auch ein milder Winter wie der heurige könnte Folgen haben: Die Bäume treiben viel zu früh aus, was nicht ideal ist, weil damit die ganze Vegetationsphase der Bäume durcheinandergerät und durch einen Spätfrost zusätzliche Schäden an den Bäumen entstehen.

Wie reagiert die Forstwirtschaft auf die neuen Umstände? Gesunde und stabile Mischwälder sind anzustreben. Zu viel Käfer-Sturmholz sorgt dafür, dass der Holzpreis zurzeit vollends im Keller ist: Zwangsnutzung sorgt zwangsläufig für ein Überangebot an Holz. So hofft die Forstwirtschaft darauf, dass der Tiefpunkt erreicht ist und dass sich die Preise wieder erholen. Die Holzindustrie leidet zudem unter Importen, die billige Holzprodukte ins Land schwemmen. Durch diesen Import gerät unser Rundholzpreis stark unter Druck. Welche Folgen hat die ganze Misere für die Waldeigentümer?

Waldeigentümer haben unter diesen Umständen keine grosse Wahl: Wenn nicht zwingend Bäume genutzt werden müssen, wird darauf verzichtet. Vermehrt wird auch Holz im Wald liegen gelassen, da der Holzabsatz derzeit eher schwierig ist und der Arbeitsaufwand mit dem Holzerlös nicht gedeckt wird. Wie sind die Perspektiven des Einsiedler Walds in diesem Jahr? Wir hoffen auf einen feuchten und kühlen Frühling mit ausreichend Niederschlag. Wird der Frühling schon trocken und warm, wird der Borkenkäfer früher aktiv und sorgt für mehr Befall an der Fichte.

Der Revierförster Simon Merz im Bannholz in Willerzell – im Hintergrund sind der Bolzbergwald und der Chätzer zu sehen. Foto: zvg

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